Das Buch direkt bei Amazon bestellen Camilla Läckberg Katrin Frey
Engel aus Eis

Original: Tyskungen
Aus dem Schwedischen von Katrin Frey
(5. Band)
List gebunden
ISBN 9783471350157

Das Dorf Fjällbacka ist alarmiert:
Der pensionierte Geschichtslehrer Erik Frankel wurde ermordet. Der beliebte alte Mann war ein angesehener Spezialist für die NS-Zeit.
Die Ermittlungen der schwedischen Polizei konzentrieren sich auf Neonazikreise. Doch Erica Falck vermutet das Motiv in Frankels Vergangenheit. Gemeinsam mit ihrer Mutter hatte er den Widerstand gegen die deutschen Besatzer unterstützt. Dunkle Jahre, über die Ericas Mutter nie gesprochen hat.
Für Erica ist es an der Zeit, das große Geheimnis ihrer Mutter zu ergründen. Damit gerät sie ins Visier des Mörders.

Rezension:
Ein Dachboden, eine Kiste, alte Tagebücher und ein blutverschmiertes Babyhemdchen ... - "Engel aus Eis" knüpft nahtlos an den Cliffhanger des Vorgängerromans "Die Totgesagten" an und lässt den Leser ab der ersten Seite nicht mehr los.

Da ist auf der einen Seite die Gegenwart - Ericas und Patricks familiäres und berufliches Umfeld:

Ericas Schwester ist zwar mit ihrem neuen Freund glücklich, aber das Konstrukt "Patchworkfamilie" bleibt problematisch.

Auch der Knatsch mit der Schwiegermutter ist nicht geringer geworden, im Gegenteil - dass ihr Herr Sohn vier Monate Erziehungsurlaub nimmt, kann die alte Hagestolzin nicht wirklich akzeptieren.

Und schließlich ist Mellberg, Patricks Chef nicht nur auf den Hund gekommen, sondern schon wieder kreuzt eine ungewöhnliche Frau seinen Weg - und obwohl er eigentlich mittlerweile schlauer geworden sein müsste, lässt er sich auf sie ein.

Auf der anderen Seite geht es um Ereignisse, die weit zurück in der Vergangenheit liegen - 60 Jahre.
Im Zentrum die alten Freunde von Ericas und Annas Mutter und ihr Verhalten im und nach dem Krieg - gegenüber den Deutschen, den Ex-Nazis, den Kollaborateuren.
Einer ist selbst zum Anführer einer Gruppe von Rechtsradikalen geworden - ganz in der Tradition seines eigenen Vaters.
Sein eigener Sohn lehnt ihn deswegen ab, dessen Sohn vergöttert ihn.

Andere aus der ehemaligen Clique spüren nicht nur die Last des Alters, sondern müssen auch mit den damit verbundenen Schwierigkeiten fertig werden.
Beklemmend und beängstigend, weil so unausweichlich und traurig, mitzuerleben wie die Festplatte eines Lebens gelöscht wird - und niemand etwas dagegen tun kann.
Bedrückend, wenn man von der innigen Beziehung der Eheleute liest, die schon über 55 Jahre zusammen sind und der Realität ins Auge sehen müssen, dass nun der Nebel kommt, auf der einen Seite das Vergessen und andererseits das brutale Wissen darum, dass sich das Gehirn auflöst.

Und zwischen diesen alten Leuten, die alle in der Vergangenheit Schuld auf sich geladen und teilweise doch selbst am meisten unter ihren Taten gelitten haben, wütet plötzlich ein Mörder.
Es scheint, als wolle er um jeden Preis verhindern, dass jemand die Wahrheit erfährt - über Ericas Mutter, ihre erste große Liebe und über das, was den jungen Menschen im Krieg, daheim und in den Gefangenenlagern, zugestoßen ist.

Während mit Hilfe der Tagebücher von Ericas Mutter, jene Zeit wieder lebendig wird, entwickelt sich in der Gegenwart eine unglaublich spannende Suche nach dem Täter, bei der eine unerwartete Wendung von der nächsten abgelöst wird und auch Szenen voller Humor und Komik nicht fehlen.

Wieder einmal geht es unterm Strich bei Läckberg um Familienbande - zwischen Eltern und Kindern, damals und heute, und zwischen Geschwistern.
Es geht um Menschen, die ihre eigenen Wertvorstellungen den anderen aufzwingen. Um solche, die ihre Kinder im Stich lassen, weil sie von der Bildfläche verschwinden. Und um andere, die zwar körperlich anwesend, aber innerlich ganz weit weg sind von ihren Söhnen und Töchtern.

Auch Freundschaft, über den Tod hinaus, und Liebe kommen nicht zu kurz. Sowie unübliche Konstellationen, die gelebt und gegen die Konventionen verteidigt werden wollen.

Am Ende ist der Mörder gefasst, hat sich Erica mit ihrer eigenen Vergangenheit und ihrer distanzierten Mutter ausgesöhnt und Mellberg etwas so Überwältigendes erlebt, dass das Leben für ihn nie wieder so sein wird wie zuvor.

Lachen und Weinen, tiefe Bitterkeit und unendliche Rührung, Entsetzen, Trauer und Verständnis - dieser Roman bietet alles und noch viel mehr.

Miss Sophie