Friedrich Ani
M - Ein Tabor Süden Roman
(15. Band)
»Er war irgendwie anders in letzter Zeit.«
Der Roman wurde mit dem ersten Platz beim "Deutschen Krimi Preis 2014" ausgezeichnet.
Rezension:
Zeitgleich hält Ex-Kommissar Tabor Süden auf dem Friedhof ein lautes Zwiegespräch mit seinem toten Vater, der ihn zu Lebzeiten schon viel früher und viel zu lange verlassen hatte.
Beides scheint zunächst wenig bis gar nichts mit dem aktuellen Auftrag der Detektei Liebergesell zu tun zu haben.
Doch natürlich hat hier alles mit allem zu tun und viel ist anders, als es auf den ersten Blick scheint.
Denn die Sache weitet sich aus: Polizei, LKA, der Verfassungsschutz und verdeckte Ermittler kommen ins Spiel.
Während dem für die "regulären" Ordnungshüter "dienstfernen" Süden (was natürlich zu weiteren Spannungen und Komplikationen führt) dies alles nach und nach klar wird, begeben sich seine Detektiv-Kollegen in große Gefahr.
Es wäre bedrückend genug gewesen, hätte sich der Autor die Handlung seines Romans ausgedacht. Aber dem ist ganz und gar nicht so: Die Terrorprozesse der letzten Jahre und die im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess immer wieder auftauchenden Erkenntnisse sprechen eine deutliche Sprache.
Doch Friedrich Ani wäre nicht der Meister der Miniaturen und Zwischentöne, als der er sich seit Jahren immer wieder erweist, hätte er sich auf diesen Aspekt seiner Geschichte beschränkt.
Wie viel mehr bringt er da den Leserinnen und Lesern seine Protagonisten nahe.
Bei jedem von Anis Romanen ist der Rezensent versucht zu sagen: DAS ist sein bester!
Miss Sophie
Droemer gebunden
ISBN 978-3-426-19953-4
Mit diesen Worten beauftragt die Redakteurin Mia Bischof die Detektei Liebergesell, nach ihrem vermissten Freund zu suchen.
Süden und seine Kollegen kommt die Frau von Anfang an seltsam vor. Sie sehen sich in ihrem unguten Gefühl bestätigt, als irritierende Hinweise im Arbeitsumfeld des Vermissten auftauchen. Er habe Kontakt zu Neonazis, heißt es.
Doch Mia bestreitet das vehement.
Süden schiebt seine persönlichen Bedenken beiseite bis seine Kollegen in höchste Gefahr geraten und er um ihr Leben fürchten muss.
Es ist der zehnte Todestag eines entführten und ermordeten Kindes und die Mutter begeht ihn vater-freunde-seelen-allein in einem Meer von Kerzen und Tränen.
Die leisen Frage- und Antwortrunden spart sich der Detektiv für seinen ebenfalls toten besten Freund auf. Martin Heuer, gestorben von eigener Hand. In einem Müllcontainer. In Berg am Laim.
Denn da geht es im Grunde nur darum, dass eine Frau ihren Freund vermisst. 54 Jahre alt. Taxifahrer. Ganz normales Tagesgeschäft sollte man meinen.
Keine besondere Herausforderung für Chefin Edith, Patrizia, die außerdem noch als Teilzeit-Barfrau in einer Szenekneipe arbeitet, Rentner Leo, der beste Beschatter der Stadt und natürlich Süden himself.
Langsam wird klar, dass es offenbar eine Verbindung des Vermissten zu Alt- und Neonazis gibt, die unter den Augen der Öffentlichkeit seelenruhig ihren braunen Geschäften nachgehen.
Gewaltbereite Extremisten sind dabei, die vor nichts zurückschrecken - und auch im privaten Umfeld alles andere als zimperlich mit ihren Mitmenschen umgehen.
Doch genauso schlimm (oder schlimmer noch?) sind jene Frauen und Männer, denen man ihre Gesinnung nicht auf den ersten Blick ansieht. Die als respektable Bürger im Verborgenen wirken, als Verbindungsleute dienen und nebenher ihre Netze auswerfen, während sie unter dem Deckmantel sozialen Engagements den Keim der vergifteten Saat säen.
An diesem Punkt wird die Sache mehr als persönlich und es gibt für Niemanden mehr ein Zurück.
Ihm geht es um die Menschen - jeden einzelnen.
Und jede Schilderung von Begegnungen, Beobachtungen - und sei sie noch so kurz - birgt einen ganzen Mikrokosmos an Schicksalen in sich.
Die in der Vergangenheit Verletzungen und Verluste erlitten haben und doch auf die eine oder andere Weise nicht nur die Kraft zum Weitermachen gefunden haben, sondern eine Hoffnung, die sie stärkt, ihnen eine Zukunft - vielleicht sogar gemeinsam mit anderen Menschen - verheißt.
Dabei bleibt es natürlich nicht - kann es nicht bleiben.
Nicht in einem Roman von Friedrich Ani.
Der nimmt seine Figuren und prüft sie ein weiteres Mal. Und nochmal. Und nochmal. Beutelt sie, erschüttert sie in ihren Grundfesten, ihrem Wesen, bringt sie zur völligen Auflösung und setzt sie wieder neu zusammen.
Das tut weh - auch beim Lesen.
Und verheißt für die Zukunft - nichts, aber auch gar nichts bleibt, wie es war.
Wie gut oder schlecht das ist, ob es überhaupt eine Zukunft GIBT - das muss sich weisen.
Diesmal stimmt's.
Definitiv!