Das Buch direkt bei Amazon bestellen Rüdiger Bertram
Knastkinder

rororo TB
ISBN 978-3-499-21497-4
(ab 12 Jahren)

Für den Deutschen Jonathan wird ein Albtraum wahr:
Er wollte doch nur mal ein paar Stunden ohne seine Eltern durch Manila spazieren. Schließlich spricht er die Sprache.
Doch dann gerät er plötzlich in ein übles Viertel, wird ausgeraubt und landet im Knast.
Zusammen mit Hunderten von Manilas Straßenkindern. Unter schrecklichen Bedingungen.
Keiner glaubt Jonathan, dass ein furchtbarer Irrtum passiert ist. Keiner kann ihm helfen.
Wie soll er hier je wieder rauskommen?

Seit fast zwölf Jahren engagieren sich die Tatort-Kommissare Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt im Verein "Tatort - Straßen der Welt e.V." für Kinderrechte auf den Philippinen.
Durch den Dreh eines Tatort-Krimis 1997 in Manila wurden die Schauspieler auf die furchtbare Situation von Straßenkindern aufmerksam. Zahllose Kinder und Jugendliche sind dort im Gefängnis und vegetieren oft monatelang krank, hungrig und hilflos, der Gewalt der Mithäftlinge oder Wärter ausgesetzt, auf engstem Raum. Rund 20.000 Knastkinder - so die Schätzung - sitzen auf den Philippinen im Gefängnis, weil sie gebettelt, Klebstoff geschnüffelt oder Mundraub betrieben haben - eine Verurteilung oder eine Anhörung vor einem Gericht sind selten.
Der Verein "Tatort - Straßen der Welt e.V." unterstützt die unermüdliche Arbeit mit engagierten Partnern vor Ort und hat durch viele Reisen und Aktionen mittlerweile die Verhältnisse etwas verbessern können.
2008 hat Rüdiger Bertram für die Hilfsorganisation das Theaterstück "Knastkinder" geschrieben, das bislang mehr als 180 Aufführungen mit über 1.300 beteiligten Schülern erlebte und damit 2008 wohl das meistgespielte Schultheaterstück in Deutschland war und so bundesweit auf die Situation der Knastkinder - nicht nur auf den Philippinen - aufmerksam machte.

Rezension:
Von Malate nach Tondo - vom Viertel der Hotels und besseren Geschäfte in die verrufenste Ecke Manilas, wo auch Einheimische nicht ohne Not einen Abstecher machen würden ...

Schwer nachzuvollziehen, dass es in einer teilweise so modernen Millionenstadt wie Manila solch unglaubliche Unterschiede gibt, geben kann - und doch ist es wahr.
Hier die gepflegten Straßen - dort Menschen, die zwischen Müllbergen leben. In der einen Gegend höfliche, fröhliche Leute, die immer ein Lied auf den Lippen haben - in der anderen Männer, Frauen und auch Kinder, die ums pure Überleben kämpfen und dabei nicht zimperlich sind.

Jonathan, der Junge aus Berlin, der zum ersten Mal die Heimat seines philippinischen Vaters bereist, hätte das auf jeden Fall nie geglaubt - dabei kann er sich sogar in der Sprache der Einheimischen, Tagalog, verständigen.

Noch unglaublicher als die Prügel der ihn ausraubenden Straßenjungs ist für den Zwölfjährigen jedoch die Tatsache, dass die Polizei, für deutsche Kinder von klein auf "DEIN FREUND UND HELFER", genau das ganz und gar nicht ist - eher im Gegenteil.

Keiner der Beamten nimmt sich des Jungen an, hört auf seine Geschichte. Stattdessen findet er sich inmitten von Hunderten von Kindern wieder, von der Straße weggefangen und aufgelesen wie herrenlose Hunde und Katzen, zusammengepfercht in einem riesigen, ausgesprochen primitiven Lager.

Mehr als unglaublich für deutsche Leser, was Jonathan dort erlebt: Es gibt kaum etwas zu essen, die Kinderschlafen auf dem nackten Zementboden, bei allem gilt das Recht des Stärkeren - und die Wärter schauen regelmäßig weg. Das Allerschlimmste: Auch ein Leben zählt nicht viel in so einem Kindergefängnis ...

Bis zur letzten - teilweise, aber leider nur teilweise erleichternden - Zeile spannend ist dieser fiktive Roman, der auf Tatsachen beruht, auf dem, was der Autor gesehen und durch Gespräche mit "echten" Straßenkindern in Erfahrung gebracht hat.
Gnadenlos bedrückend ist dabei vor allem die Tatsache, dass es kein wirkliches Happy End gibt - und jeden Tag zahllose Kinder genau solche Situationen erleben müssen: Völlig rechte-, hilf- und schutzlos zu sein, der Willkür von (im besten Fall) desinteressierten Erwachsenen ausgeliefert, in einem System, für das Gerechtigkeit ein Fremdwort ist.

Schnörkellos und klar konfrontiert der Autor seine jungen Leser mit einer ihnen völlig fremden Welt und zeigt, wie das Dasein von Kids im genau gleichen Alter aussehen kann, für die es jeden Tag nur ums nackte Überleben geht.

Bertram, der zu Recherchezwecken selbst die Philippinen bereiste, hat sich nicht aufs bloße Bücherschreiben beschränkt: Das gleichnamige Theaterstück "Knastkinder" ist explizit zur Aufführung von Schülern an Schulen gedacht.

Ein hervorragendes Buch, das unter die Haut geht - und als Schullektüre (gerade auch durch den offenen Schluss) mehr als empfehlenswert ist.

Miss Sophie