Das Buch direkt bei Amazon bestellen Arno Strobel
Der Sarg

Psychothriller
Fischer TB
ISBN: 978-3-596-19102-4

»Sie konnte nicht einordnen, was diese Schwärze zu bedeuten hatte. Aber sie war überall. Und es gab keinen Ausweg.«

Köln wird durch eine Reihe fürchterlicher Verbrechen erschüttert. Jemand entführt mehrere Frauen und begräbt sie bei lebendigem Leib. Der Täter spielt der Polizei Hinweise zu, doch wenn ein Grab gefunden wird, ist die Frau darin bereits tot.
Erstickt.
Zur gleichen Zeit hat Eva, eine erfolgreiche Geschäftsfrau Mitte 30, einen immer wiederkehrenden Traum. Sie wacht in einem Sarg auf. Gefangen, hilflos, panisch. Sie weiß nicht, wie sie in den Sarg hineingekommen ist, und später nicht mehr, wie sie ihn wieder verlassen hat.
Doch irgendwann ist es vorbei, sie ist frei, liegt in ihrem Bett. Und bemerkt die Blutergüsse und Kratzspuren an Händen, Armen und Beinen …

Rezension:
Stell dir vor, du erwachst und siehst genau gar nichts.
Beim Versuch, dich aufzurichten, stößt dein Kopf gegen eine Begrenzung – dasselbe geschieht mit den Armen, wenn du sie seitlich ausstrecken willst.
Dein Atem geht schneller, während dir dämmert, dass es ein ganz besonderes Gefängnis ist, in dem du eingesperrt bist.
Ein Sarg.
Dann setzt der Verstand aus, deine Bewegungen verselbständigen sich – bis zur Erschöpfung.

Genau das passiert Eva, Besitzerin eines Maschinenbauunternehmens.

Allein schon diese Schilderung lässt dem Leser die Haare zu Berge stehen.
Doch was dann kommt, toppt die gruselige Vorstellung noch:
Alles scheint nur der Traum einer notorischen Schlafwandlerin gewesen zu sein – ein sehr realistischer allerdings. Verletzungen inklusive.

Doch dann muss sich Bernd Menkhoff mit dem Fall einer Frauenleiche in einem Sarg befassen. So etwas hat der als Choleriker bekannte Hauptkommissar in seinen fast 30 Jahren auf dem Polizistenbuckel noch nicht erlebt.
In der Kölner Dienststelle ist erst seit neun Monaten und die Trennung von seiner Frau, vor allem aber von der gemeinsamen Tochter, setzt ihm mindestens genauso zu wie die Tatsache, dass er mit einigen der Kollegen im Clinch liegt. Diese behindern und reizen ihn wissentlich und willentlich, weil sie gar nicht glücklich sind, dass er zum Chefermittler im Fall der „Sargleichen“ (der ersten folgen leider weitere) ernannt wurde.

Diese beiden – und ihre jeweilige „Entourage“ (Evas Freundin und Vertraute Wiebke, die Immobilienmaklerin ... Dr. Leienberg, der Psychiater, der der zutiefst verunsicherten Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs beistehen will … Dr. Hubert Wiebking und sein Sohn Jörg, die beide Ewas Firma am Laufen halten … sowie auf Menkhoffs Seite vor allem seine Kollegin Oberkommissarin Jutta Reithöfer, deren zarte Gesichtszüge in Verbindung mit dem blondem Haar und den blauen Augen schon so manchen „Kunden“ in die Irre über ihre Zähigkeit und Zielstrebigkeit geführt haben) stehen im Mittelpunkt eines Psychothrillers der Extraklasse.

Die grauenvolle Ausgangssituation wird in zahlreichen Variationen immer wieder durchgespielt – bis der Leser selbst nicht umhin kann, die damit verbundene Beklemmung zu spüren.
Die Beschreibung der Opfer, die sich die Fingerkuppen bis auf den Knochen abschaben und sich doch nicht befreien können, ist da nur noch das entsetzliche Tüpfelchen auf dem „i“.

Auch die Gefühlslage der Polizisten ist keine einfache, denn wie furchtbar muss man sich mit dem Bewusstsein fühlen, fieberhaft auf der Suche nach einem Opfer zu sein, das ziemlich sicher fast schon tot ist – aber vielleicht doch noch lebt …

Arno Strobel mutet seinen Lesern eine Menge zu:
Die ständige Frage des Scheins und Seins – nach außen hin kontrollierte Figuren, in deren Innerem es aber permanent brodelt, was jederzeit zur Explosion führen kann.
Die Schilderungen nicht nur aktuellen Schreckens, sondern auch systematischer Zerstörung junger Seelen in der Vergangenheit.
Ein Panoptikum von ganz offensichtlich schwer gestörten Psychopathen, von denen sich jeder einzelne hinter einer Fassade der Gutbürgerlichkeit verstecken könnte.
Und die permanente Hochspannung, unter der jeder steht, stehen MUSS, der auch nur die ersten drei Seiten gelesen hat …

Doch die Leser halten das aus.
Und gerne tun sie es obendrein.
Das zeigt die Beliebtheit, der sich dieser Autor erfreut.
Nicht umsonst gilt er als eine der wichtigsten deutschen Thrillerstimmen – denn so viel Grusel mit so wenigen Mitteln verbreiten, das können wahrlich nur wenige.

Miss Sophie