Das Buch direkt bei Amazon bestellen William Gay Jochen Körber
Nächtliche Vorkommnisse

Original: Twilight
Aus dem Amerikanischen von Jochen Körber
Arche gebunden
ISBN 978-3-7160-2605-2

Die Toten wurden auf einer strohbedeckten Pritsche zur Schau gestellt.
Also der Schlag soll mich treffen, sagte ein dicker Mann. Er zeigte auf eine blutige Masse krauser Haare. Kannst du dir denken, warum der Killer auch den Hund getötet hat? Das hab ich mich auch schon gefragt, sagte Sandy. Ich glaub, es war einfach nichts anderes zum Töten mehr übrig."

So beginnt dieses ungeheuerliche Buch, das Stephen King zur besten Neuerscheinung des vergangenen Jahres kürte.

Die Geschichte spielt 1951 in einem Kaff in Tennessee: Den Geschwistern Corry und Kenneth Tyler stockt der Atem, als sie herausfinden, was Bestattungsunternehmer Fenton Breece mit dem Leichnam ihres Vaters angestellt hat.
Sie beschließen, Breece zu erpressen.
Woraufhin der Bestatter einen Mann anheuert, ihm die Geschwister Tyler vom Hals zu schaffen. Dieser Mann achtet kein Gesetz, hat kein Gewissen und kennt nur ein Mittel: Gewalt.
Eine Hetzjagd ohne Erbarmen beginnt - quer durch ein nächtliches Niemandsland, in dem sich die Abgründe versehrter Seelen öffnen.

Rezension:
Der Prolog ist unheilversprechend und gruselig.

Das Intro aber noch viel schlimmer.
Ein perverser Bestattungsunternehmer mit einem Faible für Radio-Dailys lebt seine kranken Fantasien dadurch aus, dass er die Toten auf allerlei Arten schändet: er verstümmelt sie, arrangiert sie in obszönen Posen mit anderen Leichnamen, füllt die Särge mit Müll anstatt die Körper hineinzubetten, die er dann zu einem späteren Zeitpunkt unzeremoniös ohne jegliche Umhüllung in der Erde verscharrt ...

Seine Gegenspieler sind zwei halbwüchsige Kinder.
Ein 15jähriger, der Bücher liebt und vom prügelnden Vater dafür bestraft wurde - wieder und wieder.
Sowie seine wenig ältere Schwester, ein Mädchen voller Hass.
Ihren Vater haben die beiden zwar nicht geliebt - aber das Verhalten des Bestattungsunternehmers finden sie dennoch skandalös, außerdem macht es ihn erpressbar ..

. Doch natürlich läuft nichts glatt und der Bestatter setzt einen kaltblütigen Mörder auf die Kids an, der sie zum Schweigen bringen soll. Jeder weiß über ihn Bescheid und doch wird er nie verurteilt, weil alle Geschworenen Angst vor ihm haben. Ganz offen schüchtert dieser Kerl die Menschen ein - und niemand bietet ihm die Stirn.

Natürlich sucht der Junge Hilfe - bei der Polizei, bei seinem alten Lehrer ... und keiner, keiner steht ihm bei (sie stellen sich, im Gegenteil, nach und nach alle als korrupt heraus).

Die Flucht - ein nervenaufreibendes Katz- und Mausspiel - bringt viele Begegnungen mit vielen anderen traurigen Schicksalen: Da sind die einsame Witwe, der alte desillusionierte Mann, die Einsiedlerhexe, die Familie, die völlig isoliert im Niemandsland lebt ...

Alles ist trostlos und traurig und tragisch - dabei häufig skurril und aberwitzig - und alle sind sie irgendwie wahnsinnig.

Und trotz der wirklich durchgehend unheilvollen, düsteren Stimmung, die mehr ist als eine bloße Vorahnung der Katastrophe entwickelt das Buch einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Wider alle Vernunft hofft der Leser doch noch auf eine positive Wendung, auf den einen "Gutmenschen", der nicht nur dem jungen Protagonisten, sondern auch dem Leser den Glauben an das Gute zurückgeben kann.

Der Roman ist beinhart, schonungslos, faszinierend und spannend, aber dennoch nicht pathetisch - obwohl sich so viele traurige Geschichten zwischen diesen beiden Buchdeckeln versammeln ... und alle sind sie Opfer, irgendwie ..., selbst die Täter ....

Miss Sophie