Das Buch direkt bei Amazon bestellen Birgit Hummler
Stahlbeton

Ein Stuttgart-Krimi
(1. Band)
Silberburg Verlag TB
ISBN 978-3-87407-988-4

Hauptkommissar Andreas Bialas steht vor einem Rätsel: Am Feuerbacher Tunnel in Stuttgart wurde ein Toter gefunden. Doch wer ist er? Und wer ist der anonyme Anrufer, der die Polizei auf den Leichnam hingewiesen hat? Nur eines ist sicher: Der Tote starb an Tuberkulose.
Einen Monat später finden Bauarbeiter auf der Großbaustelle der Fildermesse die Leiche eines Mannes zwischen den Schalbrettern für eine breite Stützmauer. Schnell wird klar, dass es sich bei dem Toten, der für immer unter Beton verschwinden sollte, um den anonymen Anrufer im Feuerbacher Fall handelt.
Die Ermittlungen führen Bialas und sein Team in die Welt der Bauwirtschaft - einer Branche, in der Wirtschaftskriminalität an der Tagesordnung ist. Ruinöser Preiskampf und die Skrupellosigkeit von Wirtschaftsbossen lassen rechtschaffene Menschen zu Tätern und Opfern werden.

Für diesen Roman erhielt die Autorin im Rahmen des Stuttgarter Krimipreises den "Preis für den besten deutschsprachigen Wirtschaftskriminalroman 2010".

Rezension:
Hier gibt es kein Vorgeplänkel, in diesem Roman wird direkt dicht in die Handlung eingestiegen:
Ein Mensch kommt zu Tode und ein anderer fühlt sich schuldig.
Die Bestürzung darüber ist so greifbar, dass der Leser sich von intensivem Mitleid nicht frei machen kann, obwohl er doch (noch) gar nicht weiß, worum es eigentlich geht und wer da im Mittelpunkt der Geschichte steht.

Der lange Zeit namenlose Tote ist dünn, fast ausgemergelt und erst um die 20 Jahre jung - was die Todesursache (galoppierende Schwindsucht) umso mysteriöser macht.
Die Ermittlungen gehen schleppend voran - kein Wunder, haben Oberkommissar Andreas Bialas und seine Mitarbeiter nicht nur wenig Anhaltspunkte, sondern auch ihre ganz eigenen Sorgen.

Beim stellvertretenden Dezernatsleiter Bialas, der sich bemüht, die Dinge nicht allzu dich an sich herankommen zu lassen, sind es die privaten "Bausstellen" mit den heranwachsenden Kindern, die langsam flügge werden und daher gern einmal ein Provokationsprogramm fahren. Das bedeutet bei der 15jährigen Svenja unter anderem den gezielten Einsatz von Nietenminis und Springerstiefeln, eine gewisse Schulverweigerung und der Umgang mit den "falschen Leuten".

Dann jedoch verschlägt eine weitere Gewalttat die Ermittler auf eine echte Baustelle - und was für eine!
Eine riesige Stadt, eine ganz eigene Welt, mit ihren 200 Containern, 60 Kränen, 300 Baumaschinen, riesigen Bergen Erde und zimmerhohen Betonröhren.

Schon die Befragungen gestalten sich unglaublich schwierig: An allen Ecken und Enden wird gemauert - keiner will mit der Polizei reden
Außerdem sind offensichtlich ganze Handwerkerkolonnen wie vom Erdboden verschwunden - ein Schelm, der dabei an Schwarzarbeiter ohne Papiere denkt.
Nach und nach wird immer deutlicher: Massen an Arbeitern, Ingenieuren, Planern - und niemand weiß, WER tatsächlich dort arbeitet.

Damit nicht genug:
Sehr zu Bialas Missfallen werden plötzlich weitere Behörden zugezogen. Das LKA mischt sich ein, die Steuerfahndung, der Bundesgrenzschutz... - nicht mehr Mord steht im Mittelpunkt, sondern Wirtschaftskriminalität, Schlepperbanden, Verstoß gegen Mindestlöhne und unterschlagene Sozialabgaben.

