Das Buch direkt bei Amazon bestellen Friedrich Ani
Süden und das heimliche Leben

(13. Band)
Knaur TB
ISBN 978-3-426-50937-1

Als die fleißige, zuverlässige Kellnerin Ilka Senner verschwindet, glaubt jeder an ein Gewaltverbrechen.
Bei seinen Ermittlungen stellt Tabor Süden fest, dass keiner wirklich etwas über sie weiß. Auch ihre Familie nicht, die auf das Verschwinden mit Desinteresse und Herzlosigkeit reagiert.
Erst ein Gespräch mit der Schwester lässt Süden erahnen, was Ilka aus Scham vor aller Welt verbirgt …

Der Roman erhielt den Deutschen Krimi Preis 2013 (Kategorie national: 2. Platz).

Rezension:
52 ist er, trinkt zu viel, hat einen Bauch, rote Augen, ist nicht rasiert.
Man fragt sich schon, ob er krank ist, der Süden.
Sitzt stundenlang in einer Kneipe und trinkt … Kaffee! Von der Art, “... der anderswo wahrscheinlich zur Bekämpfung von EHEC-Bakterien eingesetzt wird...

Alles das tut er, weil eine 46jährige Kellnerin verschwunden ist. Eine Frau, die das Lokal hätte übernehmen sollen und die so beliebt ist, dass die Wirtsleute und vier Stammgäste zusammengelegt haben, um sie vom Ex-Vermisstenpolizist, jetzt Detektiv Süden für tausend Euro suchen zu lassen.
Das tut er und erfährt nach und nach mehr über eine Frau, die von außen so unscheinbar, wie sie von innen vielschichtig ist.

Aber wiewohl eigentlich diese Ilka im Zentrum der Erzählung steht, lernt der Leser doch so viel mehr über alle Beteiligten.
Denn mit drei Sätzen offenbart Ani mehr über seine Figuren als andere es auf 30 Seiten tun könnten. Gleichzeitig liefert er Zündstoff ohne Ende – trägt doch jeder Charakter eine in sich angeschlossene tragische Geschichte. Die Autor Ani aber so erzählt, dass sich immer wieder beim Lesen ein Lächeln auf die Lippen der Leser stiehlt. Man muss ihn einfach lieben, wenn er mit solchen Beschreibungen seine Figuren zum Leben erweckt, wie hier die Wirtin, die das Bier bringt: “Sie lächelte, wie Jesus gelächelt hätte, wenn die Kreuzigung abgesagt worden wäre.“
Dabei ist es absolut kein Bruch, wenn wie in einem Polizeibericht überall akribisch das Alter der Personen notiert wird, sowie der Beruf und die markantesten körperlichen Eigenschaften. Denn jede der pointierten Beschreibungen, die Ani liefert, sitzt, passt und hat Luft.
Das sind Sprachbilder von gewaltiger gelungener Größe, die beim Lesen reine Freude bereiten. Wie etwa die Tirade des jahrzehntelang gehörnten Ehemannes, dessen Frau ihm nicht nur “... seine gesamten Ersparnisse abgeluchst, sondern auch noch den Penis verknotet hat...“.

Süden selbst ist ein selbst gewählter Einzelgänger wider Willen, darum versteht er sie besser, die Einsamen, die Getriebenen, die, die sich selbst nicht mögen, weil sie fürchten, die anderen hätten kein Interesse an ihnen.
Sein alter Freund aus Kindertagen, Martin, ist tot und fehlt ihm ganz gewaltig.
Frauen gibt es gleich mehrere, die sich für ihn interessieren – offen oder leicht verhohlen. Und es könnten noch mehr sein, denn trotz seines auf den ersten Blick nicht Mainstream konformen Äußeren hat dieser Mann etwas, ist attraktiv durch das, was er sagt und fast noch mehr durch das, was er weglässt.

Das Ende ist – wie jedes Mal – auch hier eine spannende Offenbarung. Die ausgesprochen neugierig darauf macht, wie es weitergehen wird mit ihm und den Menschen, die ihm und denen er begegnet.
Kurzum: Ani schreibt dünne Bücher für die Augen, aber dicke Wälzer fürs Hirn.

Miss Sophie