Das Buch direkt bei Amazon bestellen Paul McEuen Rainer Schmidt
Spiral

Original: Spiral
Deutsch von Rainer Schmidt
Scherz Verlag gebunden
ISBN 978-3-502-10218-2

Er ist kein Virus, er ist 1000x schlimmer.
Mikrobiologe Liam Connor besitzt den Pilz, der jeden Menschen in eine tödliche Waffe verwandeln kann.
Und dann plötzlich sein mysteriöser Tod: Grausam zugerichtet wird Connor aufgefunden. Vom Todespilz fehlt jede Spur.
Musste er für sein Wissen mit dem Leben bezahlen? Wer hat den Todespilz an sich gebracht? Welches Ziel verfolgt er? Wird der Pilz freigesetzt, so dass er die ganze Menschheit gefährden kann?
Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt: Mit allen Mitteln muss Liams Assistent Jake verhindern, dass sich die tödliche Infektion weltweit ausbreitet ...

Rezension:
Kann ein Buch, um das solch ein Hype gemacht wird, wirklich gut sein?

Zugegeben: Es ist ein erhebendes Gefühl, zu den weltweit Ersten zu gehören, die "Spiral" in Händen halten.
Ein Kunstwerk von einem Buch: schwarz, wie es sich für einen Thriller gehört, doch mit giftgrünen Seitenkanten. Der edel schimmernde Einband zeigt eine kunstvoll verfremdete, vielfach vergrößerte Pilzspore.
Und die Verlage, die "Spiral" weltweit vertreiben - hierzulande der Scherz-Verlag - lassen sich das Marketing einiges kosten. "Spiral" kommt mit eigener Homepage, eigenem Trailer, Plakaten, Karten und vielem mehr.
Die Botschaft ist klar: Dieses Buch verdient es, sich nicht nur wie ein fieser Virus zu verbreiten, sondern "1000x schlimmer", wie es im Klappentext heißt.

Genau das macht die geübte Rezensentin jedoch skeptisch. Mehr Schein als Sein?
Autor Paul McEuen hat schließlich richtig dick aufgetragen:
In seinem Erstling geht es nicht nur um eine Bedrohung für einen Menschen, eine Clique oder einen Staat, nein: dieser Feind könnte uns alle töten.
Der Feind ist ein genetisch veränderter Pilz. Aus fusarium spira wird Uzumaki, japanisch für: Spirale, Codewort für: tödliche Biowaffe, die ihrem Besitzer die Weltherrschaft sichert. Denn wer den Uzumaki - und ein Gegengift dazu - besitzt, kann alle Feinde ausschalten oder, wenn er selbst nicht am Leben hängt, gleich die ganze Welt.
Nur ein irischstämmiger amerikanischer Forscher und sein Team können die Menschheit noch retten.

Klingt für Nicht-Amerikaner erst mal nach Stoff für großes Kino. Tatsächlich haben sich die Hollywood-Produzenten schon im Frühjahr um die Rechte für "Spiral" gestritten und man darf gespannt sein, wie dieser Bio-Tech-Thriller filmisch umgesetzt wird.

Zwei Argumente sprechen jedoch dafür, jetzt schon den Roman "Spiral" zu lesen:
Erstens versteht der Autor seine Naturwissenschaften, ist Professor für Physik und mehrfach ausgezeichneter Experte in Sachen Nanotechnologieforschung, wird sogar unter der Hand für den Nobelpreis gehandelt.
Zweitens beherrscht Paul McEuen auch sein zweites, sein neues Handwerk, das des Schreibens. Er formuliert bilderreich, mal drastisch, mal humorvoll, kurzum: Einfach gut.

Sein Thriller fängt mit einem Knaller an, im Pazifischen Ozean im Jahre 1946.
Vier junge amerikanische Seeleute auf einem Rettungsboot steuern auf die USS North Dakota zu, wollen gerettet werden.

"DREHEN SIE AB!", befahl der Kommandant durch das Megaphon.
"Das könnt ihr nicht machen!", schrie einer der Seeleute. "Ich habe einen Sohn. Ich habe ihn noch nie gesehen!" Er hatte sein Hemd ausgezogen und schwenkte es wild hin und her, ein flatterndes weißes Signal über dem Blau des Meeres."

