Das Buch direkt bei Amazon bestellen James Sallis Jürgen Bürger
Dunkle Schuld

Originaltitel: Cypress Grove
(1. Band Turner)
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger
Heyne TB
ISBN: 978-3-453-43410-3

Eigentlich hatte sich Ex-Cop Turner in das kleine Provinzkaff Cypress Grove zurückgezogen, um sein altes Leben hinter sich zu lassen.
Doch als der unerfahrene Sheriff des Ortes mit einem Ritualmord konfrontiert wird, bittet er den Außenseiter um Hilfe. Ein Mann wurde gepfählt und als gekreuzigte Vogelscheuche aufgebaut.
Turner nimmt die Ermittlungen auf und gewinnt nicht nur neue Freunde, sondern muss sich letztlich auch seiner Vergangenheit und damit sich selbst stellen.

Rezension:
Der Ich-Erzähler ist ein desillusionierter Ex-Cop, der schon viel gesehen hat in seinem bisherigen Leben.

Lakonisch wie eh und je haut Sallis dem Leser die Facts und Figures um die Ohren:
Vergewaltigungen, Raubüberfälle, Morde an Taxifahrern - alle unaufgeklärt aufgrund eines Maulwurfs in den eigenen Reihen. Selbstjustiz, Kindesmisshandlung, Prostitution ... - es gibt nichts, was Turner nicht schon gesehen hat.
Manche Fälle hat er gelöst - durch unkonventionelle, aber richtige Reaktion.
Einmal leider hat er entsetzlich falsch reagiert - und teuer dafür bezahlt ...

So kommt es, dass er nicht nur das Leben eines Polizisten von Grund auf kennt, sondern auch die andere, die dunkle Seite des Gesetzes.
Die wiederum ihre ganz eigenen Spielregeln hat, die es zu beachten gilt, wenn es rein ums Überleben geht.
Was dazu führt, dass ein Mann manchmal tut, was ein Mann tun muss.

Doch damit nicht genug: Der vielschichtige Turner weiß nicht nur, wie man sich auf der Strasse Respekt verschafft - auch das Feld der Psychologie ist ihm nicht fremd. Zwei Uniabschlüsse nennt er sein eigen, hat jahrelang Menschen therapiert.
Und musste auch hier wieder herbe Niederlagen hinnehmen.

Kein Wunder also, dass er sich in das einsame Haus am See zurückgezogen hat, von wo man ihn für eine Mordermittlung holt.
Ihm zur Seite stehen der Sheriff, sowie eine Anwältin der State Police - gut aussehend und handwerklich begabt, sowie eine Meisterin an der Mandoline.
Gemeinsam gehen sie unaufgeregt, aber beharrlich dem Fall des gekreuzigten Penners auf den Grund.

Echte, ehrliche, erdige Charaktere aus den Südstaaten sind sie. Keine Superhelden, sondern Kerls, die das Gesetz und die Wahrheit dort auch einmal biegen, wo es unumgänglich ist. Machen keine überflüssigen Worte, aber kümmern sich persönlich um all die Verirrten und Verwirrten in ihrer kleinen Gemeinschaft.

Und währenddessen lässt Turner sein Leben Revue passieren: Viele kleine Fälle, Miniaturen, ganze Schicksale in wenigen Worten angerissen und doch mehr über die Menschen gesagt als es andere Autoren in meterdicken Romanen je könnten.
Das ist Sallis Stärke, das tut er immer wieder und immer wieder unnachahmlich gut: Figuren und Geschichten mit Leben füllen. Ein Satz hier, eine Andeutung da - der Rest passiert im Kopf des Lesers, der jedes erbärmliche Heim, jede dreckige Knastzelle so plastisch vor sich sieht, als habe er selbst einen Blick hineingeworfen.

Manchmal möchte man weinen, weil sich so viele Abgründe dahinter verbergen.
Dann wieder ist man insgeheim froh darüber, dass seine dunkle Seite dem Protagonisten das Leben gerettet hat.
Man liebt ihn, weil dieser Turner hart und weich zugleich ist. Erbarmungslos abgebrüht und gleichzeitig doch voller Herz und Hirn.
Das Allerbeste jedoch: Noch zweimal werden wir ihn erleben dürfen - ist der vorliegende Roman doch der erste Band einer Trilogie!

Miss Sophie