Das Buch direkt bei Amazon bestellen Stephan Harbort
Das Hannibal-Syndrom (Phänomen Serienmord)

Militzke gebunden
ISBN 3-86189-209-X

Der berühmteste Serial Killer der 90er Jahre ist vermutlich Dr. Hannibal Lecter aus Thomas Harris Roman "Das Schweigen der Lämmer".
Seitdem weiß man, wie auf der Leinwand "Wölfe im Schafspelz" gejagt werden: Jeder Serienmörder hinterlässt am Tatort seine persönliche "Handschrift" ...
In den USA erstellen Fallanalytiker "psychologische Täterprofile".
Profiler analysieren anhand von Zeugenaussagen, Fingerabdrücken, Kleidungsstücken, Verletzungen an der Leiche oder außergewöhnlichen Tatorten den Tathergang und das Motiv.
Allerdings lassen sich die nordamerikanischen Erkenntnisse nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen. Harborts empirische Methode der "fallorientierten Rasterfahndung" hilft der Polizei anhand einer Checkliste brutale Mörder zu entlarven.

Rezension:
Serienmörder sind "in" - erwiesenermaßen steigern sie die Auflagen der Boulevardpresse und sind zudem spätestens seit dem bei aller Brutalität und Kaltblütigkeit irgendwie faszinierenden Dr. Hannibal Lecter auch salonfähig geworden.
Ergo sind auch Bücher über Serienmörder "in" - seien es nun Lexika, Berichte von Profilern oder populistische Schriften über in- und ausländische Täter (mit detailreichen Schilderungen ihrer Gräueltaten, versteht sich). Eine Art moderne "Grimms Märchen" eben - für alle Erwachsenen, die sich vor dem Einschlafen noch mal so richtig gruseln wollen.
Das vorliegende Buch jedoch ist anders - bei seinen sorgfältigen Recherchen hat der erfahrene Kriminalist Harbort mit zahlreichen Tätern gesprochen, ihre Motive und Motivation herausgearbeitet und immer wieder alles durch umfangreiches Vergleichszahlenmaterial ergänzt.
Einer narrativen Darstellung meist der ersten oder letzten Tat vor der Entdeckung folgt der Bericht über die Aufklärung des Falles durch die Behörden sowie eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Täter.
Dabei erfährt der Leser, dass alle, wie sie da beschreiben werden - die Raubmörder, Frauen- und Kinderschänder, Sadisten, nekro- oder pädophilen Männer, sowie die eine Frau, die das Buch "vorstellt" - im Grunde selbst arme Schweine sind; missbraucht, ungeliebt, krank.
Dennoch vermittelt der Autor nicht das Gefühl, dass er die grauenvollen Taten, die so vielen Opfern das Leben kosteten und so viele Angehörige und Freunde um ihr Liebstes brachten, entschuldigen will.
Hintergründe verdeutlichen - das ja.
Aber niemals die furchtbaren Konsequenzen herunterspielen.
Was sich stellenweise liest wie eine Sammlung von makabren Kurzgeschichten, ist doch eine akribische Zusammenstellung dessen, was sich seit dem zweiten Weltkrieg in Deutschland in Punkto "Serienmord" (leider) abgespielt hat.
In 15 Kapiteln stellt der Düsseldorfer unterschiedliche Formen dieses Kapitalverbrechens dar und klärt auf eindrucksvolle Weise auf, dass längst nicht jeder Serienmörder von sexuellen Phantasien zum Töten getrieben wird.
"Lösungen" bietet Harbort nicht an, will es auch gar nicht.
Wenngleich doch erkennbar ist, dass er den Ermittlungsbehörden wie der Justiz doch zuweilen einen Vorwurf macht: nämlich immer dann, wenn die rechtzeitige Ergreifung oder zumindest schärfere Bestrafung eines Täters vielen Menschen das Leben gerettet hätte ...
Mit dem "Hannibal-Syndrom" liegt ein interessantes, vor allem aber auch informatives Werk vor - detailgetreu, wo dies vonnöten ist, aber nicht auf billige Effekthascherei bedacht -, das zum Nachdenken anregt und mit seinen beachtlichen 12 Seiten Quellenangaben jedem, der sich für das Thema "Serienmord" interessiert, jede Menge Anregungen für weiterführende Literatur liefert.

