Das Buch direkt bei Amazon bestellen Stieg Larsson Wibke Kuhn
Verblendung - Buch zum Film

Originaltitel: Män Som Hatar Kvinnor (Millennium 1)
(1. Band)
Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn
Heyne TB
ISBN 978-3-453-50384-7

An seinem 82. Geburtstag erhält der einflussreiche Industrielle Henrik Vanger per Post anonym ein Geschenk. Das Paket enthält eine gepresste Blüte hinter Glas, genau wie in den 43 Jahren zuvor. Vangers Lieblingsnichte Harriet hatte ihm 1958 zum ersten Mal dieses Geschenk gemacht, doch dann verschwand sie spurlos. Ihr Leichnam wurde nie gefunden.
In einer letzten Anstrengung beschließt Vanger herauszufinden, was dem geliebten Mädchen tatsächlich zustieß.
Er engagiert den Journalisten Mikael Blomkvist, der, getarnt als Biograf, bald auf erste Spuren stößt.
Unterstützt wird er von der jungen Ermittlerin Lisbeth Salander, einem virtuosen Computergenie mit messerscharfem Verstand.
Je tiefer Blomkvist und Salander in der Vangerschen Familiengeschichte graben, desto grauenvoller sind ihre Enthüllungen.

Das vorliegende Buch zum Kinofilm enthält 16 Seiten Bonusmaterial.

Ein Muss für alle Fans sind außerdem folgende Seiten bei Facebook sowie Youtube .

Rezension:
Wie kann es sein, dass der fast 700-Seiten-Schmöker eines bis dato als Schriftsteller völlig unbekannten Journalisten Millionen Leser weltweit in seinen Bann zieht?
Liegt es am Plot - hochspannender Krimi um einen jahrzehntelang zurückliegenden Mord ohne Leiche, verstörende Familiensaga, packender Wirtschaftsthriller und Beziehungsdrama in einem?
Liegt es an der schnörkellosen Sprache, die - zusammen mit der ebenso gradlinigen Handlung - Krimifans aller Couleur vereint und sogar solche Leser bei der Stange hält, die in der Buchhandlung normalerweise nicht als erstes zu Mord und Totschlag greifen?
Oder liegt es an den Figuren - schillernd auf der einen Seite, hochgradig traumatisiert und psychisch lädiert, auf der anderen?

Vielleicht wird man es nie erklären können - vielleicht ist es auch nicht wichtig, zu wissen, WARUM es der viel zu früh verstorbene Stieg Larsson geschafft hat, sich mit seinen drei (von geplanten zehn) Bänden ein Denkmal zu schaffen.
Klar ist nur, dass die Verfilmung bei einer solchen Resonanz überall auf der Welt, eine nicht nur logische, sondern unvermeidliche Konsequenz war.

Und das Ergebnis kann sich sehen lassen - ist es doch dem Team um Niels Arden Oplev hervorragend gelungen, den grandiosen Spannungsbogen umzusetzen, der dieses bald ein halbes Jahrhundert (und mehr) umschließende Familiendrama auszeichnet und nur jene Handlungsstränge zu vernachlässigen, die den Roman zwar wunderbar abrunden, aber für 152 Minuten Hochspannung nicht unbedingt notwendig sind.

Einfach toll, seine Bildsprache für diese Menschen, die den "Dallas"- und "Denver"-Clan blass aussehen lassen mit ihren ganz unterschiedlichen seelischen Abgründen und schwierigen Beziehungen untereinander.
Denn im Mittelpunkt der Handlung steht ja in erster Linie der große und weit verzweigte Familienverbund der Vangers, die alle irgendwie etwas zu verbergen haben und von denen auf jeden Fall einer oder eine mit Harriets Verschwinden zu tun haben muss.
Als Außenstehender soll Journalist Mikael Blomkvist die Sache noch einmal ganz von Anfang aufrollen, Tausende von Seiten Material sichten, sich in uralte Fotos vertiefen, um ein Gefühl für das zu bekommen, was an dem Tag geschah, als der alte Henrik Vanger seine Lieblingsnichte verlor.

