Beim Blick auf die Fotos der Autorin von „Geliebte Angst“ möchte man nicht glauben, dass sie dem Alter ihrer Oberstufen-Protagonistinnen bereits entwachsen ist.
Und doch hat Rebekka Knoll zwei Bücher für junge Erwachsene geschrieben, ihr Germanistik- und Theaterwissenschaft-Studium zu Ende gebracht, danach während eines Stipendiums als Stadtschreiberin in Gotha ein viel beachtetes Jugendbuch verfasst und parallel dazu mit Jugendlichen gearbeitet, bevor sie ihr aktuelles Zeitungsvolontariat begann.
Wir haben mit der Wahl-Regensburgerin über Text-Tapeten, übersinnliche Vorgänge in WGs, Kreatives Schreiben und vieles mehr gesprochen.
Wann war Ihr letzter Mädelz-Abend?
Das ist leider schon wieder ewig her:
An Weihnachten hab ich mich das das letzte Mal mit meinen Schulmädels getroffen – zu Glühwein, Sekt und Plätzchen. Total schade, dass diese Abende so selten geworden sind, seitdem alle an unterschiedlichen Orten studieren oder arbeiten.
Und wie genau ist er abgelaufen?
Wir waren sofort wieder mittendrin in den Mädelsgesprächen, wie wir sie auch zu Schulzeiten geführt haben. Nur, dass es mittlerweile nicht mehr um Schulkameraden, Lehrer und Schulnoten ging, sondern um ehemalige Schulkameraden, ehemalige Lehrer und Uninoten.
Und natürlich um Zukunftspläne, anstehende Hochzeiten und 40-Stunden-Wochen.
Und dann haben wir angefangen, lustige Fotos zu machen, mehr Glühwein zu trinken, und das alles einmal zu vergessen.
Sie schöpfen also aus Ihren eigenen Erfahrungen für die Beziehung zwischen Emilia, Tila und Lorena.
Das ist ja immer eine zentrale Frage, die sich die Fans stellen: Wie viel AutorIn steckt in den Figuren eines Romans? Wie halten Sie das?
Was das Lebensgefühl kurz vor dem Abi angeht, habe ich mich natürlich an meine eigene Schulzeit erinnert. Ich glaube, kein Text kann völlig vom Autor losgelöst sein.
Allerdings habe ich bisher noch keine tatsächlichen Erlebnisse in meine Texte einfließen lassen.
Bei mir geht es da eher um Stimmungen, Momente, Details und Orte, die viel mit mir selbst zu tun haben.
„Geliebte Angst“ ist Ihr erster Jugendroman – was hat Sie dazu bewogen, für diese Zielgruppe zu schreiben?
Mich hat es immer schon gereizt, für junge Leute zu schreiben.
In meinen ersten beiden Romanen „Das Kratzen bunter Kreide“ und „Splittermädchen“ habe ich mich auch schon auf eine jüngere Zielgruppe konzentriert – allerdings noch nicht ganz so jung.
Im ersten Roman geht es um eine Studentin, die eine Dreiecksbeziehung mit zwei Jungs aus unterschiedlichen Städten Deutschlands führt und sich in diesem Spiel langsam verliert.
In „Splittermädchen“ ist die Protagonistin erst 18, allerdings ist ihr bester Freund Mitte vierzig. Als sie herausfindet, dass er früher Kinder missbraucht hat, beginnt nicht nur die Freundschaft, sondern auch sie selbst immer mehr zu zersplittern.
Für einen Auszug aus diesem Roman habe ich dann ein Stipendium als Stadtschreiberin in Gotha bekommen und hatte dadurch den richtigen Anstoß, mich diesmal ganz auf Jugendliche zu konzentrieren: Die Aufgabe war, in Gotha einen Jugendroman zu verfassen.
Das hat mir dann so viel Spaß gemacht, dass ich in dieser Zeit gleich zwei geschrieben habe. Der zweite Roman wird auch bei cbt erscheinen – allerdings erst 2017.
Wieder mit denselben Protagonistinnen?
Nein, das nächste Buch wird keine Fortsetzung sein, sondern etwas komplett anderes. Aber es ist auch ein Jugendbuch – mehr kann ich leider noch nicht verraten.
Worin unterscheidet sich das Schreiben für Jugendliche und das für Erwachsene?
Für mich war der Unterschied nicht riesig groß. Ich hab vor allem versucht, mich in meine Zeit als Jugendliche zurückzuversetzen und einen Stil zu finden, den ich damals gern gelesen hätte. Nur am Anfang musste ich mich darauf noch ein wenig konzentrieren, dann liefs ganz wie von allein.
Ihre Protagonistinnen sind ja ganz unterschiedlich. Da ist die Schlaue, Lorena, die Kämpferin, Tila, und die „Normale“, Emilia. Wie sind diese einzelnen Personen entstanden? Am Reißbrett, vorher, oder haben sie sich während des Schreibens entwickelt?
Ich hab alle drei bereits im Vorfeld entwickelt.
Bevor ich einen Roman anfange, zeichne ich erstmal die Figuren, indem ich ein paar kleine Texte aus ihrer Sicht schreibe.
Ich wollte für Emilia, die ja anfangs noch gar nicht weiß, was sie alles schaffen kann und wie stark sie wirklich ist, zwei starke Freundinnen, die ihr Halt geben und ihr dabei helfen, sich so schnell zu entwickeln. Und dann sind sehr bald Tila und Lorena in meinem Kopf aufgetaucht.
