Das Buch direkt bei Amazon bestellen Jan Seghers Matthias Altenburg
Die Akte Rosenherz

(4. Band)
Wunderlich gebunden
ISBN 978-3805208482

Niemand, der damals am Tatort war, wird den Fall je vergessen.
In einer heißen Augustnacht des Jahres 1966 wird in Frankfurt eine Prostituierte auf brutale Weise ermordet. Sofort macht das Wort von der "zweiten Nitribitt" die Runde.
Und wirklich: Auch im Fall Rosenherz bleibt der Täter unerkannt.
Vierzig Jahre später. Ein nebliger Morgen im Stadtwald. Hauptkommissar Marthalers schwangere Freundin Tereza wird bei einem Überfall schwer verletzt.
Und der Polizist erhält einen Tipp: Er soll den alten Fall noch einmal unter die Lupe nehmen.
Doch damit legt Marthaler sich mit mächtigen Gegnern an, die ihre frühen Sünden vertuschen wollen. Die "Akte Rosenherz" soll geschlossen bleiben. Um jeden Preis.

Rezension:
Sie ist das, was man eine "Lebedame" nennt:
Karin Niebergall, geborene "Rosenherz" verdient ihr Geld, indem sie Herren unterschiedlichen Alters und sozialer Herkunft ihre geheimsten sexuellen Wünsche erfüllt.
Doch lebt sie nicht etwa im Verborgenen - ganz im Gegenteil:
Ihr dicker Mercedes ist in Frankfurt wohlbekannt, das Frühstück lässt sie sich aus dem Nobel-Café liefern, ihre maßgeschneiderten Kleider sind detailgetreue Kopien aus Kinofilmen (in die sie ihren Schneider schickt, um sich die entsprechenden Anregungen zu holen) und nicht selten ist die junge Frau umschwärmter Mittelpunkt von Parties der besten Gesellschaft.

Unzählige Stichwunden bereiten ihrem Leben ein furchtbares Ende - der Mörder wird, trotz aller Bemühungen nicht zuletzt des Publicity interessierten, überaus engagierten Staatsanwalts, nie gefunden. Der Fall gerät in Vergessenheit.

Zweite Handlungsebene:
Robert Marthaler sieht durch Zufall seine schwangere Freundin mit einem anderen Mann - die beiden wirken extrem vertraut. Es ist der Abend, bevor die Kunsthistorikerin das Haus verlässt, um ein wertvolles Bild zu einer Ausstellung nach Budapest zu bringen - und der eifersüchtige Hauptkommissar straft sie (und sich) durch eisernes Schweigen.
In Ungarn kommt Tereza nie an - stattdessen landet sie nach dem Diebstahl des Bildes schwer verletzt auf der Intensivstation.
Und der Vater ihres Kindes wird kalt gestellt, darf wegen Befangenheit nicht ermitteln.
Hätte er nicht seinen Freund Sabato, der ihm denken hilft, körperlich da ist, ihn zu stützen und für ihn auch die eine oder andere Vorschrift ignoriert - Marthaler wäre wohl komplett am Ende.

Anna Buchwald kommt ins Spiel - eine Journalistin, Jahrgang 81, die im Zusammenhang mit ihrer Bewerbung für die Henri-Nannen-Schule Feuer gefangen hat an der uralten "Akte Rosenherz".

Weil aber genau dieser Name von einem Mann genannt wird, der möglicherweise Informationen zum Kunstraub hat, der Marthaler beschäftigt, werden die beiden ein Team.
Auch vor anderen, völlig unerwarteten Allianzen schreckt der verzweifelte Polizist nicht zurück, um Licht ins Dunkel zu bringen und die zu finden, die seiner Freundin - und ganz offensichtlich nicht nur ihr - Leid zu gefügt haben.

Während sich die beiden Fälle - der alte und der aktuelle - immer mehr verzahnen, packt den Leser eine Spannung, die ihn bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt.

Diese Spannung, die er erzeugt, muss der Autor wohl auch selbst gespürt haben - wie sonst ließe sich erklären, dass er sich zu Recherchezwecken durch Tausende Seiten echter Ermittlungsakten arbeitete - jenes echten Kriminalfalls "Helga Matura", der Auslöser für den vorliegenden Roman war.
Akribisch hat er ein faszinierendes Sittengemälde der Sechziger Jahre gezeichnet - als man auf jede ledige Mutter mit Fingern zeigte, gleichzeitig aber eine Edel-Prostituierte Furore machen konnte.

Doch Seghers erweckt nicht nur die Vergangenheit zum Leben - dasselbe gelingt ihm auch mit der Gegenwart der Obdachlosenunterkünfte und Wärmestuben oder der Welt der Journalisten - käufliche Schmierfinken hier, leidenschaftliche Reporter mit Herzblut da.

Der Schmerz, der seinen Protagonisten umtreibt, ihn dazu bringt, mehr zu trinken, als gut für ihn ist, seine Freunde vor den Kopf zu stoßen und sämtliche Anweisungen bewusst zu ignorieren, geht auch dem Leser durch und durch.
Genauso aber ist es mit dem warmen Gefühl der Unterstützung und Freundschaft, die Marthaler erfährt - man wünscht sie ihm und sich selbst, solche Menschen als Beistand in allen Lebenslagen.

Auch der Humor kommt nicht zu kurz: Etwa wenn Journalistin Anna in jeder Lebenslage ein Filmzitat parat hat oder ihre Schlagkraft nicht nur verbal unter Beweis stellt.

Die größte Faszination liegt jedoch mit Sicherheit in der Verbindung zwischen spannender, vielschichtiger Krimihandlung und bis in die Nebenfiguren hervorragend ausgearbeiteten Charakteren, die sich von Roman zu Roman weiterentwickeln.

Welch besseren Beweis könnte es wohl für hervorragende, ernst zu nehmende Krimikost made in Germany geben als die Kombination Seghers - Marthaler?!

Miss Sophie