Blomkvist kommt diese forcierte Auszeit in dem abgelegenen Örtchen ganz gelegen - steckt er doch in großen persönlichen Schwierigkeiten: Eine von ihm als Autor und gleichzeitig Herausgeber der Zeitschrift "Millennium" lancierte Enthüllungsstory über einen Wirtschaftsboss hat einen Verleumdungs-Prozess mit Verurteilung zu einer Geld- und Haftstrafe nach sich gezogen.
Um größeren Schaden von der Zeitschrift und den Kollegen abzuwenden, zieht sich Mikael daher zunächst komplett zurück und verbeißt sich förmlich in die uralte Geschichte.

Als er Unterstützung bei seinen Recherchen benötigt, wendet er sich an die freiberufliche Ermittlerin Lisbeth Salander, von deren Fähigkeiten er höchst eindrucksvoll an einem sehr plastischen Beispiel überzeugt wird.
Die Mitzwanzigerin mit dem Aussehen eines magersüchtigen Teenagers fällt komplett aus dem Rahmen: Ganzkörpertätowiert und -gepierct unterhält sie aufgrund ihres ganz persönlichen tragischen Schicksals, das erst nach und nach zutage tritt, so gut wie keine herkömmlichen sozialen Kontakte und Beziehungen. Und doch ist sie in Sachen Informationsbeschaffung, Tricksen und Täuschen, aber auch im Ziehen von Schlussfolgerungen so gut wie keine Zweite.

Ein ungewöhnliches Team, diese beiden, das aber in jeder Lebenslage - auch und vor allem, als es ums nackte Überleben geht - zu Höchstleistungen aufläuft, bis es nach einem in mehrfacher Hinsicht komplett unerwarteten Finale zum vorläufigen Schlusspunkt der Zusammenarbeit kommt.

Larsson ist nicht zimperlich: Einige der Vorgänge, die er schildert, Verbrechen, die ans Tageslicht kommen, sowie jene Beschädigungen physischer und psychischer Art, die mehrere der Protagonisten erleiden müssen, sind von beispielloser Abscheulichkeit.
In einem konventionellen Roman würde sich die Polizei darum kümmern - hier schlagen die Opfer selbst zurück, mit ungewöhnlichen und ebenfalls nicht zimperlichen Methoden.
Das ist archaisch und brutal - aber es passt perfekt sowohl in den Text bei dem der Leser nie das Gefühl hat, grausige Details um ihrer Schockwirkung wegen vorgesetzt zu bekommen, als auch den Film, der zeigt, was gezeigt werden muss, ohne jedoch in diesen Szenen zu baden.

Die Emotionen kommen trotz allem nicht zu kurz - man nimmt jeder einzelnen Figur ihre Gefühle und die Motive, die sie letztendlich zu ihren Handlungen getrieben haben, vorbehaltlos ab.

Den letzten Kick erhält der Roman schließlich sicherlich durch die Tatsache, dass Mikael Blomkvist dem Industriellen, der ihn zu Fall gebracht hat, nach wie vor auf der Spur ist und alles daran setzt, ihn doch noch zu überführen.

Stieg Larsson ist ein Ausnahmetalent mit großer Sachkenntnis für das Umfeld, in dem er seine Romane angesiedelt hat und einem unglaublichen Gefühl für Timing.
Seine Bücher und deren Verfilmungen (soweit man das nach der ersten beurteilen kann) verdienen zu Recht einen Platz in jeder "best of" Ranking-Liste der herausragendsten Thriller.

Wer sich für die Details zum Film interessiert, findet in der vorliegenden Neuausgabe Informationen zu den Hauptdarstellern und zum Regisseur - allerdings keine Fotos.

Miss Sophie