Zwar bewahrheiten sich die Befürchtungen des Oberkommissars nicht, der nichts so sehr verabscheut wie inkompetente Vorgesetzte und Mitarbeiter, dennoch muss sich die neue SoKo erst ganz langsam zusammenfinden.

Dieser Aspekt der Geschichte ist deshalb so gelungen, weil er der Realität viel mehr entspricht als all die literarischen Zufalls-Dreamteams, über die in Krimis sonst gern geschrieben wird.
Denn für die Kooperation mit den Wirtschafts- und Steuerspezialisten spricht eine Menge: Sie verfügen über ein breit gefächertes Zahlenwerk, das den ersten Verdacht untermauert, einer der Baugrößen habe gewaltig Dreck am Stecken - es mangelt ihnen nur an konkreten Beweisen. Außerdem sind sie - allen voran der distinguierte Stoevesandt, Ex-BKAler, zum LKA gewechselt, und in moralischer Hinsicht ganz auf Bialas Schiene. Beide verabscheuen sie den Druck von oben und die Versuche, Dinge aus wirtschaftlichem Interesse unter den Teppich zu kehren.
Doch trotzdem dauert die Annäherung der beiden eine ganze Weile und ist alles andere als unkompliziert.
Das ist echt und überzeugt.

Überhaupt ist da Vieles, von dem der naive Leser zwar hofft, es stamme aus dem Reich der Fiktion, sich aber des Verdachts nicht erwehren kann, dass dem vielfach nicht so ist. Vor allem, wenn es bei Großprojekten einer solchen Dimension um die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft geht, um Geld, um Macht, aber auch um Ansehen und Relevanz, sowie nicht zuletzt karrierepolitische Folgen für alle Beteiligten.

Ebenso faszinierend wie pikant:
Mit den im Buch genannten Rahmendaten und -fakten (800-Millionen-Euro-Projekt mit bis zu 1400 Beschäftigten im betreffenden Areal), ganz zu schweigen vom Namen "Fildermesse" bleibt die Autorin dicht am gleichnamigen Großprojekt der "Neuen Messe Stuttgart", für die im Juni 2005 der Grundstein gelegt und bei der etwa zwei Jahre später Eröffnung gefeiert wurde.

Was aber einzig und allein ihrer Fantasie und Schreibkunst geschuldet ist, ist der temporeiche und dichte Handlungsverlauf.
Mit einem gelungenen Mix aus Action, pointenreichen Dialogen und interessanten Hintergrundinformationen zu einem nach wie vor aktuellen Thema bewegt die Journalistin Hummler ihre sympathischen und vielschichtigen Figuren durch 460 extrem spannende Seiten mit brenzligen, teilweise lebensgefährlichen Situationen auf nachtdunklen Straßen, in illegalen Wohnheimen und an der grünen Grenze.

Am Ende weiß der Leser nicht nur über den Knochenjob des Eisenflechters Bescheid (der dafür zuständig ist, die Stahlgitter für Bewehrungen in Wänden, Decken und Fundamenten miteinander zu verdrahten) und über den "Arbeiterstrich" (diesem illegalen Arbeitsmarkt, auf dem Menschen jeden Tag in aller Frühe zu unterirdischen Bedingungen angeheuert werden), sondern auch über osteuropäische Schleuser und zwielichtige Machenschaften der Baubranche.

Vor allem aber weiß er:
Wer diesen Erstling aus der Feder von Birgit Hummler verschlungen hat, möchte mehr.
Viel mehr.

Miss Sophie

 

Gastrezension(en):


Name: armin rohleder
Email: a.rohlede@gmx.de
Datum: 14.10.2012 (19:45)

der krimi stahlbeton liest sich von der ersten seite wie ein dan brown roman. faszinierend und fesselnd. man kann das buch erst beiseite legen, wenn die letzten zeilen gelesen sind