Das Buch direkt bei Amazon bestellen Theresa Prammer
Wiener Totenlieder

(1. Band)
Marion von Schröder gebunden
ISBN 978-3-547-71209-4

Ein Tenor wird mit seinem Kostüm ermordet, eine Soubrette unter einem Kulissenteil begraben und eine Sopranistin vergiftet. Und das am weltberühmten Wiener Opernhaus.
Die Polizei ist machtlos und bittet Ladendetektivin Carlotta Fiore um Hilfe. Die ist nicht nur gescheiterte Opernsängerin, sondern auch die Tochter der weltberühmten Sopranistin Maria Fiore.
Eigentlich wollte Lotta die Welt von egozentrischen, hyperventilierenden Künstlern für immer hinter sich lassen. Sie hasst alles, was damit zusammenhängt. Aber so richtig spannend ist die Arbeit im Möbelhaus auch nicht. Also lässt sie sich als Statistin in die Oper einschleusen.
Ihr zur Seite steht Konrad Fürst, ein ehemaliger Kriminalkommissar, der sich als Clown durchschlägt, seit vor langer Zeit seine kleine Tochter verschwunden ist.
Doch der Mörder lässt sich nicht aufhalten – sein nächstes Ziel: Lotta Fiore.

Rezension:
Ein toter Tenor im Prolog – nach der besten ersten Strophe, die er je gesungen hat. Und die 28jährige Ich-Erzählerin, Ladendetektivin, die ihre Pappenheimer schon vom weitem erkennt, wenn sie die Monitore der Überwachungskamera betrachtet. Eine Woche Polizeischule hat gereicht, um eine Affäre mit ihrem Ausbilder zu beginnen – und wieder zu beenden, so wie Carlotta „Lotta“ Fiore eigentlich all ihre Beziehungen ziemlich abrupt wieder enden lässt.
Doch Hannes Fischer erinnert sich noch sehr gut an die Sopranistinnentochter und will sie ob ihrer Herkunft als Undercoverfrau haben. Der Mittdreißiger, der seit einem Jahr bei der Mordkommission Dienst tut, hat ein Budget von einem geheimnisvollen Auftraggeber erhalten, um parallel zu den offiziellen Ermittlungen jemanden ins Wiener Opernhaus einzuschleusen, wo sich einige rätselhafte Todesfälle ereignet haben.
Lotta, die neben einem Alkoholproblem auch die eigenartige Fähigkeit hat, beim ersten Anblick eines Menschen dessen Lieblingsfarbe, sein Alter und die letzte von ihm verzehrte Mahlzeit zu kennen, will eigentlich nicht. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an die eigene, mißglückte Karriere als Sängerin, die ihre weltberühmte, mittlerweile seit ein paar Jahren verstorbene Mutter, immer forciert hatte. Zusätzlich gibt es auch einige Personen, die ihr damaliges Leben entscheidend prägten, die sie nicht dringend wiedersehen möchte.
Und doch nimmt sie das Angebot an, gemeinsam mit Konrad Fürst, einem ehemaligen Kriminalkommissar, als Statist die ganze Geschichte von innen zu beleuchten. Der 57jährige verdient seit einigen Jahren sein Geld als „Clown Foxi“, was mit dem Verschwinden seiner kleinen Tochter vor vielen Jahren und dem darauffolgenden Komplettabsturz zu tun hat, nachdem er aus dem Dienst ausschied. Auch er hat alte Bekannte, mit denen er eine Begegnung nicht herbeisehnt.
So zieht das ungleiche Paar los, um in einen ganz anderen Kosmos einzutauchen, bei dem sich jeden Tag Mitwirkende in Chor, Ballett und Orchester mit Solo-Künstlern und den „Schwarzen“, also Vertreterinnen von Regie, Choreographie und anderen Verwaltungsaufgaben, treffen und doch nie wirklich mischen. Es ist eine völlig andere Welt, die die Autorin aufgrund der eigenen Vergangenheit als Darstellerin und Regisseurin kenntnisreich und außerordentlich lebendig beschreibt. Viele Typen sind dabei – von den grazilen Tänzerinnen mit vielfältigen amourösen Vorlieben bis zum selbstverliebten, giftigen Kostümbildner bis zum erfrischend normalen, wenn auch etwas altklugen Kinderstar.
Auch außerhalb der Bühnenwelt mangelt es nicht an interessanten Figuren – etwa die kuriose, aber doch sympathische Henriette, eine in einer Nervenheilanstalt lebende Ladendiebin, die sich immer brav erwischen lässt, um einen Kaffee zu bekommen. Oder Anna, die rauchende Lungenärztin mit einem Faible für ihren Nachbarn Konrad. Der etwas zwielichtige Krump von der Polizei und ein schnöde abservierter One-Night-Stand. Nicht zu vergessen das „Mädchen“, das die Leser in einem Parallelstrang an seinen nächtlichen Alpträumen teilhaben lässt.
Das Geschehen ist außerordentlich spannend, denn leider bleibt es natürlich nicht bei den beiden Todesfällen, die das Undercover-Ermittlerduo auf den Plan gerufen haben und bald sieht es sogar aus, als stünde Lotta selbst im Focus des unbekannten Täters.
Auch die diversen Dämonen der Vergangenheit, die schmerzlichen Wunden, die den Protagonisten von ihnen nahestehenden Mitmenschen geschlagen worden waren, fließen immer wieder ein und treiben die Handlung voran.
Zum Ende hin kommt auch die pure Action nicht zu kurz – mit Messern, Pistolen, spektakulären Stürzen und mehr als einem atemberaubenden Showdown.
Prammer hat mit ihrem Erstling um Carlotta Fiore und Konrad Fürst ein wirklich gelungenes Figurenensemble auf die deutsche Krimibühne gebracht, von dem man sehr gern mehr lesen möchte und dem Vernehmen nach auch wird.

Miss Sophie