Das Buch direkt bei Amazon bestellen Thomas Hoeth
Herbstbotin

Ein Stuttgart-Krimi
Silberburg Verlag TB
ISBN 978-3-87407-852-8

Auf aktuellem Filmmaterial über einen Ostermarsch glaubt die Journalistin Katja Gütle ihre Mutter zu erkennen. Ein Gesicht in der Menschenmenge - Monika Gütle, Terroristin der ersten RAF-Generation, gesucht wegen Polizistenmordes und seit Jahrzehnten verschwunden.
Sie erinnert sich an den ehemaligen LKA-Zielfahnder Amon Trester. Er hat an vorderster Front gegen die RAF gekämpft, schwere Schuld und ein Trauma auf sich geladen, das ihn in die Psychiatrie, ins Kloster und schließlich in eine unsichere Existenz als privater Ermittler getrieben hat. Katja fordert ihn auf, ihre Mutter zu finden.
Eine gefährliche Spurensuche quer durch Südwestdeutschland beginnt. In Stuttgart, Heidelberg und am Bodensee stoßen die beiden auf ein Rattennest aus Verrat, politischem Extremismus, Korruption und Wahnsinn. Und jeder, der nach Monika Gütle sucht, riskiert sein Leben.

Der Roman erhielt den von den “Stuttgarter Kriminächten ausgelobten „Stuttgarter Krimipreis“ als bester deutschsprachiger Debüt-Kriminalroman 2009.

Rezension:
Er hat es nicht leicht und macht es sich nicht leicht, dieser Amon Trester.
Der EX-LKA-Zielfahnder, einer der besten, der bei einem Einsatz einen schrecklichen Fehler gemacht hat, ist nun als Privatdetektiv unterwegs.
Seine Medikamente nimmt er nicht mehr, aber seine Wahrnehmung ist dennoch verändert: Aus Tönen macht sein Gehirn Bilder, Farben, gaukelt ihm Situationen vor, die so oder anders hätten geschehen sein können ...

Dieser Typ nun, mit seinen gedanklichen Aussetzern, der immer wieder keine Ahnung hat, was ihm in den vorhergehenden Minuten oder gar Stunden widerfahren ist, soll die Mutter einer jungen Frau finden.
Die rothaarige Katja ist fest entschlossen, gerade ihn - trotz (oder gerade wegen) des verpatzten Terroristeneinsatzes mit der Suche zu betrauen. Sie verlangt seine Hilfe mit unbarmherzigem Nachdruck - die Konsequenzen sind ihr egal.
Trester willigt ein und zeigt, dass auch seine Methoden nicht immer ganz ... handzahm ... sind - er ist ein Meister der unausgesprochenen Drohungen ...

Dann allerdings eskaliert die Situation - es wird turbulent, rasant und alles andere als subtil: Denn es gibt Tote, Trester wird als mutmaßlicher Mörder von seinen Ex-Kollegen gesucht, außerdem versuchen Linksradikale mit allen Mitteln seine Ermittlungen zu verhindern und bestimmendes Element der Handlung wird die brutale Gewalt.

Im beschaulichen Oster der Stadt Stuttgart wird verfolgt, bedroht, gefoltert - aber auch mitten auf der Wangener Höhe gerettet und beschützt.

Es geht um Manipulation - gestern und heute, um Verrat an denen, die am meisten an "die Sache" glaubten, um Menschen, die in die Irre gingen und geläutert wurden. Oder auch nicht ...

Die Suche nach der ehemaligen Terroristin Monika Gütle (die es in Wirklichkeit so nicht gab - aber wohl durchaus hätte geben können, glaubt man den Aussagen der vielen "Mitläufer", die aus Überzeugung mehr oder weniger lange Teil der terroristischen Bewegung waren) führt zu einer Begegnung mit vielen Zeitzeugen, deren Motive und Haltung so unterschiedlich waren und sind, wie die Menschen an sich unterschiedlich sind:

Die, die sich einfach nur bereichern wollten - im Zweifelsfall auch mit Erpressung und Druck.
Die, denen das Ziel eines radikalen Umsturzes auf politischer Ebene so wichtig war, dass sie alles und jeden auf diesem Altar geopfert hätten.
Aber auch die, die in der Lage sind, frühere Ideologien auf den Prüfstand zu stellen und sich neu zu positionieren.

Die Spurensuche, die schnell zu einer wahren Jagd wird, ist absolut spannend. Immer wieder geraten Trester, Katja Gütle und "Squaw Hoffmann", die kräuterkundige Schwäbin fortgeschrittenen Semesters, deren Outfit an eine Indianerin erinnert, in Lebensgefahr.
Zuweilen blitzt feiner Humor auf - etwa, wenn eine Horde Wildschweine die Verfolger in letzter Minute ablenkt. Oder auch in den überzeichneten Charakteren der beiden Beamten "Gut" und "Böse", die sich bei den Verhören die Bälle zuspielen (und von denen der Leser natürlich hofft, dass sie ausschließlich Produkte der Fantasie des Autors sind und sich keinesfalls an realen Gegebenheiten orientieren).

Es liegt aber auch viel Tragik in dieser Suche nach der eigenen Identität - von einer jungen Frau, mutterlos aufgewachsen, mit unendlich vielen Fragen, aber auch von einem Mann, den seine Erinnerungen und Schuldgefühle immer wieder in die Knie zwingen.
Viele der Figuren verrennen sich in einem Gefühlswirrwarr, begehen nie wieder gutzumachende Fehler, sind Opfer und Täter zugleich.

Wirklich gut gelungen ist der Blickwinkel, aus dem Autor Hoeth eine für eine ganze Generation prägende Ära betrachtet, während er ihr neue und völlig andere Aspekte hinzufügt.
Das Ende ist überraschend - und doch wieder nicht.
Alles in allem ein tolles Debüt!

Miss Sophie