Das Buch direkt bei Amazon bestellen Astrid Fritz
Die Vagabundin

Rowohlt gebunden
ISBN 978-3-463-40507-0

Die wahre Geschichte der Eva Barbiererin

Passau, 1561:
Nach dem Tod ihrer Mutter wächst die junge Eva bei ihrem brutalen Stiefvater auf. Als er sich an Eva heranmacht und sie mit einem alten Trunkenbold verkuppeln will, flieht sie aus der Stadt und beginnt ein abenteuerreiches Wanderleben.
Schnell merkt Eva, dass sie als Frau den Männern schutzlos ausgeliefert ist. So verkleidet sie sich als Schneiderknecht und zieht von nun an mit gefälschten Papieren durch die Lande.
Doch ihr Geheimnis droht ständig aufgedeckt zu werden. Vor allem, als ihr unterwegs ein Mann begegnet und mit ihm die erste große Liebe ...

Rezension:
Ein leichtes Leben hat sie wahrlich nicht, die junge Eva - doch andererseits, wer hat das schon, in der Mitte des 16. Jahrhunderts?

Die Mutter ist im Kindbett gestorben, als das Mädchen gerade 11 ist und der Stiefvater betreibt ein heimliches Hurenhaus, weswegen die ganze Familie mit Schimpf und Schande aus der Stadt geworfen wird.

Nach dem Neuanfang in Passau findet der Alte wider Erwarten eine Arbeit als Büttel - doch die nach dem Auszug der großen Geschwister (der eine zum Studium nach Straßburg, die andere als Dienstmädchen in ein hochherrschaftliches Haus) noch daheim verbliebenen Kinder, Eva und ihr kleiner Bruder Niklas, führen dennoch ein kümmerliches Leben mit mehr Arbeit und Schlägen als Brot, da der Vater alles versäuft.

Schließlich kommt es zum Eklat - um sich gegen die Übergriffe des tyrannischen Grobians zu wehren, benutzt Eva ein Messer ...

Was folgt, ist die Flucht. Kreuz und quer durch Bayern geht es - eigentlich wollen die Kinder nach Straubing, zur einzig noch lebenden Verwandten, doch erleiden sie allerlei Ungemach, das sie vom direkten Weg abbringt:
Mehrfach entkommen sie nur in letzter Minute den Häschern, die sie wegen der Vorfälle in Passau suchen, sie werden entführt und immer wieder ausgeraubt, erkranken abwechselnd schwer ... so dass es fast an ein Wunder grenzt, dass sie schließlich das Haus der Tante erreichen.

Doch das ist erst die Hälfte des Abenteuers und die Geschichte ist noch längst nicht zu Ende, denn erst als sie den neunjährigen Bruder in sicherer Obhut weiß, hat die nun 15jährige den Mut, allen despotischen Männern die Stirn zu bieten, indem sie sich erneut auf Wanderschaft begibt.
Sie hat genug von diesem System, das sie zunehmend als ungerecht empfindet, in dem Frauen nämlich nur schuften und ihren Vätern, Brüdern, Dienstherren oder Ehemännern zu Willen sein dürfen, aber nichts gelten.
Ihren Unterhalt mit ehrlicher Schneiderarbeit verdienen und das Geld selbst behalten, das möchte sie. Allein ... das funktioniert nur, wenn aus Eva ein Adam wird ...

Die Zeit ihrer Wanderung - mit allen Höhen und Tiefen, den Risiken, die sie, mal absichtlich, mal völlig ungewollt, eingeht, das Elend und die Freude, die das mutige Mädchen erlebt, das ist meisterlich geschildert und absolut fesselnd.

Zumal die Figur der Eva Barbiererin eine historisch belegte ist und zahlreiche der Episoden, die sich in Astrid Fritzens faszinierendem Roman wiederfinden, im Nördlinger Stadtarchiv dokumentiert sind.

Zahlreiche witzige Situationen sind dabei - in denen Eva mit Hilfe von kleinen Tricks der Entdeckung entgeht und sich immer wieder aus einer brenzligen Situation hinauslaviert. Auf der andere Seite verschweigt die Autorin auch nicht die Grausamkeiten jener Zeit: Hinterhältige Überfälle, bei denen das Blut in Strömen fließt, Vergewaltigungen und Mord, und nicht zuletzt sehr zweifelhafte Ermittlungsmethoden, bei denen sich honorige Ratsherren nicht scheuen, die schlimmsten Foltermethoden zum Einsatz zu bringen, um ein Geständnis zu erhalten.

Der Leser lebt, liebt, lacht und leidet mit Eva - erfährt ganz nebenbei viel Wissenswertes über bedeutende Größen der Vergangenheit wie etwa Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus - und wird am Ende garantiert mehr als eine Träne vergießen über das Schicksal dieser außergewöhnlichen, jungen Frau, die sich trotz ihrer Schwindeleien den Respekt zahlreicher Zunftkollegen verdiente.

Miss Sophie