Das Buch direkt bei Amazon bestellen Elisabeth Florin
Commissario Pavarotti trifft keinen Ton

Emons TB
ISBN: 978-3-95451-122-8

Einer der reichsten Unternehmer Merans wird tot im Hinterhof einer Weinstube aufgefunden.
Der italienische Commissario Pavarotti und die deutsche Amateurdetektivin Lissie stehen vor einem Rätsel. Die Einheimischen haben die Reihen geschlossen und mauern eisern. Als auch der Vater des Toten stirbt, sieht es so aus, als hätte eine alte Schuld die Familie eingeholt.
Lissie ist gezwungen, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen – bis schließlich die Berge über Meran das Geheimnis der Stadt und ihrer Bewohner preisgeben.

Rezension:
Verzwickte Familienverhältnisse und ganz eigene, erschwerte, Bedingungen bestimmen das Arbeitsleben von Luciano Pavarotti (der praktisch schon jeden Witz rund um seinen Namen gehört hat):

Als Bozener Ermittlungsleiter wird er immer dann nach Meran geholt, wenn die dortige Ortspolizei um Amtshilfe ersucht, was dauernd passiert, da sein Boss, der Vice Questore, und der Meraner Polizeichef verschwägert sind.
Damit nicht genug: Der Leiter der Spurensicherung hält sich für Poirot und untersucht nur jene Spuren, die zu einem Tathergang passen, wie er ihn sich vorstellt.
Das Tüpfelchen auf dem „i“ ist dann nur noch die Tatsache, dass es sich bei der Gerichtsmedizinerin um Pavarottis Schwester handelt und die beiden sich alles andere als grün sind.

Das allerdings trifft auf 95% der Menschen, mit denen der Kommissar zu tun hat, ebenfalls zu – was im Wesentlichen am komplizierten Verhältnis der Südtiroler zum italienischen Staat liegt, den er nun einmal vertritt.

Gut also, dass der Ermittler nicht auf sich allein gestellt ist, sondern die Touristin Lissie an seiner Seite hat. Dabei drängt sich die Frankfurterin, die gerade erst ihren Job als Kommunikationschefin verloren hat und in einer kleinen Meraner Pension den Frust darüber vergessen will, nicht etwa auf: Sein Chef zwingt ihn, die Hilfe der Hobbydetektivin anzunehmen.
Dieser Mann ist sowieso eine Nummer für sich: Entweder er gibt den Kontrollfreak oder er ist ein kungelnder „,Adabei“, Fleisch gewordene Karikatur eines Möchtegern-Wichtigs.
Und auch der tote Hotelchef ist ein Abziehbild. Das nämlich des braun gebrannten Charmeurs aus den Südtiroler Bergen.

Pavarotti hingegen, der Mann, der den rätselhaften Fall aufklären soll, ist füllig und schlau, liebt Logikrätsel und Leichen.
Was ihm nicht so sehr liegt, ist der Umgang mit trauernden Hinterbliebenen und zur Schau gestellten Emotionen. Da offenbart sich seine unsensible und ungeduldige Natur.
Und doch ist er mehr als der fette Provinzbulle, für den Lissie ihn zunächst hält.
Abgesehen davon, dass auch sie in seinen Augen alle Vorurteile bedient: Er hält die schlanke, fast knochige Endvierzigerin, ob ihres Wagens (eines Jaguars), der Markenkleidung und des Kurzhaarschnitts für eine reiche Tussi.
Was die Dinge nicht einfacher (aber sehr kurzweilig zu lesen) macht, als die beiden ein Paar mimen sollen.

Während sie sich also mit allerhand Spuren beschäftigen, die das Private ebenso wie das Geschäftliche ins Licht der Ermittlungen rücken lassen, zeigt sich:
Es wird viel gestritten in diesem Roman – man provoziert sich, ist unsensibel und rechthaberisch.

Und das Verhältnis zu den eigenen Eltern ist bei mehr als einer Figur ein überaus schwieriges Thema: Erwartungen auf beiden Seiten werden oft nicht erfüllt, es gibt Verletzungen – auch jenseits der rein physischen Ebene.

Die Handlung gewinnt nach und nach an Fahrt, mixt die spielerische Leichtigkeit manch skurriler Szenen mit realen historischen Begebenheiten, die in sich bereits sehr spannend und vielen nicht geläuftig sind.
Seien es nun die Bombenattentate in Südtirol, die tiefgreifende Abneigung der dortigen Bürger gegen die „Welschen“ oder die Sehnsucht nach Autonomie, ebenso wie die Tatsache, dass die Bezeichnung „Alto Adige“ ein Stachel im Fleisch aller Bewohner ist.

Natürlich geht es auch um Sex und um Beziehungen, schwache Frauen, übergriffige Männer …

Die Zusammenstellung und das Setting sind ungewohnt und sehr erfrischend.
Das macht neugierig auf weitere Fälle des Commissario Pavarotti.

Miss Sophie