Das Buch direkt bei Amazon bestellen Wolfgang Schorlau
Das München-Komplott - Denglers fünfter Fall

KiWi TB
ISBN: 978-3-462-04132-3

Das Bundeskriminalamt bittet seinen früheren Zielfahnder und heutigen Privatermittler Georg Dengler um Mithilfe:
Er soll die Akten der damaligen Sonderkommission Theresienwiese über den Anschlag auf das Münchner Oktoberfest 1980 prüfen.
Dengler denkt, es sei ein leichter Auftrag, doch schon bald entdeckt er die ersten Widersprüche.
Warum wurde in dem Abschlussbericht der Sonderkommission behauptet, es handele sich bei dem Attentäter um einen Einzelgänger, während glaubhafte Zeugenaussagen ihn unmittelbar vor der Tat mit weiteren Personen gesehen haben?
Dengler ermittelt und steht plötzlich selbst im Fadenkreuz mächtiger Interessen.

Rezension:
Nach der Lektüre von "Das München-Komplott" ist man als erstes versucht, den Autor anzurufen - nur um zu sicherzustellen, dass es ihm gut geht.
Warum diese Sorge?
Nun zum wiederholten Male nennt Wolfgang Schorlau in einem gleichzeitig atemberaubenden, dabei aber abgrundtief erschreckenden Thriller Ross und Reiter höchst offizieller Natur.
Denn ohne Umschweife verknüpft er das schlimmste Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik mit hochrangigen Kreisen aus Politik und Verfassungsschutz.

Klar, Politthriller funktionieren nur genau so - indem man ganz konkret mit dem Finger auf "die da oben" zeigt.
Doch Schorlau geht noch einen Schritt weiter: Wie noch jedes Mal in seinen akribisch recherchierten und stets hoch gelobten Romanen liefert er hieb- und stichfeste Quellen, verweist auf konkrete offizielle Mitschriften, Archivmaterial, geheime Dokumente, alles von Sachbuch-Kollegen geprüft und veröffentlicht.

Zunächst einmal jedoch zurück zum Buch:

Der Einstieg erfolgt über einen kraftvollen Prolog mit Einschüben aus den Protokollen jener Nacht, in der das Unfassbare geschah und sich ein Ort größter Freude in einen Schauplatz allergrößten Schmerzes verwandelte, ein Schlachtfeld, auf dem 13 Tote, 68 Schwerstverletzte und 132 Verwundete zurückblieben ...

Schreiende Menschen, überall Blut und abgetrennte Gliedmaßen - auch ein Privatermittler und Ex-Bulle wie Dengler, der schon viel gesehen hat in seinem Leben, steckt diese Vorstellung nicht so einfach weg und überlegt sich daher sehr genau, ob er den Auftrag seines ehemaligen Arbeitgebers, des BKAs, annimmt, das Oktoberfestattentat vom das 26. September 1980 noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen.

Was der grüblerische Dengler, der ehemalige Außenseiter aus dem Schwarzwald, zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Im Grunde geht es vordringlich nicht darum, die damaligen Ungereimtheiten auszuleuchten, wie etwa die schnelle behördliche Feststellung, es handle sich um einen Einzeltäter, wo es doch mehrere Zeugen gab, die glaubhaft versicherten, unmittelbar vor der Explosion am besagten Papierkorb mehrere Personen gesehen zu haben.

Statt dessen ist die Drahtzieherin hinter allem, Charlotte Gräfin von Schmoltke, seit vier Jahren parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium, vielmehr daran interessiert, einen vernichtenden Schlag gegen die Rechtsextremisten zu führen.
Unausweichlich scheint es dabei, die Aktivitäten des Verfassungsschutzes unter die Lupe nehmen zu müssen, unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, dass dessen V-Männer in nicht unerheblichem Maße in rechten Kreisen vertreten sind. (Auch dies im übrigen eine Tatsache - siehe auch die Einstellung des von der Bundesregierung, dem Bundestag und Bundesrat beantragten Verfahrens zum Verbot der NPD am 18.3.2003) Die Vierzigjährige, die sich zunehmend wie eine "Sprechpuppe" fühlt - mit einem Interview da, der Teilnahme an einer Arbeitsgruppe dort - will endlich etwas bewegen, ein politisches Ziel erreichen, sich nicht mehr nur durch ihre Wurzeln als Enkelin eines Widerstandskämpfers definieren lassen.

Auch der BKA-Präsident, der ihr Anliegen unterstützt, hat natürlich seine ganz persönlichen Gründe, Dengler gerade auf den Fall des Oktoberfestattentats anzusetzen, was der Stuttgarter Privatschnüffler aber zunächst nicht realisiert.

Als ihm jedoch die Dimensionen der ganzen Sache klar werden, ist es schon fast zu spät, da hat er bereits sich und seine Mitstreiter in Lebensgefahr gebracht ...

Was für ein Sumpf, möchte man meinen:
Jeder ist gegen jeden, ohne Rücksicht auf Verluste wird abgehört, beschattet und ausspioniert, alles nur zum Zweck, Schwächen aufzudecken, die andere erpressbar machen.
Es geht um Macht und Aufstieg, persönliche Animositäten, um alte Rechnungen und neue Baustellen.
Gekämpft wird mit härtesten Bandagen: Schlägertrupps jagen dem, der sich zu weit vorwagt, handfest und nachdrücklich Angst ein und auch vor Mord wird in letzter Konsequenz nicht zurückgeschreckt.

Schorlaus knappe Kapitel sind sein Markenzeichen und wieder einmal kleine Kabinettstückchen, in denen er durch Streiflichter auf das (Innen-) Leben der handelnden Personen mehr über diese und ihren Seelenzustand aussagt als andere in seitenlangen Ergüssen.
Wie seine Kapitel, so auch seine Sätze: Kurz, prägnant, aussagekräftig, inhaltsschwer.

Nach und nach entwickelt sich die Geschichte, neben BKA, Verfassungsschutz und Neofaschisten kommen auch internationale Geheimdienste ins Spiel, "aufrechte Bullen" versuchen, sich gegen ihre korrupten oder einfach nur eingeschüchterten Kollegen durchzusetzen, was ihnen aber leider nur teilweise gelingt ... und der Leser wünscht sich, dies alles sei nur (gut gemachte) Fiktion ohne jeden Bezug zur Wirklichkeit.

Vieles von dem, was Autor Schorlau so meisterlich in seinen Roman eingebaut hat, spricht allerdings dafür, dass dem nicht so ist ... - was beim Lesen neben großer Betroffenheit einen schalen Nachgeschmack hervorrufen würde (zumal kurz vor dem wirklich atemberaubenden Finale auch eine lieb gewonnene Figur ihr Leben lassen muss), wenn, ja wenn es nicht auch immer mal wieder Highlights gäbe.
Wie etwa die Tatsache, dass Denglers fiktiver Freund Mario und sein "Ein-Tafel-Restaurant" tatsächlich existieren.

Weswegen die Rezensentin stark hofft, dass sich der Autor bei guter Gesundheit, in angenehmer Gesellschaft und vorzugsweise mit einem guten Glas Rotwein eben dort oder unbeschadet in seinem Stuttgarter Lieblingsstadtteil, dem "Bohnenviertel", aufhält, um schon an einem neuen Fall für Georg Dengler zu arbeiten.

Miss Sophie