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Schneller als der Tod - Hörbuch

Original: Beat the Reaper
Aus dem Amerikanischen von Malte Krutzsch
Der Hörverlag
ISBN 978-3867175401

6 CDs / 408 Min.
Gelesen von Christoph Maria Herbst

Pietro ist clever und smart und war Killer für die New Yorker Mafia.
Er stieg aus und glaubt sich sicher - er ist erstens im Zeugenschutzprogramm und zweitens Arzt in einem Krankenhaus.
Bis einer der alten Feinde eingeliefert wird. Diagnose: Krebs im Endstadium.
Wenn er stirbt, ist Pietro geliefert.
Die nächsten acht Stunden im Tollhaus der Klinik werden zum atemlosen Wettkampf um sein Leben...

Wie nervenaufreibend dieses beginnt, erfährt man sehr temporeich im Buchtrailer auf der dazugehörigen Verlagsseite.
Dort gibt es dann auch eine Lese- bzw. Hörprobe.

Rezension:
Alles beginnt mit einem kleinen Handtaschenräuber, der sich gründlich verschätzt hat. Denn leider will "der Dödel" (bereits an dieser Stelle möchte man dem Übersetzer Malte Krutzsch einen Orden verleihen - hat er doch dem gesamten Roman einen lockeren Touch verpasst, ohne die Sprache "hinzurotzen" - selbst dort, wo mächtig geflucht wird. Ganz zu schweigen von den gekonnten Wortspielen, die immer wieder zur Erheiterung des Lesers beitragen ....) morgens um fünf den Falschen um Geld und/oder Medikamente erleichtern, die er in den Taschen eines Arztkleidung tragenden Menschen zu finden hofft ...
Stattdessen holt sich der Möchtegern-Gangster mehr als einen Satz heißer Ohren - und beschert dem Ich-Erzähler das erste Problem des Tages: Wie er nämlich vor seinem Dienst am Nächsten in Form einer Achtstunden-Schicht im Krankenhaus schnell noch die erbeutet Pistole verstecken soll ...

Eine Geschichte, die so furios beginnt, muss viel bieten, um den Leser auch auf den restlichen 300 Seiten nicht zu enttäuschen.
Autor Josh Bazell gelingt dies scheinbar mühelos - und noch viel mehr.
Denn sein Debüt ist nachgerade ein Feuerwerk an messerscharf geschliffenen Dialogen (und Monologen!), skurrilen Ideen und blutdrucksteigernden Wendungen.

Sein Dr. Peter Brown ist einerseits der Inbegriff eines überaus begabten und zuverlässigen Assistenzarztes, andererseits - wie wir aus den Rückblenden erfahren - auch ein versierter Mafia-Killer.

Zeitsprung

Von der Ermordung seiner Großeltern als 15jähriger aus der Bahn geworfen, wählt der Junge, der bei eben diesen als Pietro Bzwna aufgewachsen ist und die Nachforschungen der Polizei bei diesem Verbrechen als ausgesprochen unbefriedigend betrachtet, den Umweg über eine Eliteschule, um Kontakt zum Sprössling einer wichtigen Mafia-Dynastie zu knüpfen.
Was er findet, ist nicht nur ein Freund sondern direkt Familienanschluss.
In jeder Hinsicht ...

Um zu tun, was ein Mann tun muss, lässt sich der Jugendliche als Killer anwerben, stählt täglich stundenlang seinen Körper, erwirbt ein breites Spektrum von einschlägigen Fähigkeiten - und erledigt seine ersten Jobs noch im ersten Highschool Jahr, also mit noch nicht einmal 16 Jahren.
Dabei bleibt es jedoch nicht ....