Tila ist ja ein Mädchen, das sich absichtlich mit Jungs prügelt und zwar richtig, bis Blut fließt …
Wie ist die Resonanz der Fans auf eine solche Figur?
Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, mochten vor allem Tila und Lorena sehr gern. Teilweise noch lieber als Emilia.
Und das, obwohl Tila auch gewalttätig werden kann. Soweit ich weiß, hat ihr das bisher noch niemand übel genommen.
Wie Sie vorhin erwähnten, ist der Schauplatz von „Geliebte Angst“ deswegen die Stadt Gotha, weil Sie dort nach Ihrem Studium ein halbes Jahr als „Stadtschreiberin“ zugange waren. Wie darf man sich so etwas vorstellen? Hat man eine Unterkunft? Einen bestimmten Geldbetrag fürs tägliche Leben?
Genau, man bekommt die Wohnung gestellt, ein Taschengeld und hat die Verpflichtung, einen Jugendroman zu schreiben und sich ins kulturelle Leben der Stadt einzubringen.
Ich bin dann in Schulen in Gotha gegangen und habe mit Jugendlichen Workshops gemacht. Das wurde den Schulen von der Stadt kostenlos angeboten.
Mit einer 9. Klasse habe ich mich wöchentlich getroffen, Geschichten geschrieben und dann ein leerstehendes Haus mit diesen Geschichten gefüllt.
Dafür haben wir ganze Texte auf Tapete geschrieben, an die Wände gekleistert und eine Leseausstellung gestaltet.
Im Grunde kennt man aber ja niemanden dort … – wie geht man damit um?
Langweilig war mir in Gotha nie. Ich habe dort auch überraschend schnell viele tolle Leute kennengelernt, mit denen sehr intensive Freundschaften entstanden sind.
Welche Erlebnisse während dieser Zeit sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Vor allem das „Tapetenschreiber“-Projekt mit meinen Schülern – es war toll, als das ganze Erdgeschoss voller Geschichten steckte -, laue Abende im Schlosspark und natürlich die vielen Tage, an denen ich einfach nur schreiben konnte, das war toll.
Zurück zum Roman – es ist ja eine Geschichte mit ganz vielen Facetten. Auf der einen Seite ausgesprochen geheimnisvolle … andererseits dicht an der „echten“ Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern durch den Umgang mit den (mittlerweile längst nicht mehr so „neuen“) Medien. Wie wichtig sind Facebook, Twitter, Instagram in Ihrem Leben?
Vor allem Facebook und mittlerweile Whatsapp spielen für mich schon eine große Rolle, ohne dass ich groß darüber nachdenke. Sie sind eben das alltägliche Mittel, mit seinen Leuten in Kontakt zu treten, sich zu verabreden, sich mal wieder schnell auf den neuesten Stand zu bringen.
Es würde mir schwer fallen, einen Roman zu schreiben, der in der Gegenwart spielt, und in dem die Figuren absolut nicht über solche Medien kommunizieren. Dafür gehören sie viel zu sehr zu meinem Alltag.
Und an welche übersinnlichen Dinge glauben Sie persönlich?
Für übersinnliche Dinge habe ich leider wenig Gespür. Manchmal glaube ich aber an seltsam magische Zufälle. Und an anderen Tagen hab ich irgendwie das Gefühl, dass es in unserer WG vielleicht doch spuken könnte.
Aber wahrscheinlich war es nur meine Mitbewohnerin, die nachts plötzlich laut geschrien hat – ohne Grund. Sie weiß es nur nicht mehr.
Und wahrscheinlich gibt es irgendeine rationale Erklärung dafür, dass nachts, als sie ins leere Haus gekommen ist, eine kleine rote Lampe in ihrem Zimmer brannte, die sie weder eingesteckt, noch selbst angeschaltet hatte.
Wie geht es jetzt weiter? Was tun Sie derzeit und was kommt als nächstes?
Gerade mache ich ein Volontariat bei einer Lokalzeitung in Regensburg.
Genaue Pläne für die Zeit danach habe ich noch nicht. Ich weiß nur ganz sicher, dass es etwas mit Schreiben zu tun haben wird.
Wenn Sie jetzt nochmal das Wort an Ihre Fans richten wollen, dann ist das jetzt der richtige Platz. Gerne dürfen Sie ihn für eine Botschaft, einen Aufruf, einen Hinweis auf etwas, das Ihnen sehr wichtig ist, nutzen – oder dafür, Ihren Lieblingslink zu posten.
Gerade stecke ich gemeinsam mit meinen Vereinskollegen von Kreatives Schreiben e.V. mitten in den Vorbereitungen für die Sommer-Schreibwerkstatt in der Nähe von Berlin, die jedes Jahr stattfindet.
Mit 15 Jahren war ich zum ersten Mal als Teilnehmerin dort – und es hat mich bis heute nicht losgelassen. Mittlerweile gehöre ich zum Vorstand und biete selbst Schreibgruppen an.
Wer gern schreibt und unter 26 ist, sollte dringend auf diese Homepage gehen: www.schreibwerkstatt-berlin.de.
Im August werden wir ganz viel Schreiben, in der Sonne sitzen, über Texte diskutieren und wieder frische Ideen sammeln.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mit Rebekka Knoll mailte sehr gern und sehr intensiv Chefredakteurin Michaela Pelz im Juni 2015.