Das Buch direkt bei Amazon bestellen Riley Sager Christine Blum
Final Girls

Original: Final Girls
Deutsch von Christine Blum
dtv TB
ISBN 978-3-423-21730-9

Sie haben die Hölle überlebt. Aber das war erst der Anfang ...

Als Einzige hat die Studentin Quincy ein Massaker auf einer Party überlebt. Sie hat jede Erinnerung an damals aus ihrem Gedächtnis gelöscht und sich mühsam ein normales Leben aufgebaut.
Zwei andere Frauen, Lisa und Samantha, haben ähnlich Grauenvolles durchgemacht – ein Fest für die Medien, in denen die drei als »Final Girls« bekannt werden.
Doch der Horror ist noch lange nicht zu Ende: Lisa wird tot aufgefunden. Ermordet?
Der Schlüssel zu allem scheint in dem Massaker in Pine Cottage zu liegen, das nur Quincy überlebte. Angestachelt von Samantha, versucht sie verzweifelt sich zu erinnern, was dort geschah ...

Rezension:
Grauen pur in den allerersten Szenen … - und zwei Seiten weiter Cupcakes, die für die Halloween-Backideen-Rubrik einer Website hergestellt und fotografiert werden sollen. So ist das Leben und der Alltag von Backbloggerin Quincy Carpenter.
Mit ihrem Freund Jeff, Pflichtverteidigerin lebt sie in Manhattan. In Menschenmassen allerdings fühlt sie sich nur mit Pfefferspray wohl, was an dem liegt, was sie im zweiten Studienjahr erlebte – und nur mit knapper Not überlebte.

Aus dieser Zeit stammt auch ihr Freund Coop, ein imposanter Streifenbeamter. Der frühere Marine hat ihr seit der ersten Begegnung im Wald, nachdem sie nur mit knapper Not einem grausamen Killer entkommen war, die Treue gehalten. „Wo ist der Polizist? Bitte, der Polizist soll kommen!“ war damals ihr Mantra.
Auch heute noch ist der knapp 40-jährige ihr Anker in Not und Verzweiflung. Über ihn selbst weiß sie zwar fast nichts. Dafür weiß er, wie er schlechte Nachrichten am besten überbringt. Direkt, schonungslos, unverblümt.
So informiert er sie darüber, dass eine Frau, die Quincy extrem geholfen hat, mit dem Leben wieder klarzukommen, tot ist.

Auch diese Lisa war ein „Final Girl“, wie man die weiblichen Hauptfiguren in Horrorfilmen nennt, die es, ohne zu sterben, bis zum Abspann schaffen. Sie hatte ein Massaker in einem Studentenwohnheim mit neun Toten überlebt. Ihre Souvenirs waren Stichwunden in Brust, Bauch und Arm – und die Erinnerung, wie der von ihr mit einem Messer zur Strecke gebrachte Täter neben ihr verblutete.
Doch die 42-jährige hatte sich nicht unterkriegen lassen, war Kinderpsychologin geworden.

Die dritte im Bunde ist Sam, alias Samantha, die mit Minirock, Lederjacke und Springerstiefeln aussieht wie ein abgehalftertes Rodeogirl. Sie war ebenfalls blutjung, als sie ihrem Peiniger begegnete, am Arbeitsplatz, an dem sie das Geld fürs College zusammenkratzen wollte. Und auch sie hat es geschafft, sich als einziges der Opfer einer für sechs Menschen tödlichen Attacke zur Wehr zu setzen. Mit dem Handbohrer, den der Täter zuvor benutzt hatte, um sie kampfunfähig zu machen. Nun ist er tot und sie lebt – aber naturgemäß ebenfalls schwer traumatisiert.

Die drei Frauen wollten keine Opfer mehr sein.
Die eine, Sam, brach mit allen Konventionen.
Die zweite, Quincy mit dem Marketing-Abschluss, verlegte sich aufs Backen – eine sehr ordentliche, geregelte Tätigkeit mit festen Regeln.
Und die dritte, Lisa, schrieb ein Buch.
Nun soll ausgerechnet sie sich umgebracht haben? Quincy kann es nicht wirklich glauben.

Ähnlich geht es Sam.
Nachdem sie sich vorher nie getroffen hatten, finden sie nun zusammen – zwei verlorene Seelen, die mehr durchgemacht haben, als ein Mensch ertragen kann. Irgendwie brauchen sie einander und doch tun sie sich gleichzeitig nicht gut.
Quinn trinkt zu viel, tut Dinge, die sie besser lassen sollte, weil sie illegal und peinlich sind, legt sich mit Presse und Medien an.
Auch Sam besitzt viel mehr verborgene Seiten, als es zunächst den Anschein hat – vor allem aber verleitet sie die neue Freundin immer wieder, an und über ihre Grenzen zu gehen.

So entwickelt sich nach und nach die Suche nach dem unbekannten Täter, der Lisa getötet hat und nun den anderen beiden nach dem Leben trachtet. Doch ihn zu finden, kostet einen hohen Preis, bedeutet es doch, das längst Vergessene und Verdrängte immer wieder an die Oberfläche holen zu müssen.
Denn Quincy leidet unter einer Amnesie, die ihr in den gut zehn Jahren seit dem entsetzlichen Erlebnis, immer wieder Blackouts und Tobsuchtsanfälle bescherte.
Doch nun muss – und will sie sich erinnern.
Und lässt in der periodisch eingestreuten zweiten Zeitebene des Buches die Leserschaft an den Flashbacks teilhaben, die sie in die unbeschwerte Zeit ihres 19-jährigen Ichs zurückkatapultieren.
Die Erinnerungen an ihre Freundin Janelle schmerzen beim Lesen, beim Blick auf eine dieser typischen Mädchenfreundschaften, wo sich die Beteiligten, so unterschiedlich sie auch sind, doch so nahe fühlen.
Kaum erträglich ist es, zu wissen, was am Ende eines fröhlichen Ausflugs übermütiger Studentinnen und Studenten stehen wird. Gleichzeitig fiebert man auf den Ausgang hin, jenen Moment, der Licht ins Dunkel bringen wird.

„Final Girls“ ist ein Pageturner im besten Sinne des Wortes.
Ein Roman, der sich nicht aus der Hand legen lässt, bis auch die letzte grauenvolle Sequenz der Vergangenheit wieder ans Tageslicht gespült wurde.
Obwohl es um wirklich entsetzliche Morde geht, die begangen wurden, stehen diese doch nicht im Vordergrund, werden auch nicht bis ins Detail geschildert, da ja viel mehr als der Horror des tatsächlichen Geschehens das „Danach“ eine Rolle spielt. Das Weiterleben mit Dingen, die niemand je ertragen müssen sollte. Das sich Befreien aus der passiven Opferrolle mit allen damit verbundenen Konsequenzen.
Zusätzliche Spannung wird dadurch erzeugt, dass es auch in der realen Erzählebene eine ganz konkrete Bedrohung für die Protagonistin gibt, die in einem nervenzerfetzenden Showdown kulminiert.
Ein wirklich gelungenes Werk und absolute Leseempfehlung.

Miss Sophie