Doch der Kommandant der USS North Dakota rettet die jungen Seeleute nicht. Er lässt sie erschießen. Denn sie sind eine tödliche Gefahr: Der Uzumaki, die japanische Biowaffe, macht sie zu tickenden Zeitbomben.
Den Uzumaki zu finden und unschädlich zu machen, wurde der hochbegabte irische Biologe Liam Connor beauftragt, der trotzdem fassungslos beobachtet, wie seine Gefährten mit den Schiffsbrüchigen im Rettungsboot umgehen.

"Zwei Oerlikons feuerten gleichzeitig, und das Meer explodierte. Die Geschosse zerfetzten ihr Ziel, das Rettungsboot flog rot auseinander. Splitter und Planken wirbelten durch die Luft. Einen Augenblick später waren Boot und Männer verschwunden, und zurück blieben nur Dunst und treibende Trümmer auf dem Wasser.
Liam sah etwas auf der Oberfläche zappeln. Zuerst dachte er, es sei ein Fisch. Aber es war kein Fisch. Es war ein Arm, an der Schulter abgerissen. Er zuckte noch.
Connor beugte sich über die Reling und übergab sich."

Leicht zu erkennen:
McEuen spart nicht mit dramatischen Szenen, und man sollte keinen allzu empfindsamen Magen aufweisen, wenn man jede Stelle dieses Buches aufmerksam lesen möchte.
Doch auch, wer zu krasse Details beschriebener Morde eigentlich nicht liebt, kann an "Spiral", dem Roman, Gefallen finden.
Denn die Helden - namentlich Liam Connor, seine Enkelin Maggie, der Urenkel Dylan und der wissenschaftliche Assistent Jake - bleiben bei aller Heldenhaftigkeit menschlich. Sie scherzen, lieben, fühlen sich schwach und empfinden Sehnsucht. Sie wachsen dem Leser ans Herz.
Und so viel es über Pilze, ihre Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit zu lernen gibt, so lebendig und eingängig ist all das Wissenschaftliche hier beschrieben.
Die Hauptfiguren mögen hochbegabt sein - der Leser versteht das Buch auch, wenn er es nicht ist.

Der größere Teil des Thrillers spielt natürlich in der Gegenwart:
Liam Connor, in Ehren ergraut, ist jetzt im Dienste der Cornell University (die der Autor, selbst dort tätig, sehr liebevoll porträtiert).
Seit 60 Jahren trägt Connor das Geheimnis um die Geschehnisse in Japan 1946 in seinem Herzen - er, der damals auch den Chef der Uzumaki-Forschung kennenlernte.
Vorbei, dieser verbrecherische Japaner, Kitano, sitzt in den USA in Haft, und mit Connor ging es steil bergauf. Er hat mit seinem Team sogenannte Crawler entwickelt, käferkleine Roboter, die - wie die Pilzsporen - viel Gutes, aber auch Tod und Zerstörung bringen können.
Da taucht die asiatische Schönheit Orchid in Connors Labor auf und foltert ihn, um an sein Geheimnis zu kommen. Doch Connor macht nicht mit - der Wissenschaftler opfert sein Leben.

Aber Orchid gibt nicht auf. Sie erweist sich als zähe, skrupellose Kampfmaschine, die fortan alle jagt, die mit Liam Connor zu tun hatten.
Wer oder was steckt hinter all den Morden? Wer bei den internationalen Geheimdiensten spielt falsch? Können Maggie und Jake, die zwar sehr intelligent und leidenschaftlich, doch keinesfalls Kampfmaschinen sind, es mit Orchid und ihresgleichen aufnehmen? Wer bekommt den Uzumaki zu fassen, und wenn er sich verbreitet - kann man ihn noch stoppen?

STOPP!, sagt die Rezensentin an dieser Stelle.
Mehr soll nicht verraten werden.
Sie jedenfalls hat sich überzeugen lassen:
Nicht vom hübschen, giftgrün-schwarz-silbernen Äußeren des Buches. Nicht von der Riesenwelle, die "Spiral" schon vor seinem Erscheinen macht. Sondern von der Handwerkskunst des Wissenschaftlers und Bestsellerautors Paul McEuen, der den großen amerikanischen Traum - die große Weltpolizei sein, alle Gefahren überall jederzeit in Schach halten - hinterfragt. Der manchen, der anfangs gut wirkt, plötzlich böse aussehen lässt und umgekehrt.
Fazit: "Spiral" darf viele infizieren, denn dieser Thriller verbreitet Hochspannung, Wissenschaftliches und Lesefreude zugleich.

Petra Plaum