Das Buch direkt bei Amazon bestellen Birgit Hummler
Crashkurs

Ein Baden-Württemberg-Krimi
(2. Band)
Silberburg Verlag TB
ISBN 978-3-8425-1244-3

Hanna Stankowski ist nicht gerade begeistert, als sie die Aufklärung eines Unfalls übernehmen muss. Sie hat als stellvertretende Leiterin des Dezernats für Tötungsdelikte ohnehin schon mehr als genug Arbeit. Ihr Chef Andreas Bialas ist ausgefallen und muss sich in der Reha von einem leichten Herzinfarkt erholen.

Schnell stellt sich heraus, dass der Unfall, der den Tod eines jungen Mannes zur Folge hatte, durch das Ansägen der Spurstange des Autos verursacht wurde.
Ein Verdächtiger ist schnell gefunden, denn der Tote, ein Finanz- und Anlageberater, war nicht zimperlich mit seinen Mitarbeitern umgegangen. Einer von ihnen hatte allen Grund, sich an ihm zu rächen, und wird deshalb festgenommen.

Doch es passieren weitere Unfälle, die ebenfalls durch angesägte Spurstangen der Autos herbeigeführt wurden.
Hanna Stankowski und ihr Team können keine Verbindung zwischen den Opfern feststellen – bis auf eine: Alle sind in der Finanzbranche tätig, verkaufen Geldanlagen und bewilligen Kredite.
Ist da womöglich ein Serientäter unterwegs, der es auf Banker und Anlageberater abgesehen hat?

Rezension:
Fünf Jahre sind vergangen seit dem ersten Fall von Hanna Stankowski und Andreas Biala.
Letzterer hat einen leichten Herzinfarkt erlitten (das kommt vor bei Männern, die immer am Rand der eigenen Belastbarkeit arbeiten und nicht selten darüber hinaus gehen), ersterer obliegt daher derzeit die Leitung der Abteilung. Noch immer hat die dreifache Mutter ein paar Pfunde zu viel, doch manchmal scheint Schokolade das einzig passende Allheilmittel bei einer von Gewalt, Schock und Trauer geprägten Arbeitsumgebung.
Denn es ist nicht nur Stankowskis Kombinationsgabe, die sie zu einer hervorragenden Polizistin macht – durch ihren eigenen Schicksalsschlag, den Tod des Mannes durch einen amoklaufenden Asylbewerber zehn Jahre zuvor, hat sie im Umgang mit Opfern und Angehörigen eine ganz eigene Sensibilität.

Und dennoch läuft am Anfang der Geschichte alles richtig schön unrund: Nicht nur, dass es für einen ziemlich komplex werdenden Fall zu wenig Personal gibt, nein, einer der ihr eigentlich unterstellten Kollegen ist ein frauenfeindlicher, respektloser Angeber, so dass Hanna plötzlich an zwei Fronten kämpfen muss:
Einerseits gilt es, Licht ins verzwickte Dunkel der Finanzdienstleistungen zu bringen, einer Branche, in der häufig jeder jeden übers Ohr zu hauen scheint, andererseits muss die Kommissarin im eigenen Stall für Ordnung sorgen und deutlich machen, wer das Sagen hat.
Zumal ihr junger und normalerweise sehr verlässlicher Mitarbeiter Luca, der charmante Halbitaliener, der gern mit einem Wortschatz prahlt, über den er nicht wirklich verfügt und hin und wieder in Stark-Trek-Sprech verfällt, ganz eigene Sorgen hat.
Und auch der geschätzte Staatsanwalt Friedebald Frenzel, fröhlich, fair und zuverlässig, kann zunächst das Ruder nicht herumreißen.

Was verbindet den Fall eines stadtbekannten Rasers, der seinen Angeberwagen gegen eine Betonwand gesetzt hat mit dem Anschlag auf einen seriösen, gebildeten Mittvierziger?
Das Verfahren – eine angesägte Spurstange – ist jedesmal dieselbe (übrigens brillant, wie es der Autorin gelingt, die entsprechenden Details so zu erläutern, dass auch die technisch wenig versierte Leserschaft das Prinzip versteht).
Die Opfer offenbar alle in irgendeiner Form mit der Kreditwirtschaft verbandelt.

Zum Glück naht Hilfe in Form der Kollegen vom LKA, dem Leser schon aus dem ersten Hummler-Krimi bekannt. Zum Einsatz kommen Hanseat Gerd Stoevesandt, Leiter der Abteilung Wirtschaftskriminalität, seine Mitarbeiterin, die alleinerziehende Mutter Nicole Marinescu, die auch die kompliziertesten Vorgänge in verständliche Sprache übersetzen kann und Rudolf Kuhnert, Koryphäe in Sachen Finanzen und Steuern.

Was sich dem staunenden Leser dann enthüllt ist leider nicht neu, aber deswegen nicht weniger erschreckend: Es geht um Geld, sehr viel Geld. Und um die Branche der Finanzdienstleister im Strukturvertrieb – eine nicht geschützte Berufsbezeichnung und ein Paradies für Hallodris und gescheiterte Existenzen. Sie leben von der Provision – und von der Tatsache, dass sich kaum jemand im Wirrwar der Anlagemöglichkeiten richtig auskennt. Übrigens sie selbst oft auch nicht – haben sie ihr Wissen doch oft in Form einer „Schnellbleiche“ erworben, einer internen Schulung, die vermittelt, wie man Menschen etwas verkauft, ohne tatsächlich über die Inhalte Bescheid zu wissen.

Und natürlich sind auch in der Bankenwelt, bei den Instituten, denen die meisten Menschen ihr gesamtes Hab und Gut anvertrauen, schwarze Schafe unterwegs. Da geht es dann um die Bildung von Zweckgesellschaften, um riskante Spekulationen, um Boni, bei denen es einem schwindlig werden kann …

Es ist eine große „Sumpf“landschaft, die es da für Hanna und ihr Team zu durchkämpfen gilt. Als wohltuender Gegenpol dient da das Lokalkolorit mit seinen liebevollen Beschreibungen, etwa vom ehemaligen Arbeiterviertel Gablenberg mit seinen alten Häusern oder dem Mineralbad „Berg“, einerseits spießig und doch innig geliebt.

Neben den offensichtlichen Verbrechen in all ihrer Komplexität geht es aber auch um Mobbing.
Unter Kollegen, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Entweder aus Kalkül, weil ein Mitarbeiter zu aufrichtig und wahrheitsliebend ist. Oder weil der Chef nicht aus seiner Haut kann, noch vom alten Schlag ist. Oder einfach, weil manche Menschen schlichtweg mißgünstig und neidisch sind.

Hummler besitzt eine hervorragende Beobachtungsgabe und eine noch herausragendere Fähigkeit darin, Situationen bildhaft zu schildern.
Wenn sie den Schmerz, die Fassungslosigkeit und Kopflosigkeit der Angehörigen eines Opfers beschreibt, den Moment, wo es Vater und Mutter schier das Herz zerreißt, dann will es dem Leser fast genauso gehen.

So wie er sich von der Spannung gefangen nehmen lässt, 557 Seiten lang - ganz ohne Autoverfolgungsjagd, Schußwechsel oder nervenzerfetzenden Showdown, aber mit einer Menge Emotionen und Erkenntnisgewinn.

Das ist Kunst – und allerbeste Krimiunterhaltung mit Niveau.
Davon möchte man definitiv noch mehr lesen!

Miss Sophie