Das Buch direkt bei Amazon bestellen Michael Raleigh Susanne Höbel
Willkommen im Blue Moon Circus

Original: The Blue Moon Circus
Deutsch von Susanne Höbel
Hoffmann & Campe gebunden
ISBN 978-3-455-06013-3

Ein rachsüchtiges Kamel, ein wiedergeborener Schlangenbeschwörer und ein arthritischer Zauberer sind nur einige der Protagonisten, die diesen Zirkusroman bevölkern - eine bunte Truppe, die in den zwanziger Jahren ihre abenteuerliche Tour durch den Mittleren Westen antritt.

Zirkusdirektor Lewis Tully ist fünfzig Jahre alt, als er es noch einmal wissen will.
Allen bisherigen Niederlagen zum Trotz macht er sich ein vermeintlich letztes Mal daran, einen neuen Zirkus auf die Beine zu stellen.
Es dauert eine Weile, bis er auf seiner Suche nach alten und neuen Schaustellern, nach kuriosen und originellen Zirkusnummern fündig wird.
Die Truppe, die schließlich loszieht, besteht aus den liebenswertesten, wunderlichsten und verrücktesten Menschen und Tieren, die man sich vorstellen kann.

Rezension:
Magisch, anrührend und faszinierend von den ersten Seiten an, so kommt diese Geschichte über eine Menge alter Männer, einen abgewrackten Zirkus und einen kleinen Jungen daher.
Wie in jeder wirklich guten Story über Underdogs, die all ihre Kräfte zusammentragen und Unglaubliches auf die Beine stellen, gibt es Schwierigkeiten, Rückschläge und den bösen Widersacher im Hintergrund, der nur den richtigen Moment abwartet, um seinem Gegner den Todesstoß zu verpassen.

Das Amerika der 30er Jahre, die ärmlichen Unterkünfte, in denen Menschen leben, die nur noch das besitzen, was sie in einer einzigen Segeltuchtasche tragen können, auf der einen und die glamouröse Verwandlung dieser nur auf den ersten Blick bedauernswerten Verlierer auf der anderen Seite, ist der Spannungsbogen, der den Leser kontinuierlich in Atem hält.

Ein uralter Zauberer, ein schwarzer Weißclown mit Arthritis, Artisten aus aller Herren Länder mit ihren persönlichen und kulturellen Befindlichkeiten, ein Gorilla mit Showtalent, ein Kamel, das noch eine alte Rechnung offen hat und zwischendrin der neunjährige Charlie - das ist Unterhaltung und Poesie pur.
Wie sich der elternlose Junge den Zirkusdirektor Lewis A. Tully mit dem großen Herzen für die im Leben zu kurz gekommenen annähert, das ist ganz großes Kino.
Auch die lebenslange Fehde, die diesen mit seinem ewigen Rivalen, Hector Blaney verbindet, der, ebenfalls Zirkusdirektor, aber sehr viel erfolgreicher, dafür aber kein bisschen menschlich zu seiner Truppe ist, passt dazu wie die Faust aufs Auge.
Schlägereien, Verleumdungen, böse Manipulationen an den Zugfahrzeugen, Versuche, bei Nacht die Tiere freizulassen ... die Liste dessen, was sich Blaney einfallen lässt, ist lang und nicht selten mit Gefahren für Mann und Maus verbunden.

Der Roman ist eine große Geschichte um Freundschaft und Vertrauen und Mut.
Der Zusammenhalt in dieser Schicksalsgemeinschaft, deren Mitglieder alle "ihrem" Direktor persönlich verbunden sind, ist durch die Grenzen zwischen Buch und Leser hinweg spürbar und anrührend.
Respekt, Zuneigung und plötzliche Höchstleistungen sind wie glitzernde Perlen in der trüben Soße des alltäglichen Lebens dieser teilweise bettelarmen Menschen im Amerika der 20er Jahre.
Zum Brüllen komisch (wenn der Elefant ausbüchst und genau dort landet, wo er am dringendsten gebraucht wird), voller diebischer Freude (wenn die Guten die Bösen zuletzt doch übertölpeln), zum Weinen tragisch (wie so viele sich nach Zuneigung sehnen und die rechten Worte nicht finden) ist dieser Roman, bei dem der Leser nicht schnell genug zum Ende kommen kann und gleichzeitig verzweifelt wünscht, dass die letzte der 448 Seiten niemals kommen möge.

Miss Sophie