Das Buch direkt bei Amazon bestellen Frank Schmitter
Die Narbe

btb TB
ISBN: 978-3-442-74340-7

München: Bei einem abendlichen Spaziergang gerät Kommissar Gerald van Loren zufällig in einen Polizeieinsatz. Ein Student ist aus dem vierten Stock eines Mietshauses gestürzt.
Alle Indizien deuten auf Selbstmord, doch Gerald van Loren glaubt nicht daran. Hinter dem Rücken seines Kollegen Batzko, einem Macho sondergleichen, beginnt er mit seinen Ermittlungen.
Diese führen ihn zu einem charismatischen Psychologen, in dessen Therapiegruppe sich der Tote befunden hatte, da er an BIID litt. Menschen mit diesem Krankheitsbild fühlen sich paradoxerweise erst dann »komplett«, wenn ihnen ein Körperteil fehlt.
Kurz darauf wird ein weiterer BIID-Patient ermordet, und Gerald van Loren gerät immer mehr in Bedrängnis …

Rezension:
Keine Nacht mehr durchschlafen können, seit das Baby da ist, die Frau ständig gereizt und der Kollege ein testosterongesteuertes Macho-Muskelpaket – eigentlich kein Wunder, dass Kommissar Gerald van Loren nicht so richti gut drauf ist.
Wie mies es ihm aber wirklich geht, merkt der Münchner Kommissar tatsächlich erst, als er sich nach dem angeblichen Suizig eines jungen Mannes undercover in dessen Therapiegruppe hineinmogelt. Denn da wird plötzlich das Unterste zuoberst gekehrt, auch was die ganz privaten Kümmernisse des Polizisten anbetrifft.
Irgendwie befindet er sich in gruter Gesellschaft, denn alle, wie sie da sitzen, ob still oder großmäulig, ständig in Tränen aufgelöst und mit einem Zwinkern im Augenwinkel, so haben sie doch alle ihr Päckchen zu tragen.
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum die einzelnen Mitglieder in dieser Gruppentherapie gelandet sind, aber einige teilen ein für Außenstehende ebenso skurriles wie grausiges Schicksal: Sie gehören zu den Menschjen, die ihren eigenen Körper zutiefst ablehen und sich erst dann, wenn ein Teil davon fehlt, vollständig und „rund“ fühlen.
Dass Autor Schmitter sich mit diesem Phänomen auseinandergesetzt hat, ist jedem Dialog anzumerken.
Dabei vertritt er beide Positionen: Die des ungläubigen Außenstehenden, der diese extreme Form der freiwilligen Selbstverstümmelung in keiner Weise nachvollziehen kann und die andere, die die psychologischen Hintergründe aufrollt, erklärt, wie es sein kann, dass die Selbstwahrnehmung so sehr beeinträchtigt wird. Denn wer im Gehirn ein Bild von sich hat, dem etwas fehlt, wie etwa ein Bein, der wird nie wirklich „er selbst“ sein können, so lange dieses Körperteil nicht tatsächlich weg ist.
Schmitter wird jedoch nicht nur diesen Figuren gerecht, sondern wartet mit weiteren komplizierten Sachverhalten auf. Ein junger Vater, der sich überfordert fühlt und dank seiner persönlichen Vergangenheit generell mit Bindungsproblemen kämpft, der Macho vom Dienst, der gern mal ein wenig über die Stränge schlägt, auch im Umgang mit Zeugen und Verdächtigen, sowie all jene Charaktere, die mit unglücklichen Beziehungen, unerfüllten Träumen und Sehnsüchten oder ganz profan finanziellen Miseren klar kommen müssen.
Auf diese Weise bleibt die Handlung so spannend und abwechslungsreicht wie die Zahl der potentiellen Täter bis zum Schluß hin erfreulich hoch.
Das Ende ist, obwohl der Fall selbst abgeschlossen wird, offen und lässt auf weitere Fälle rund um Gerald van Loren hoffen.
Ausgesprochen gut gelungener Roman, der auf neuen Pfaden wandelt.

Miss Sophie