Das Buch direkt bei Amazon bestellen Petra A. Bauer
Es geschah in Berlin 1926: Unschuldsengel. Kappes neunter Fall

Jaron Verlag TB
ISBN: 978-3897736023

Mina Kowalewski versucht anno 1926 ihr Glück in Berlin.
Kommissar Kappe hat derweil mit einem Serienmörder zu tun, der Mädchen mit einem Seidenschal fesselt und anschließend bestialisch ermordet.

Rezension:
Der Auftakt ist ganz schön heftig:
Ein Messer tief in porzellanfarbener Haut - ein Bild wie Rosen im Schnee ...

Dann, welch ein Kontrast:
Wir treffen ein Mädchen vom Land, das bei seinen ersten Schritten im Berliner Getümmel fast "unter die Räder kommt" - die der Automobile, die es aus dem heimatlichen 100-Seelen-Ort nicht kennt.
Das Unbekannte, der Kulturschock der 22-jährigen, ist so deutlich beschrieben, dass sich die Leserin selbst wie ein bezopftes Minchen fühlt, das zum ersten Mal die große weite Welt sieht.

Weiter geht es mit viel Lokalkolorit:
Die ärmlichen Mietskasernen und im Gegensatz dazu die "besseren Viertel" für die betuchteren Herrschaften, die sich dann ein im Haus lebendes Dienstmädchen leisten können ...
Der Funkausstellung und der imposante "Lange Lulatsch" aus sechshundert Tonnen Stahl ...
Und schließlich die schicken einschlägigen Cafés und Tanzlokale, in denen sich Bubikopfträgerinnen beim Charleston die Nacht um die Ohren schlagen ...

Hier bewegt sich Mina, die schon bald in große Gefahr gerät - und hier ist auch Hermann Kappe zu Hause. Einen langen Weg hat der frühere Storkower Schutzmann seit seinem erste Auftreten, angesiedelt im Jahr 1910, gemacht. Mittlerweile zum Oberkommissar befördert, ist er nun 38 Jahre alt, verheiratet und zweifacher Vater.

Diverse Turbulenzen romantischer Art haben dafür gesorgt, dass sein Leben nicht wirklich eintönig verlief und auch jetzt ist kein Ende in Sicht: Ehefrau Klara probt den Aufstand, weil sie wieder arbeiten möchte und beruflich liegen ihm der noch ungeklärte Mord während der ersten "Grünen Woche" sowie ein Serientäter, der es auf junge Mädchen abgesehen hat, mächtig im Magen ...

Gemeinsam mit den Kollegen Galgenberg (der Mann mit der Vorliebe für faule Witze) und Kniehase macht sich Kappe gewitzt und beharrlich daran, seine Fälle zu lösen, ohne sich allzu sehr mit seinem unangenehmen Vorgesetzten Dr. Brettschieß (dem Nazi-Freund) anzulegen.

Ein ungewöhnliches Konzept - hervorragend gelöst:
Die Reihe um die immer gleiche Figur des Hermann Kappe ist als Kettenroman angelegt - bei dem unterschiedliche Autoren den Serienhelden agieren lassen und dabei weiterentwickeln.

Ein Glücksgriff ist dabei die Berlinerin Petra Bauer - als Alter Ego der Weddinger Portiersfrau "Erna Pachulke" mit der Mundart vertraut wie wenige andere, lässt sie den Leser auch akustisch förmlich komplett eintauchen in das Berlin der 30er Jahre.
Geschickt verbindet die Journalistin und gerade im Bereich der Glosse sehr bewanderte Autorin dabei das humoristische Element mit einem sehr gut gemachten Spannungsroman, der nicht nur an der Oberfläche bleibt.
Immer wieder fließen zeitgenössische Details ein und auch der politischen Strömung wird Rechnung getragen.

Unterm Strich ist "Unschuldsengel" daher nicht nur ein von der ersten bis zur (leider fürchterlich klein gedruckten) letzten Seite ein Pageturner, sondern ein gelungenes Sittengemälde.

Miss Sophie