Das Buch direkt bei Amazon bestellen Stephan Brüggenthies
Der geheimnislose Junge

Eichborn gebunden
ISBN: 9783821858494

Ein Essen mit den Eltern seiner jugendlichen Freundin? Zbigniew, sprich Dz-big-niäff, Meier, Hauptkommissar im KK51 der Kölner City-Polizei Stolkgasse, hat ziemlich schlechte Laune, bevor er von seinem türkischen Kollegen Zeynel in einen vermeintlichen Routinefall hineingezogen wird: Ein Junge wird von seinen Eltern vermisst.
Je mehr Meier über das vermögende Elternhaus und den wohlbehüteten Schüler eines Kölner Elitegymnasiums in Erfahrung bringt, desto sicherer ist er, dass der 15-jährige Timo einfach abgehauen ist.
Kurz darauf wird in Turin der Torso eines Jungen gefunden, der missbraucht und grausam verstümmelt wurde. Auf seinem Rücken eingezeichnet: eine Karte von Frankreich. Und obwohl der tote Junge nicht Timo ist, glaubt Zbigniew Meier an einen Zusammenhang.
Auf eigene Faust macht er sich auf den Weg nach Houlgate in der Normandie - an jenen Ort, an dem Timo mit seiner Familie den letzten Urlaub verbracht hat und an dem sich sein Leben entscheidend verändern sollte.

Rezension:
Brillant, einfach klasse!

Schon der Einstieg ein Brüller - und ein Beweis dafür, wie es jemandem "vom Film" gelingt, mit einer vom Subtext bestimmten Handlung, den Leser zu fesseln und zu binden.

Da treffen wir nämlich diesen Typen, der ausgerechnet an jenem Morgen, als die Kontrolleure der KVB (Verkehrsbetriebe der Stadt Köln) ihre Runde machen, ohne Fahrschein dasteht.
Was er selbst durchmacht, weiß jeder, der sich schon einmal in einer ähnlichen Situation befand - was die anderen Fahrgäste denken, ist noch viel offensichtlicher, zumal der Mann sich zunächst überhaupt nicht ausweisen kann.
Als ihm dann einfällt, dass er ja seinen Dienstausweis dabei hat - was dazu führt, dass sich nach dem Vorzeigen alles radikal ändert, denn der Schwarzfahrer ist Polizei-Hauptkommissar - ist trotzdem alles zu spät, hat doch jene Frau den ganzen Vorgang beobachtet, die als informelle Informationszentrale des Polizeipräsidiums gilt ...

Durch diese Szene katapultiert er sich direkt in die Herzen der Leser, dieser Herr Meier, bei Bonn in der Provinz als waschechten Rheinländer aufgewachsen, allerdings auf Wunsch seiner polnischen Mutter mit dem Handicap eines nicht ganz unkomplizierten Vornamens - Zbigniew!

Doch weit gefehlt, wollte man aus dem launigen Entrée ableiten, es handle sich bei diesem Debütroman um eine Art schwarzhumorige Krimikomödie.
Ganz im Gegenteil ist es ein schweres, sehr unschönes Thema, dem sich der Autor dennoch mit einer gewissen Leichtigkeit widmet.

Ein Teenager ist verschwunden - ob aus eigenem Antrieb oder durch das Eingreifen Dritter bleibt lange unklar.
Was allerdings mehr als deutlich wird, ist das höchst eigenartige Verhalten von Eltern und Freunden des Jungen.

Kurze Zeit später allerdings hat Zbigniew mit einem ganz anderen, körperlichen Problem zu kämpfen: Einem Bandscheibenvorfall, der ihm mehr als einmal das Leben ausgesprochen schwer macht, wenn er ihn nicht sogar um ein Haar dasselbe kostet.
Denn die Bandagen, mit denen hier gekämpft wird, sind hart, schmutzig und erbarmungslos.
Und die Kräfte, die am Werk sind, übersteigen das am Anfang angenommene Ausmaß um ein Vielfaches.
Die Geschichte ist harter Tobak - je weiter sie fortschreitet, desto mehr.

Zbigniew ist eine ehrliche Haut, er hat ein Problem mit Macht- und Amtsmissbrauch, was sein Handeln innerhalb eines größeren, internationalen Polizeiapparates nicht leichter macht. Denn Gefälligkeiten schätzt er zunächst wenig - und auch an das Prinzip der einen Hand, die die andere wäscht, muss er sich erst gewöhnen.
Auf der anderen Seite balanciert er privat permanent am Rande der Legalität - ist die Freundin des Mittdreißigers doch noch minderjährig ...
Wenn es um wichtige dienstliche Entscheidungen geht, kennt er kein Zögern - private Probleme hingegen schiebt er gern ganz weit weg.
Und gegen die Verlockungen des Fleisches ist er, trotz (oder gerade wegen?) seiner nicht unkomplizierten Beziehung zur jungen Lena, ganz und gar nicht immun.
Wenn es sein muss, ist der Mann knallhart - gegen sich selbst, die Schwächen seines Körpers, aber auch gegen andere.

Alles in allem ist Hauptkommissar Meier ein Kämpfer mit Herz, der im Notfall den Einsatz auch der äußersten Mittel nicht scheut.
Vor allem aber ist er die coolste Sau seit Schimanski und sollte definitiv sehr bald Einzug ins deutsche (und warum nicht auch internationale?!) TV-Programm halten ...
Abgesehen davon, dass ihn Autor Stephan Brüggenthies hoffentlich sehr sehr bald in eine neue Ermittlung schickt!

Miss Sophie