Das Buch direkt bei Amazon bestellen Jacques Berndorf Christian Willisohn
Samiras Blues

Kbv Hörbuch
ISBN 978-3-940077-59-2

1 CD, 73 Minuten

Dies ist die Geschichte von Samira, die auf ihren schmalen Schultern die Last einer ganzen Welt trägt. Einer Welt voller Schrecken, voller Vernachlässigung, voller Brutalität.
Samira, die mit ihrer kaputten Familie aus dem Nahen Osten illegal nach Deutschland einreist, Samira, die unter der Gleichgültigkeit ihrer Mutter leidet und unter der Trunksucht ihres Vaters.
Samira, die beschließt, für ihr eigenes Leben zu kämpfen, bevor sie untergeht, ganz egal, wie hoffnungslos es auch aussehen mag.

Rezension:
"Nationalität ungeklärt" - das ist das "Etikett", das seit 22 Jahren an Samira klebt wie Pech und das sie jetzt, nach der Geburt ihres kleinen Sohnes, vor allem im Hinblick auf SEIN weiteres Schicksal, dringend loswerden möchte.

"Herkunft unbekannt" - das ist letztendlich auch der Aufhänger, den Autor Jacques Berndorf an den Anfang seiner Erzählung stellt, die auf einer wahren Geschichte beruht.

In 10 Kapiteln, die unter die Haut gehen, wirft er Licht auf das bisherige Leben der jungen Frau, von der nur klar ist, dass ihre Vorfahren aus dem Nahen Osten stammen - ob nun aus Syrien, Afghanistan, dem Libanon ... man weiß es nicht, wird es auch nie erfahren, ist doch der Vater einst mit den Papieren eines Toten eingereist.

Überhaupt dieser Vater:
Ein gewalttätiger Säufer, Lügner, Dieb, ewig arbeitslos, aber bestens bewandert im deutschen Sozialsystem ... ist der Mann doch für Samira und ihre drei Brüder ihr "Held", eine idealisierte Figur und die einzige erwachsene Konstante in einem mehr als turbulenten Leben.
Die Mutter hat sich davongemacht, als das Mädchen gerade mal drei Jahre alt war - um einem Ehemann zu entkommen, der sie misshandelte und wie eine Sklavin an seine Saufkumpane verhökerte.

Auch seine ständig wechselnden Partnerinnen behandelt der Mann nicht besser, vergreift sich gar an ihren Kindern ...
Doch Samira mit den großen dunklen Augen und dem olivfarbenen Teint will das alles nicht wahrhaben: Nach wie vor ist der Vater für sie ein Gott, um den sie sich kümmert in allen Wechselfällen des Lebens.

Selbst als er erst im Gefängnis und später in der Psychiatrie landet, ist sie immer für ihn und ihre Geschwister da ... - permanent unter der inneren Spannung stehend, nach außen das Bild einer intakten Familie aufrecht erhalten zu müssen. Fast kein Wunder, dass dieser Druck erst zu unangepasstem Verhalten, Misstrauen gegenüber der ganzen Welt, dann zum engen Kontakt mit Drogen und Kleinkriminellen führt.

Und doch zieht sich das kleine, schmale Mädchen ein ums andere Mal wieder aus dem Sumpf ihres Lebens heraus, lässt sich nicht besiegen - nicht von den Umständen und nicht von einer Familie, die immer nur fordert und nie gibt.
Das Ende ist offen - unerwartet - und vielleicht noch lange nicht erreicht.
Aber bis dahin hat der Hörer eine Menge erfahren - viel davon ausgesprochen deprimierend.

Dass "Samiras Blues" dennoch von Hoffnung durchdrungen ist, liegt vor allem am genialen Zusammenspiel zwischen Sprache und Musik.
Was könnte es besseres geben als den Blues, um diesem Gefühl von zu viel Elend, Trauer, Unglück, fehlender Liebe und Verständnis eine Stimme zu verleihen?
Mitten ins Herz trifft Christian Willisohn mit seinen eindrucksvoll-eingängigen Klavierstücken und seinem unverwechselbaren Gesang.
Zumal durch den Wechsel zwischen Erzählung und Musik immer wieder Raum für einen Nachhall der Worte geschaffen wird.

Was (auch dank der sonoren Stimme Berndorfs, der man stundenlang lauschen könnte) wie eine Geschichte aus 1001 Nacht beginnt, entpuppt sich bald als ein düsteres Schauermärchen über ein Mädchen, dessen Leben von Anfang an ohne eigenes Zutun steil abwärts führt.
Berndorf beschönigt nichts - und wenn er in dürren Worten die Misshandlungen beschreibt, mit denen seine Protagonistin in einem Alter konfrontiert wird, in dem andere kleine Mädchen noch nichts Schlimmeres gesehen haben als einen abgerissenen Puppenarm, dann ist das wie ein Schlag in die Magengrube des Hörers.
Und doch gibt es eine Art versöhnliches Ende, nachdem große Katastrophen das Mädchen immer und immer erschütterten, eine positive Note zum Schluss, die Mut macht: Samira und all den Frauen aus dem Nahen Osten, die ein Leben führen müssen wie sie, oft im Verborgenen und ohne jegliche Unterstützung von außen.

Berndorf und Willisohn - selten gab es ein so rundum gelungenes Zusammenspiel von Text und Ton.
Bitte unbedingt mehr davon!

Miss Sophie