Das Buch direkt bei Amazon bestellen Stephanie Fey
Die Gesichtslosen

(1. Band Carina Kyreleis)
Thriller
Heyne TB
ISBN: 978-3-453-43586-5

Wenn Tote nicht mehr zu erkennen sind, wenn ihr Mörder sie entstellt hat oder nur noch Skelettteile übrig sind, wird Carina Kyreleis gerufen. Die junge Rechtsmedizinerin versteht es wie kaum eine Zweite, den Toten Glanz einzuhauchen und ihnen ihre Gesichter zurückzugeben.
Nachdem sie zwei Jahre als Knochen- und Mumienexpertin in Mexiko-Stadt gearbeitet hat, kehrt sie nach Deutschland zurück, um am Münchner Institut für Rechtsmedizin einen Neuanfang zu wagen.
Kaum angekommen, steht sie vor ihrem ersten Fall. Ein Killer, der seinen Opfern die Gesichtshaut abzieht, um für immer ihr Antlitz zu bewahren.

Rezension:
Zwei Glasaugen, 24 genau austarierte Punkte, ein bißchen Plastilin und Moosgummi... - wenn Carina Kyreleis ihrer ungewöhnlichen Leidenschaft frönt, dann etnsteht keine Kunst, sondern es werden Tote wieder zum Leben erweckt.

Weil die junge Rechtsmedizinerin in einem aufsehenerregenden Fall in ihrer Wahlheimat Mexiko mit diesem Talent geglänzt hat – und auch weil ihr Vater, Kriminalhauptkommissar der Mordkommission, sich für sie eingesetzt hat, bekommt die 31jährige eine Stelle in ihrer Geburtsstadt München.

Diverse emotionale Altlasten machen ihr den Einstieg nicht leicht: Eine mißglückte Beziehung, der Vater ein Kontrollfreak, der seine Tochter zwar liebt, sich aber ständig in ihr Leben einmischt, die Mutter, passionierte Hebamme von Beruf, die immer mehr Zeit für ihre Patientinnen hatte als für die eigenen Töchter. Und natürlich die wechselhafte Beziehung zur Schwester, Wanda. Chaotisch, alleinerziehend, immer in der Hoffnung noch einmal als Sprecherin ganz groß rauszukommen anstatt weiterhin Ansagen für die Verkehrsbetriebe machen zu müssen.

Doch trotz all dieser ganz privaten Baustellen stürzt sich Carina sofort mit Feuereifer in die Arbeit – parallel hat sie es dabei mit gleich drei Fällen zu tun, bei denen jeweils eine Frau im Mittelpunkt steht: Der ersten war, so scheint es, vom eigenen Hund das Gesicht abgezogen worden, sie lebt aber noch. Die anderen beiden sind tot – eine ist noch namenlos, ein frischer Leichenfund, sie lag auf einem Spielplatz, mitten im Sandkasten. Die zweite hat man vor vielen Jahren als Selbstmörderin begraben.

Den gemeinsamen Nenner kennt die Protagonistin (noch) nicht – ebensowenig wie sie ahnt, wie direkt sie all das schon sehr bald persönlich betreffen soll.
Anders die Leserschaft: Sie ist von Anfang an dabei, kennt den Täter und erfährt nach und nach auch dessen Geschichte.
Doch dieses Wissen ist der Spannung keine Sekunde lang abträglich – ganz im Gegenteil.

Denn da ist mehr, viel mehr. Zwischen den Zeilen baut sich unterschwellig ein unheilvolles Geschehen auf, kommen sich die Beteiligten dieser vielen kleinen Tragödien immer näher.

In der Tat ist das, was sämtliche Kapitel durchzieht, ein fast schon klassisches Drama, eine tragische Geschichte mit zahlreichen Opfern.
Auslöser für alles ist eine junge Frau, die als Spionin aus Liebe Schuld auf sich geladen hat, aus Unachtsamkeit großes Unglück in die eigene Familie trug und im Affekt die Nerven verlor. Dass all das Auswirkungen und gravierende Folgen nach sich zog – wen wundert das?

So bleibt es nicht aus, dass Leserinnen und Leser bis zu einem gewissen Grad fast Mitleid empfinden für den verwirrten Täter, der in jeder Hinsicht unverzeihlich schuldig handelt und doch ein bedauernswertes Geschöpf ist.

So kommt es, dass man – einmal eingetaucht in die Welt dieser Carina Kyreleis – nicht mehr aufhören mag, ja gar nicht mehr aufhören KANN, weiterzulesen.

Schlagfertig kann sie sein, diese Heldin, witzig und unkonventionell – weder ein nächtlicher Besuch auf dem Friedhof noch ein Quickie im Büro sind ihr fremd. Und doch ist sie ganz offenkundig doch sehr verletzlich, diese Figur, die mit den modelllierenden Fingern auch die Seele der Verstorbenen wieder zu dreidimensionalem Leben erweckt.

Als sich am Ende alles zuspitzt, kann der Leser nicht mehr aussteigen, wird hineingesogen in die Handlung, will atemlos wissen, was kommt, was JETZT passieren wird, ist versucht, schnell bis zum Ende zu blättern und tut es natürlich doch nicht, um sich nicht selbst der Spannung zu berauben.

Ein wirklich beeindruckender Roman mit einer Protagonistin, von der man noch ganz viel lesen möchte.

Miss Sophie