Wieder erfolgt ein Zeitsprung - diesmal zurück in die Gegenwart:
Aus Pietro wurde im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms Peter - und so soll es auch bleiben.
Bedauerlicherweise erkennt ein Patient "aus dem Milieu" den früheren Auftragsmörder, der nun alles daran setzen muss, seine eigene Haut - und die des erinnerungsfreudigen Ex-Kumpans zu retten, hat doch dieser gedroht, im Falle seines Ablebens die Nachricht über Pietros neue Identität an die alten - nun mehr gar nicht - "Kumpel" weiterzuleiten.

Was beginnt, ist ein aberwitziger und abgrundtief spannender Wettlauf gegen Zeit und Schicksal, der in einem der spektakulärsten Showdowns gipfelt, die der Rezensent - selbst als versierter Krimikenner! - je gelesen oder gehört hat!

Die Erinnerungen des Ex-Killers sind als Rückblenden in die Beschreibung seiner Acht-Stunden-Schicht im Krankenhaus eingestreut, bei denen wiederum alle Leser mit einer Affinität zu Arztserien voll auf ihre Kosten kommen:
Ausführliche Exkurse in die schöne bunte Welt der Medizin sorgen dafür, dass die Schilderung eines typischen "ich-brech-dir-alle-Knochen"-Vorgangs gleichzeitig als Fachweiterbildung durchgehen könnte, so genau werden die beteiligten Körperteile und das, was mit ihnen passiert, erklärt. Wenn also ein Ellenbogen zertrümmert wird, dann nicht, ohne vorherige Ausführungen zu Funktionsweise und Aussehen.

Natürlich hat der Protagonist auch jede Menge Frauengeschichten - auch für die ist Zeit neben, vor und nach dem kurzen Abriss zur Geschichte der Organisierten Kriminalität, die dem geneigten Leser oder Hörer ganz neue Einblicke verschafft.
Dazu gehören auch sehr spannende Ausführungen über das Müll-Management, das lange vor den Drogen und der Prostitution den Mob ernährte, sowie eine Benzinsteuermasche, die Sizilianern und Russen im Jahr 1995 erst zu einem Umsatz von 400 Millionen Dollar (erwirtschaftet in nur zwei US-Staaten) verhalf und dann zu einem großen Konflikt untereinander.

Die Action kommt dabei nicht zu kurz:
Immer wieder wird - sehr ausführlich und detailliert - geschildert, wie Pietro sich bei Angriffen zur Wehr setzt, erfolgreich natürlich. Etwa im Fall des Angriffs, bei dem mehrere finstere Typen sowie eine Machete eine nicht unerhebliche Rolle spielen.
Sehr bewährt hat sich dabei (dies auch als kleine Anregung für alle Leser, die möglicherweise in ähnliche Situationen kommen könnten) die berühmte Dreifach-Ohrfeige: Rechts - links - dann mit dem rechten Handrücken. Das überfordert den Denkapparat des so Traktierten und erleichtert die Gegenwehr.
Alternativ kann man statt den letzten Schlag auszuführen, auch Kontakt zwischen der (eigenen) geschlossenen rechten Faust und der Schläfe des anderen herstellen ...
Was allerdings in den meisten Fällen für einen der Kontrahenten nicht wirklich gut ausgeht - und das ist i.d.R. nicht der, der die Ohrfeige austeilt ...

Ein Gegengewicht zu den teilweise extrem blutigen Geschichten aus der Vergangenheit ("Kill Bill" lässt grüßen) stellen die mal intensiv-ergreifenden, dann wieder zarten Liebesgeschichten dar - einmal mit der Musikerin Magdalena und dann mit einer Patientin, die kurz davor steht, ihr Bein zu verlieren.

Und immer wieder erfreuen OP-Szenen das arztromaninfizierte Leserherz:
Zu schön, wenn der Chauvi-Operateur beim Wurf nach dem Pfleger mit dem OP-Besteck aus Versehen auch den Patienten erwischt ...

