Das Buch direkt bei Amazon bestellen Zoran Drvenkar
DU

Ullstein gebunden
ISBN 9783550087738

Nimm einen Mann, der durch ganz Deutschland reist und keine Gnade kennt.
Wo er hinkommt, bleibt niemand am Leben.
Nenn ihn Der Reisende, mach ihn zum Mythos und fürchte ihn.

Nimm fünf Freundinnen, die erst dem Chaos die Tür öffnen und dann die Flucht ergreifen.
Nenn sie Die süßen Schlampen und meide sie.

Nimm einen Vater, der verfolgt wird von seiner Vergangenheit und über Leichen geht, um sein Ziel zu erreichen.
Und jetzt stell dir vor, er will die fünf Freundinnen aufhalten. Um jeden Preis.
Nenn ihn Der Logist und meide ihn.

Sie alle bewegen sich aufeinander zu, sie sind voller Rache und haben keine Ahnung, dass du sie beobachtest.

Rezension:
Du greifst nach dem 576-Seiten-Buch im schwarzen Einband, siehst das düstere Antlitz auf dem Umschlag und weißt sofort: Das hier ist böse.
Du beginnst zu lesen, eine Story, die verheißungsvoll beginnt: "So sehr wir dem Licht entgegenstreben, so sehr wollen wir auch von den Schatten umschlossen werden. Dasselbe Verlangen, das sich nach Harmonie sehnt, sehnt sich in einer dunklen Kammer unseres Herzens nach Chaos." Und du ahnst, gleich wird dieses Chaos sich vor dir ausbreiten.

Es beginnt mit dem Reisendem, einem von 16 Protagonisten, denen du in DU über die Schulter schauen wirst.
Nicht mal die Hälfte dieser 16 erlebt das Ende des Buches. Unter den Randfiguren wird noch viel mehr gestorben, dermaßen viel mehr, dass ein paar tote Hauptfiguren kaum ins Gewicht fallen.
Schuld an den meisten Morden ist: Der Reisende. Er läuft eines Nachts einfach los und erwürgt dutzendweise Autofahrer, die wie er im Stau einer Winternacht gefangen sind. Er killt ohne Ziel, scheinbar ohne Motiv.

Kaum fragst du, lieber Leser, dich nach dem "Warum?" und danach, wie dieser Typ es, verdammt noch mal, schafft, dermaßen schnell und präzise zu morden, Erwürgen ist ja kein Kinderspiel, wirft der Autor dich in eine andere Wirklichkeit.

Du landest bei Ragnar, der unmissverständlich mit Drogen zu tun hat, der kleinen Jungs Angst macht und dir nicht wirklich Leid tut, als er die Leiche seines Bruders findet. Du ahnst, gleich wird Ragnar seinen Rachefeldzug starten.

Bevor dir übel wird ob so viel Schlechtigkeit der Welt, lässt Zoran Drvenkar dich ein wenig verschnaufen.
Du darfst in die Welt junger Mädchen eintauchen, die hübsch sind, reizvoll unterschiedliche Typen wie früher die Band "Spice Girls" oder die "3 Engel für Charlie" und die zunächst herrlich normal wirken. "Die süßen Schlampen" nennen sie sich und tun, was von den Eltern vernachlässigte 16-jährige Berlinerinnen halt so tun: Flirten, knutschen, vögeln, mit Jungs herumcruisen, sich fragen, ob sie schwanger sind.

Die Verschnaufpause für dich als Leser dauert allerdings nicht lange, denn auch hier lauert das Böse: Eins der Mädchen gerät in ernsthafte Schwierigkeiten. Alle fünf müssen fliehen.
Vor dem düsteren Ragnar.
Und irgendwann auch vor dem Reisenden.

Mehr soll hier nicht verraten werden, nur soviel:
Dieser Roman entfaltet eine Sogwirkung, der sich kaum jemand entziehen kann.
Das liegt zum einen an der Erzählweise, denn Drvenkar schreibt - bis auf ein Kapitel - ausschließlich in der zweiten Person Singular.
Zum anderen sind die Dialoge und Beschreibungen spritzig, bisweilen witzig und die Charaktere klug ausbalanciert. So unfassbar kalt die einen wirken, so verletzlich kommen die anderen daher.
Opfer der Umstände sind viele, ergo beschützenswert, zumindest eine Weile lang.
Junge Leser mögen sich mit den fünf "süßen Schlampen" und ihren Verehrern identifizieren, ältere Leser möchten die Jugendlichen am Liebsten adoptieren, zumindest aber retten.
Doch du sollst wissen: eine echte Rettung gibt es nicht.
Für niemanden.
Und der Showdown ist großes Kino: Der Wirbel legt sich, im Chaos sitzen zwei traurige Menschen und philosophieren, ihre große Suche hat ein Ende: "Nur eins bleibt noch übrig. Du."

Fazit:
DU ist nichts für schwache Nerven.

Wenn du, lieber Leser, deine Krimis gerne einem Realitätscheck unterziehst (Könnte es wirklich so passieren? Hätte ein Mensch wirklich die Kraft dazu?), wirst du manchmal den Kopf schütteln.
Falls du ein glückliches Ende willst und ein Gefühl von Sicherheit und Gerechtigkeit, kannst du auch das vergessen.

Doch wenn du krasse Geschichten schätzt, die dich aus der Realität entführen, wenn du an pointierter, bildhafter Sprache Gefallen findest, mal gerne einen Lese-Horrortrip startest und dich lustvoll ekelst oder gruselst, bist du in DU richtig.
Du wirst den Thriller atemlos und fröstelnd verschlingen und noch lange daran denken, nachdem du das Buch zugeklappt hast.
Und dann wirst du anfangen, dich auf die Kinoversion, die hoffentlich bald gedreht wird, zu freuen.

Petra Plaum