Das Buch direkt bei Amazon bestellen Wolfgang Schorlau
Die letzte Flucht - Denglers sechster Fall

KiWi TB
ISBN: 978-3-462-04279-5

Der sechste Fall führt Georg Dengler nach Berlin.
Professor Dr. Bernhard Voss, Arzt an der Charité, wird eines schrecklichen Verbrechens verdächtigt. Sein Verteidiger bittet Dengler um Unterstützung.
Dieser steht plötzlich vor einem Abgrund an Manipulationen.

Fast beiläufig erzählt Schorlau zugleich eine Geschichte über den Widerstand gegen »Stuttgart 21«, in dem Denglers Sohn Jakob aktiv ist.

Wie immer finden sich umfangreiche und ausgesprochen lesenswerte Hintergrundmaterialien auf der Website des Autors – unbedingt ansehen, allerdings erst NACH der Lektüre!

Rezension:
Alles beginnt mit einer Entführung:
Dirk Asmuss – klein, rund, jovial, ein Rheinländer, wie er im Buche steht, wird eines Nachts in Berlin unter einem Vorwand in einen Hinterhalt gelockt, niedergeschlagen, in ein Versteck verbracht, wo ihn ein maskierter Mann über seine Arbeit in ienem Pharmaunternehmen aufs Peinlichste befragt.
Was er dabei über bestimmte Vorgehensweisen im Geschäftsgebaren enthüllt, scheint ungeheuerlich.

Im zweiten Strang der Geschichte soll Georg Dengler, der Stuttgarter Privatdetektiv, Indizien für die Unschuld eines Wissenschaftlers finden, der im Verdacht steht, ein Kind entführt und getötet zu haben.
Die ermittelnde Kommissarin hält ihn für schuldig und ist wenig erbaut über Denglers Einmischung.
Seine Stuttgarter Freunde – allen voran Olga – stehen ihm bei, als er im Zusammenhang mit seinen Ermittlungen in große Schwierigkeiten gerät.

Allerdings bewegt sie auch noch etwas ganz anderes: Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Protest der Schwäbischen „Wutbürger“ gegen das Projekt zum Umbau des Hauptbahnhofs, „Stuttgart 21“.
Hier allerdings ist der Übergang zwischen Fiktion und Wirklichkeit mehr als fließend – denn einige der geschilderten Szenen sind unwiderlegbare Fakten. Vor allem der „Schwarze Donnerstag“, die friedlich begonnenen und blutig endende Schülerdemo wird ebenso drastisch wie entlarvend beschrieben.
Und während sich der Leser mit Dengler fragt, wer nun welche Schuld auf sich geladen hat, nimmt die ebenso spannende wie schockierende Handlung ihren Lauf …

Was zeichnet einen wahnsinnig guten Kriminalroman aus?
Das Element der Spannung, die Suche nach dem Täter oder – wie es bei Wolfgang Schorlau stets der Fall ist – die Tatsache, dass der Roman beängstigend nahe an der Realität ist.

Immer wieder hört man von Arzneimittelskandalen – hier wird die gesamte Industrie an den Pranger gestellt und die Ärzteschaft gleich mit dazu.
Wer das – nicht ganz freiwillig – ausspuckt, ist ein Mann, der es wissen muss, einer der führenden Köpfe einer Branche, die so wenig Konjunkturschwankungen wie kaum eine andere unterworfen ist – krank werden die Leute schließlich immer.

Was dieser Mann enthüllt, ist schlichtweg beängstigend: Studien, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie – in Form einfacher Fragen zum ankreuzen – gedruckt sind. Ärzte, deren Funktion sich auf das Verschreiben reduziert. Schmutzige Tricks, die immer nur in einem gipfeln: Im Profit der Pharmaindustrie.
En masse werden Mediziner korrumpiert, damit sie Medikament A statt Präparat B verschreiben. Dabei steht im Zentrum mitnichten die Wirksamkeit, der Nutzen für die Patienten, sondern einzig und allein eine Rendite von 30-40% für den Hersteller.
Hätte nicht genau dieser Wolfgang Schorlau, der bekannt ist für seine akribischen Recherchen, die mit Zahlen und Fakten ohne Ende belegte Story geschrieben – man möchte sie nicht glauben.

Die Romane des Wahlstuttgarters lassen niemanden und niemals kalt.
Stets sind sie flammende Plädoyers für das „Richtige“, wie es dem Empfinden des Mannes oder der Frau „von der Straße“ entspricht.
Schorlau ist das soziale Gewissen seiner Leser.

Doch weit gefehlt, würde man meinen, dies schmälere die Lesbarkeit oder gar die ironische Brechung, die der Autor so meisterhaft beherrscht.
Immer wieder überrascht er seine Leser mit ungewohnten Schauplätzen (wie etwa einem Domina-Studio) und einem gewissen Maß an kleinen kriminellen Aktivitäten, die dem Gerechtigkeitsempfinden nicht wirklich widersprechen. Sind sie doch gegen „die da oben“ gerichtet, denen man gern selbst manchmal eins auswischen würde.

Der Schluss ist - wie alles in diesem Roman - traurig und befriedigend zugleich.
Lose Enden gibt es nicht – aber eine heile Welt leider auch nicht (mehr).

Wolfgang Schorlau ist einer der ganz ganz Großen – und wo auf seinen Buchcovern „Thriller“ steht, da ist „Thrill“ drin. Manchmal fast zu viel – weil so sehr aus dem Leben gegriffen …

Miss Sophie