Das Buch direkt bei Amazon bestellen Elke Pistor
Vergessen

Ullstein TB
ISBN 978-3-548-28610-5

Kommissarin Verena Irlenbusch steht unter Druck: Während sie einen hochintelligenten Psychopathen jagt, verschlimmert sich die Alzheimererkrankung ihrer Großmutter.
Außerdem wurde ihr der schlechtgelaunte Kollege Christoph Todt an die Seite gestellt, dem sie jede Information aus der Nase ziehen muss.
Doch Verena bleibt liebevolle Enkelin und professionelle Ermittlerin – auch wenn es sie fast zerreißt. Als sie schließlich auf die Spur des Mörders kommt, verfängt sich Verena in ein Netz aus lang vergessener Schuld und neuem Hass. Wird sie diesen Fall heil überstehen?

Rezension:
“Ich möchte diese Krankheit nicht.”

Und wer könnte das der 82jährigen Ruth verdenken?!
Keiner will Alzheimer, keiner braucht diesen kontinuierlichen Verlust von Fähigkeiten und Erinnerungen – und doch müssen immer mehr Menschen heute, wo die Lebenserwartung sowie die Zahl der Hochbetagten ständig steigt, im täglichen Leben mit dieser Belastung für Erkrankte und Angehörige klarkommen.
Für Kommissarin Verena Irlenbusch ist die Situation besonders tragisch, hat die Großmutter sich doch nach dem Unfalltod der Eltern viele Jahre zuvor aufopferungsvoll um sie gekümmert. Einen Spagat nach dem anderen macht sie, um auch tagsüber immer wieder nach ihr sehen zu können und auf diese Weise das Schlimmste zu verhindern – doch irgendetwas bleibt dabei immer auf der Strecke.

Diese Zerrissenheit, die leider so viele Frauen und Männer kennen, ist Verenas ständiger Begleiter – auch während sie sich eigentlich um eine Reihe von Todesfällen kümmern sollte, die zunächst alle Anzeichen von Selbstmord tragen.
Hinzu kommt: Die Freundin und Kollegin, die ihr normalerweise den Rücken freihält, wurde bei einem Unfall schwer verletzt – nun muss sie mit Christoph Todt zusammenarbeiten, der all das ist, was man sich NICHT wünscht: Der Mann ist unfreundlich, manchmal machohaft, schroff, kein bißchen kooperativ. Erst nach und nach wird klar, dass der Hobby-Ballonfahrer seine eigene, ganz private Hölle durchmacht.

Doch dafür ist ebenfalls wenig Raum, denn wie es scheint, gibt es einen Zusammenhang zwischen den Taten – und möglicherweise weitere Beteiligte, die vielleicht nun in großer Lebensgefahr schweben. Diese gilt es zu finden – ebenso wie die kleine Mia, die beim Spiel mit ihrer Freundin entführt wurde. Teilweise ungemein beängstigend und schwer zu ertragen, wie die Achtjährige sich bemüht, ihre Gefangenschaft zu überstehen. Und fast noch tragischer die Schilderungen der Beziehungen innerhalb ihrer Familie – zwischen Mutter und Großmutter.

Das Titel gebende “Vergessen” wäre, so scheint es, in manchen Situationen wohl von Vorteil. Denn während sich manche der Figuren gezielt und bewusst dazu entscheiden, Vergangenes zu verdrängen, lässt es andere nicht los. Und wieder andere – wie Ruth – gäben alles dafür, nicht jeden Tag ein Stück ihres bisherigen Lebens einbüßen zu müssen.

Die Lesenden hingegen müssen auf nichts verzichten: Die Spannung ist kontinuierlich hoch, die Charaktere vielschichtig, auch der Wortwitz, für den man Pistor kennt, blitzt immer wieder auf, dominiert aber nie so stark, dass der Grundtenor ins Heitere abgleitet.
Der Roman enthält also alles, was eine gute Geschichte braucht, von Action bis zu großen Gefühlen – plus eine sehr unerwartete Wendung am Ende. Nicht zu vergessen, den irren Zahnarzt am Anfang.
Gerne mehr davon, Frau Pistor!

Miss Sophie