Das Buch direkt bei Amazon bestellen Jan Seghers Matthias Altenburg
Die Sterntaler-Verschwörung

(5. Band)
Kindler gebunden
ISBN 978-3-463-40315-1

Schwarzenfels in Osthessen, ein kleiner Ort im Morgengrauen. Die Welt scheint zu schlafen.
Süleyman, ein junger Streuner, wird Zeuge, wie ein Motorrad von der Fahrbahn abkommt und in einer Senke verschwindet. Als der junge Mann die Taschen des toten Fahrers plündert, findet er einen Umschlag mit Fotos. Fotos, die es nicht geben dürfte.
Süleyman wittert seine Chance, an Geld zu kommen. Doch er hat sich auf Gegner eingelassen, die vor nichts zurückschrecken. Die Jagd beginnt – Süleyman muss fliehen.
Zur selben Zeit wird in einem Frankfurter Hotelzimmer die Leiche einer Frau aufgefunden. Man hat ihr mitten ins Auge geschossen – Zufall oder ein symbolischer Akt? Bei dem Opfer handelt es sich um eine bekannte Journalistin.
Kommissar Marthaler entdeckt, dass sie einer Verschwörung auf der Spur war. Der Sterntaler-Verschwörung.

Rezension:
Eine Durchsuchung bei einem hochrangigen Politiker, bei dem kinderpornographisches Material vermutet wird.
Nachgerade fatal, dass genau diese Fotos erst in einem Straßengraben, dann gut versteckt in einem alten Bauernhaus liegen, wohin sie der dreiundzwanzigjährige Süleyman gebracht hat. Ein Gelegenheitsstricher ist er, der schon bald zehn Jahre die Gesetze der Straße und viele Geheimnisse kennt und bewahrt.
Schnell wird klar, dass hier jemand geleimt werden sollte – und dass auch Mitglieder des LKA nicht unbeteiligt sind.

Hauptkommissar Robert Marthaler hingegen – ein Polizist, kein Bulle, was sich später als wichtige Unterscheidung herausstellt – bleibt davon zunächst völlig unberührt. Ist er doch mittlerweile Leiter der neu aufgebauten „Cold Cases Unit“, was seine Zeit eigentlich planbarer und Freundin Tereza deutlich zufriedener machen sollte.
Eigentlich.
Denn als er sich in den mehr als 25 Jahre zurückliegenden Fall einer ehemaligen, flüchtigen Studienkollegin verbeißt, ist alles wie gehabt. Die Grenzen zwischen Tag und Nacht verwischen sich, das schiere Studium von Akten und Analysieren von unzähligen Fakten fordern den ganzen Mann. Sechs Monate lang.
Andere Kollegen, das weiß er, handeln nach dem Prinzip “eintauchen, auftauchen, abschütteln“. Das funktioniert bei Marthaler nicht. Lieber bleibt er sich selbst treu und seinem ganz privaten Glauben an Gerechtigkeit. Daran, dass Strafe erhalten soll, wer Strafe verdient hat. Dafür setzt er sich auch dem Spott der Kollegen, dem Unmut seiner Freundin aus. Sekretärin Elvira unterstützt ihn, wo sie kann. Tippt klaglos Tausende von Namen ein, vergräbt sich selbst in Berge ausländischer Fallberichte. Bis der Durchbruch kommt und klar wird: Den Täter zu fassen, ist nur noch eine Routineangelegenheit.

Doch just, als all den Anstrengungen eine wohlverdiente Pause folgen soll, kommt Anna ins Spiel, jene junge Journalistin, die bereits in „Die Akte Rosenherz“ eine nicht unwesentliche Rolle spielte.
Sie sorgt sich um eine Freundin – wie sich schnell herausstellt, zu Recht.

Nun wird deutlich, dass alle bisherigen Geschehnisse zusammenhängen, denn plötzlich mischt sich das LKA in Gestalt von Axel Rotteck ein und das nicht auf freundliche Art. Auch – oder gerade, die Tatsache, dass der Endvierziger und Marthaler vor langer Zeit Kollegen waren, ist nicht hilfreich, denn jetzt steht hier einer gegen den anderen.

Das Tempo zieht an – was die Leser längst ahnten, wird Realität: Das Böse sitzt in jeder Etage der Macht, auch und gerade, was die Politik anbetrifft. Und die Wirtschaft. Oder beides gemeinsam.
Verbindungen „ins Milieu“ sorgen dafür, dass die schmutzigen Jobs von denen mit den dreckigen Händen erledigt werden. Meistens zumindest.
Und jene, die sich dem Druck nicht beugen wollen, weil sie die Wahrheit suchen, sind ständig in Gefahr, erst ihre Integrität, dann ihren Job zu verlieren. Oder umgekehrt. Oder Schlimmeres.

Dennoch – oder gerade deswegen – lassen sich Hauptkommissar Marthaler und seine Kollegen, mit denen ihn weit mehr als nur das gemeinsame Arbeitsfrühstück oder mal ein Pärchenausflug am Wochenende verbindet, nicht locker.
Sie wollen den Dingen auf den Grund gehen, koste es, was es wolle.

Seghers porträtiert keine Superhelden, sondern Männer und Frauen, denen ihr Beruf noch etwas bedeutet. Die sich nicht vorschreiben lassen wollen, was sie herausfinden dürfen. Diese Figuren sind aber keine reinen Arbeitstiere, sondern haben ein Leben. Sind verletzlich und manchmal unvernünftig. Feige und mutig zugleich. Manchmal auch witzig. Haben Glück und Pech in der Liebe. Es gibt konventionelle und ungewöhnliche Paarkonstellationen und ab und zu auch Sex. Da, wo es die Situation verlangt – folgerichtig und logisch in die Handlung integriert.
Die als solche durchgängig spannend ist – selbst wenn sie Aspekte der Polizeiarbeit zeigt, die alles andere als actionlastig sind.
Dass auch diese nicht zu kurz kommt und der Roman einige spektakuläre Verfolgungsszenen enthält, macht eine mögliche Umsetzung in Filmbilder umso wünschenswerter.

Es ist alles andere als Zufall, dass diese fiktive Geschichte in einem Frankfurt des Jahres 2008 erstaunliche Ähnlichkeiten mit den tatsächlichen Gegebenheiten aufweist, als die Landtagswahlen mit einem Patt endeten und der Ausbau des Frankfurter Flughafens auf dem Spiel stand ...
Seghers weiß auf jeder Seite, was er tut – auch diesmal ein Meister der Verflechtung von Dichtung und Wahrheit. Man wird sehen, ob und welche Konsequenzen das für den Autor haben wird (der Roman ist ja erst vor kurzem erschienen).

Die Konsequenzen für den Leser sind hingegen eindeutig:
Marthaler-Fan werden (oder bleiben) und gespannt dem nächsten Buch oder der nächsten Ausstrahlung einer Verfilmung entgegensehen.
Die Wartezeit überbrückt man am besten durch das Aufsuchen eines der so lebendig geschilderten Orte wie den Schultheis-Weiher, den Friedhof Heiligenstock oder den Hessenpark. Und vorher verproviantiert man sich in Harrys „Kornkammer“ in der Rohrbachstraße ...

Miss Sophie