Das Buch direkt bei Amazon bestellen Catrin George Ponciano
Leiser Tod in Lissabon

Emons TB
ISBN 978-3-7408-0783-2

Der Hitzesommer hat Portugals Hauptstadt fest im Griff, als ein Toter in der Kirche São Miguel im malerischen Altstadtviertel Alfama gefunden wird.
Inspetora-Chefe Dora Monteiro erkennt auf den ersten Blick, dass der Mord nicht zufällig genau an dieser Stelle geschah. Ein vergilbtes Foto führt sie auf die Fährte eines mächtigen, aber seit Jahrzehnten tot geglaubten Mannes. Ist er der Mörder?
Je weiter Dora ermittelt, desto tiefer gerät sie in ein gefährliches Netz aus alten Seilschaften, die weit in die Geschichte Lissabons zurückreichen ...

Rezension:
Es ist heiß, an diesem Tag in Lissabon, die Menschen wollen sich so wenig wie möglich bewegen. Einer wird es auch danach nie wieder tun, denn der Bankvorstandschef ist tot. Die kauzige Dona Rosário hat ihn in einer der hundert Kirchen der Altstadt tot aufgefunden. Und während die Witwe, die ihre Einsamkeit mit dem Dienst als Wächterin in der Igreja de São Miguel vertreibt, Inspetora-Chefe Dora Monteiro noch ihre Zeugenaussage macht, wird der Polizistin schon „von ganz oben“ deutlich gemacht, dass sie schnelle Ergebnisse liefern und dabei bitte nicht zu viel Staub aufwirbeln soll.
Keine gute Idee, denn eine solche Ansage lässt die unkonventionelle Enddreißigerin natürlich erst zu absoluter Hochform auflaufen. Aus sehr persönlichen Gründen hat sie sich mit Haut und Haaren dem Polizeidienst verschrieben, dabei keine Mühen gescheut, um schneller, weiter und höher zu springen als ihre männlichen Kollegen, hat es dabei auch nicht an der notwendigen Härte fehlen lassen. Und sich so nicht nur Freunde gemacht, zumal es ihr weder gegeben ist, Kollegen und Untergebene zu umgarnen, noch nach oben zu katzbuckeln. Ungeachtet dessen ist es der kleinen Frau mit den wilden Locken gelungen, sich einen Namen als jüngste Inspetora-Chefe im Amt zu machen. Sogar einen Fahrer hat sie – wiewohl das wiederum ganz speziellen Umständen zu verdanken ist …
Und während sich die Ermittlerin ans Werk macht, unterstützt von ihrem getreuen Assistenten, Inspetor Dário Cardoso, einem Zweimetermann, auf den sie sich blind verlassen kann, verschafft sie der Leserschaft nicht nur einen tiefen Einblick ins Lissabonner Alltagsgeschehen, sondern auch in die Lebensart, um nicht zu sagen die Seele der Portugiesen. Die Farben, die Geräusche, selbst die Gerüche werden durch George Poncianos plastische und gleichzeitig poetische Beschreibungen so greifbar, dass man beinahe den Eindruck hat, selbst vor Ort zu sein (a.d.R. man beachte auch die Fotos im Interview mit der Autorin!).
Doch damit nicht genug: Dreh- und Angelpunkt der ganzen Sache ist, wie sich mit der Zeit herausstellt, der „Nelkenrevolutioin“ und das, was sich im Anschluss in Portugal ereignet hat. Doch wie vielen Menschen außerhalb Portugals ist dieses Wechselbad von Diktatur, Militärputsch, Aufstand und Demokratie überhaupt bewusst? Viel zu wenigen, möchte man meinen – in Anbetracht der Tatsache, dass es noch keine 50 Jahre her ist. Auch deswegen verdient „Leiser Tod in Lissabon“ besondere Beachtung, werden doch dort die Zusammenhänge sehr gut deutlich gemacht, ohne in Form einer belehrenden Geschichtsstunde daherzukommen. Am Ende steht die beklemmende Erkenntnis, dass ein offenbar sehr alter Krake seine zahlreichen Arme aus der Vergangenheit in die Gegenwart reichen lässt und dabei auch vor höchsten politischen Kreisen nicht Halt macht. Fiktion? Realität? Wer weiß das schon …
Klar ist auf jeden Fall, dass Catrin George Ponciano ihre Wahlheimat nicht nur selbst tief ins Herz geschlossen hat, sondern es der Kulturjournalistin auch gegeben ist, bei ihrer Leserschaft den Wunsch zu wecken, all das selbst (wieder-) zu erleben. Inklusive der „Saudade“, jener „Sehnsuchtszwickmühle“, bei der einerseits Ruhe, Frieden und Eintracht als höchst erstrebenswert scheinen, man aber gleichzeitig „hibbelig und streitbar“ ist.
Wer also einen im besten Sinne „Regionalkrimi“ erleben möchte, mit ganz eigenen Flair, der nur und ausschließlich am Ort der Handlung spielen kann, wer außerdem Heldinnen schätzt, deren Methoden nicht immer legal, aber höchst wirksam sind und sich zu guter Letzt am Ende einer Geschichte trotz ihrer traurig-tragischen Auflösung erfüllt fühlen will, der sollte unbedingt zu „Leiser Tod in Lissabon“ greifen. Und auf eine Fortsetzung hoffen: Mit Dora Monteiro und ihrem Raben Afonso-Henrique.

Miss Sophie