Das Buch direkt bei Amazon bestellen Nigel McCrery Ilse Bezzenberger
Kaltes Gift

Original: Still Waters
Droemer gebunden
ISBN 978-3-426-19791-2

Bei einem Verkehrsunfall wird die stark verweste Leiche einer alten Frau entdeckt. Sie kann als Violet Chambers identifiziert werden - und sie wurde vermutlich vergiftet.
Doch als Detective Chief Inspector Lapslie mit den Ermittlungen beginnt, steht er vor einem Rätsel: Die alte Mrs. Chambers erfreut sich offenbar lebhaft ihres Daseins, zahlt Steuern, bezieht Mieteinkünfte und schreibt reizende Postkarten.
Was geht hier vor?

Rezension:
Schnipp, schnapp, schnorum ...
Beim Struwwelpeter ist es der Daumenlutscher, der um ein paar Finger kürzer gemacht wird, im äußerst gruseligen Prolog des überaus spannenden Romans von Nigel McCrery ist es ... ach, das tut ja eigentlich nichts zur Sache, denn viel viel interessanter ist ja, was sich Jahre später zuträgt.

Allein lebende alte Damen stehen im Visier einer perfiden, aber genialen Mörderin, die ihren Häschern lange Zeit immer mehr als einen Schritt voraus ist.
Ihr Gegenspieler: DCI Lapslie, ein hartnäckiger Polizist mit einem großen Handicap, über das er so wenig als möglich spricht - er leidet an Synästhesie. Sein Gehirn wandelt Geräusche in Geschmack um - intensiv, unerwartet und teilweise so unerfreulich, dass sein gesamtes privates und berufliches Leben dadurch beeinträchtigt wird. Ein hoher Geräuschpegel - wie etwa in einem Großraumbüro oder einem Restaurant - geht etwa mit dem metallischen Geschmack von Blut einher, was dazu führt, dass er im Kreis der Kollegen ständig mit einer latenten Übelkeit zu kämpfen hat.
DS Emma Bradbury, die Mitarbeiterin, die man ihm für diesen Fall an die Seite gestellt hat, ist jung, unangepasst und hat ihrerseits ebenfalls etwas zu verbergen.
Und auch Jane Catherall, die Pathologin, fällt aus der Reihe: Sie ist klein, hat aufgrund einer Polio-Erkrankung und der danach versteiften Wirbelsäule einen kugelrunden Bauch und ihre Stimme erinnert Lapslie an "Kognak mit Sahne".

Wie diese drei zusammenarbeiten, welche Quellen der starrköpfige Bulle und seine Assistentin anzapfen und wie sie sich gezielt über Dienstvorschriften hinwegsetzen, als man ihnen aus unerfindlichen Gründen Steine in den Weg legt, das ist einfach großartig.

Nicht minder faszinierend sind die aus Täterperspektive geschilderten Gedankengänge und Ereignisse: Raffinierte Schachzüge, für die man sie fast schon bewundern möchte, wäre man nicht von der immer wieder aufblitzenden Kaltblütigkeit abgeschreckt, mit der sie vorgeht.

Wunderbar ausgearbeitete Figuren, eine ausgeklügelte und immer wieder überraschende Handlung, witzige Dialoge, atemberaubende Höhepunkte, ein geniales Spiel mit Klischees - alles ist vorhanden.
Drehbuchautor und Ex-Polizist McCrery weiß ganz genau, was er tut - und er tut es verdammt gut.
Gruselig, böse und doch unterhaltsam - dieser hoffentlich von weiteren Bänden gefolgte Roman ist ein lehrreicher Leckerbissen nicht nur für Gartenfreunde.

Miss Sophie