Das Buch direkt bei Amazon bestellen Rachel Ward Uwe-Michael Gutzschhahn
Numbers - Den Tod vor Augen

Original: Numbers 2, The Chaos
(2. Band)
Deutsch von Uwe-Michael Gutzschhahn
Chicken House gebunden
ISBN 978-3-551-52016-6
(ab 14 Jahren)

01.01.2028 - An diesem Tag werden sie sterben.
Hunderte, Tausende von Menschen. Adam weiß es. Denn wenn er in fremde Augen schaut, sieht er das Todesdatum seines Gegenübers.
Diese Gabe, diesen Fluch, hat er von seiner verstorbenen Mutter geerbt. Und offenbar hat auch sie irgendetwas über die bevorstehende Katastrophe gewusst.
Adam trifft eine Entscheidung. Er wird versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Er wird das Schicksal herausfordern.

Rezension:
Wenn jemand über den Nachfolger eines erstklassigen Romans sagt „Noch spannender als der erste Band!“, dann geht der Leser mit hohen Erwartungen in die Lektüre.
Sobald jedoch in deren Verlauf – wider besseres Wissen und alle guten Gewohnheiten – ein ums andere Mal der dringliche Wunsch wach wird, vorzublättern bis zur letzten Seite, nur um sich zu vergewissern, dass es tatsächlich ein in irgendeiner Form hoffnungsvolles Ende gibt, dann, ja dann, besteht kein Zweifel mehr daran: „Dieser Band ist einfach nur grandios! Dynamit pur.“

Denn obwohl man eigentlich den Auftakt von Rachel Wards „Number“-Trilogie allein schon aus egoistischen Gründen nicht verpassen sollte, gelingt der Leserin und dem Leser doch auch ohne jede Vorinformation problemlos der Einstieg in die Geschichte von Adam und Sarah.
Nur hinaus kommt man nicht mehr – zumindest so lange nicht, bis das Auge sich nicht auf die letzte Zeile gestürzt hat. Nur um dort – voller Bedauern, dass schon wieder alles vorbei ist – eine Ewigkeit zu verweilen.
„Ich hebe die Tüten auf und wir gehen.“

Bevor es allerdings so weit ist, geht die Welt für Adam erst auf und dann einmal fast unter, in jenem „Chaos“, von dem der englische Originaltitel spricht.

Der Engländer ist siebzehn – und hat es alles andere als leicht.
Seine Mutter, die ihn innig liebte, ist einige Jahre zuvor an Krebs gestorben – vererbt hat sie ihm zwar kein Geld, aber jene Gabe, die mehr eine gewaltige Bürde als ein Geschenk ist: Wie Jem, Protagonistin des ersten Bandes, kann auch ihr Sohn in den Augen der Menschen deren Todesdatum erkennen. So klar, als hätte es jemand mit Kreide an eine Tafel geschrieben: Tag, Monat, Jahr.

Die einzige Person, die weiß, was der Teenager jeden Tag durchmacht, ist Adams Urgroßmutter Val, die schon seinen Vater großgezogen hat.
Alles würde sie für den Jungen tun, der sie zärtlich „Oma“ nennt - und doch kann sie ihm nicht ersparen, was nach ihrem durch eine Naturkatastrophe erzwungenen Umzug nach London geschieht: Adam eckt in der Schule an, gerät immer wieder mit anderen in Streit, und … er begegnet Sarah.
Sarah, die ihr ganz eigenes Päckchen zu tragen hat, obwohl man auf den ersten Blick niemals vermuten wurde, was hinter der Fassade ihrer reichen, aber nur dem Anschein nach heilen Familienwelt vor sich geht.
Dieselbe Sarah, die allein schon beim Anblick Adams fast wahnsinnig wird, da er ihr seit Monaten jede Nacht im schlimmsten aller Albträume erscheint.
Tod und Verderben, Schmerzen und Schreie, nackte pure Verzweiflung – IHRE Verzweiflung - begleiten das Bild seiner hochgewachsenen Gestalt, das erscheint, sobald die Sechzehnjährige eingeschlafen ist.

Auch Adam wird schnell klar, dass etwas Unheilvolles von noch nie dagewesenem Ausmaß bevorsteht – eine Katastrophe, in der Hunderte, Tausende, vielleicht sogar Millionen ihr Leben lassen werden, wenn, ja wenn er nicht eingreift ...

Rachel Ward ist mit „Numbers – Den Tod vor Augen“ ein wahres Meisterstück gelungen!
Sie hat das Thema ihres Erstlings aufgegriffen und so gekonnt variiert, dass die atmosphärische Dichte, die den ersten Band von auszeichnete, erhalten blieb und doch gleichzeitig etwas komplett Neues entstanden ist.

Wie in jeder guten Familiensaga sind sich die einzelnen Personen in ihren Grundzügen ähnlich, aber doch verschieden.
Da wo Jem abgrundtiefe Angst hatte, die Liebe ihres Lebens zu verlieren, weil sie täglich dem Tod ins Auge sah, sobald sie in SEINE Augen blickte, wird Adam durch die Gewissheit gestärkt, dass die, die ihm nahe sind, noch viele Jahre vor sich haben.
Allerdings nicht alle – und das ist sein Dilemma.
Ihr Schicksal will er ändern, darum kämpft er mit vollem Körpereinsatz und ohne Rücksicht auf Verluste gegen Windmühlen.
Er lässt sich von der Polizei jagen und verhaften, steckt Prügel und Schlimmeres ein – während für alle Unwissenden der Countdown läuft.

Adams innerer Zwiespalt ist enorm – die Verzweiflung beim Gedanken daran, untätig zusehen zu müssen, wie eine ganze Stadt in ihr Verderben läuft, bringt ihn fast um den Verstand.
Das spürt der Leser – ebenso wie er Sarahs Zerrissenheit wahrnimmt.
Einerseits fühlt sie sich von Adam angezogen, andererseits ist er aufgrund der Traumbilder, die sie untrennbar mit seiner Person verbindet, das personifizierte Böse. Derjenige, der ihr das Liebste nehmen wird, was sie auf der Welt hat.

Es gibt Action, es gibt Liebe, es gibt Polizeiwillkür und echte Freundschaft, wenn und von wem man sie am wenigsten erwartet.
Die Stimmen der beiden kapitelweise alternierenden Ich-Erzähler sind packend, anrührend, stellenweise sogar witzig.
Vor allem aber will der Leser am Ende der verdammt gut geschriebenen knapp 430 Seiten einfach nur eines: Wissen wie es weitergeht!

Und wer noch den geringsten Zweifel hatte, warum Rachel Ward mit dem ersten Band von „Numbers“ für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2011 nominiert wurde (dessen Gewinner während der Frankfurter Buchmesse im Oktober bekannt gegeben werden), bei dem dürften nach der Lektüre des zweiten Bandes absolut keine Fragen mehr offen sein.

Miss Sophie