Unterm Strich ist "Schneller als der Tod" zwar nichts für Zartbesaitete, dafür aber ein Gesellschafts-, Familien- und Kriminal-Roman - alles in einem!, der wirklich alles enthält, was so eine Geschichte braucht:

Es geht um Rache für begangenes Unrecht, Notwehr, Loyalität, Liebe und Spaß.
Die Szenen sind blutig, brutal und super-eklig - da wird gemetzelt und geschlachtet, werden Schuldige und Unschuldige hingerichtet, geopfert oder in letzter Sekunde gerettet.
Dennoch ist es ein herrlich schwarzhumoriges, temporeiches Buch, dessen bereits geplante Verfilmung mit Leonardo di Caprio sich der Leser schon ganz genau vorstellen kann (aber vielleicht lieber gar nicht erst vorstellen möchte ... ;-)) - kein Wunder, ist Autor Josh Bazell doch auch in dieser Hinsicht ein Profi, schließlich hat er sich sein Medizinstudium als Drehbuchautor verdient.

Brillant, einfach genial - diese Lebensgeschichte des Pietro Bzwna alias Dr. Peter Brown.
Wer Dr. House und den "Paten" mag, wird diesem Typen bedingungslos verfallen.

Und wer nun glaubt, eine Steigerung sei kaum möglich, dem sei wärmstens das vorliegende Hörbuch ans Herz gelegt.

Selten hat man eine so gekonnte Symbiose von Inhalt und Sprecher erlebt - dabei ist bei genauerem Nachdenken niemand so herausragend geeignet einen Helden dieses Kalibers zu verkörpern wie Christoph Maria Herbst.

Herbst, der als Schauspieler ebenso überzeugt wie als Sprecher, macht nur mit Hilfe der Stimme deutlich, wie dieser Pietro/Peter eigentlich ist: Hart, gnadenlos, zynisch, unendlich witzig und doch eigentlich nur ein Gangster wider Willen, der nette junge Mann von nebenan, dem das Schicksal bedauerlicherweise einen Weg zugewiesen hat, der gesäumt ist von Tod und Tränen (oder so ähnlich ;-)

Das zeigt sich ganz deutlich, wenn er etwa souverän und völlig neutral alle ballistischen Einzelheiten und den Unterschied zwischen großem und kleinen Kaliber beim Eindringen in einen menschlichen Körper ausführt - der CSI-Fan fühlt sich direkt versetzt in eine diese Szenen, wenn Venen und Arterien in Großaufnahme den TV-Bildschirm beherrschen.
So gibt Herbst den Waffenexperten ebenso überzeugend wie den mitfühlenden Arzt, der ganz tief drinnen noch ein Herz besitzt.
Dabei stellt er fantastische Dinge mit seiner Stimme an und verleiht der Arzneimittelvertreterin ebenso ein Profil wie all den zwielichtigen Geschäftspartnern Pietros.

Darum hier ein Tipp:
Wenn in den allermeisten Fällen auch bei einem wirklich gelungenen Roman der Erwerb entweder des Buches oder der Hörbuches völlig ausreichend ist, so sollte man sich bei "Schneller als der Tod" den Luxus gönnen, beides zu besitzen.
Nicht nur, weil die sechs CDs jede noch so langweilige Autofahrt wie im Flug vergehen lassen (und es kein Wunder wäre, wenn ein Hörer mit Absicht den angekündigten Stau auf der Autobahn anführe, nur um Alibi für ein weiteres Stündchen mit Herbst aka Peter zu haben).
Sondern vor allem, weil so die Chance besteht, sich die besten Szenen nicht nur vortragen zu lassen, sondern auch genüsslich und ganz in Ruhe noch einmal nachzulesen.
Oder an den ganz gruseligen Stellen schnell mal einen Track zu überspringen und sich das Ganze lieber visuell servieren zu lassen.

Und als allerletzten Hinweis die Anregung:
Warum nicht mal einen gemeinsamen Hörbuch-Abend im Kreis von lieben Freunden einlegen? Wenn es einen Titel gibt, der sich dafür ganz trefflich eignet, dann dieser!

Miss Sophie