Miss Sophie

 

Gastrezension(en):


Name: CLAUDIA JACOBS
Email: claudiajacobs2911@yahoo.de
Datum: 27.4.2017 (13:20)

Mit fesselnden Worten erreicht Stephan Harbort das scheinbar unmögliche. Er lehrt uns, in die Seele eines Serientäters zu schauen und diese verstörende Welt zu verstehen. Schön sicher daheim, in den Sessel gekuschelt, mit runtergelassenen Rollos und verschlossenen Türen, erreichen uns Grusel und Fakten gleichermassen. Vermutlich gehören mehr Frauen zu den Lesern, denn Männer. Frauen (ich rede aus Erfahrung), machen sich ihre Bilder lieber im eigenen Hirn, statt sie sich fertig auf Leinwand servieren zu lassen. Nicht umsonst gabs nach dem "Schweigen der Lämmer" sehr vieleFrauen, die Profiler beim FBI werden wollten. Die Möglichkeit mit dem Verstand den realen Grusel zu kontrollieren, erschuf ein neues Berufsfeld für Frauen in den USA. Harbort bringt uns der Realität allerdings noch näher, denn seine Fälle sind wirklich passiert, und passieren noch. Auch ist das Buch keine Grusellektüre. Es ist vielmehr ein Wegweiser durch die Welten der Serienmörder, der gründlich aufräumt mit sogenannten Fakten aus fiktiven Serien. Organisierte und nichtorganisierte Täter, lange und kurze "Abkühlphasen, erst Brandstifter, dann Tiermetzeleien, dann Serienmörder... unsere durch Criminal Minds "erworbenen" Kenntnisse, werden ausgetauscht gegen reale Beobachtungen und Tatsachen. Was mich persönlich sehr beeindruckte war, das Stephan Harbort seine persönliche Sichtweise, seine Ängste, seine Empathie mit einbrachte. Das konnte man besonders an Fall des Peter Windisch sehr gut nachvollziehen. Seine Schilderung der Aussichtsosigkeit von Herrn Windisch in Bezug auf sein weiteres Leben, hat mich stark beeindruckt, und erinnerte mich an die Szene in "Der Idiot" als Fürst Myschkin seine Gefühle schilderte, die er hatte, als er den Weg eines Mannes auf dem Weg zur Guillotine beschrieb. Harbort beschrieb die wahrscheinlichen Gefühle angesichts dieser ewig währenden Strafe im Hochsicherheitstrakt einzusitzen, den er nie mehr verlassen würde, und das Wissen darum, das es nicht anders geht. Hier Bestie, da Mensch. Gefühlsverirrt, gefühlsreduziert bis hin zur Gefühllosigkeit, aber eben immer noch ein Mensch. Einer der nebenan wohnen könnte, einer der ein Freund ist, ein nach aussen hin möglicherweise ganz unauffälliger Mensch bis hin zu dem, von dem man "das immer schon geahnt hat", sind alle vertreten. Ebenso vielfältig schildert er aber auch mögliche Ursachen, die diese Morde ermöglichten. Von der Hausschlachtung bis zu Hirnanomalien ist alles dabei. Auch die Mitschuld der Sozialgemeinschaft, von denen einige wissend waren, und trotzdem nichts sagten. Ein Buch, das einen nicht so schnell loslässt, einen zum nachdenken zwingt, und vielleicht auch dazu, sich Aussenseiter mal genauer anzuschauen, um nicht irgendwann einmal sagen zu müssen, das man selber auch mitschuldig wurde, durch Unterlassung und Desinteresse an den Mitmenschen. Serienmörder sind auch Opfer, auch wenn es so garnicht danach aussieht. Dieses Buch ist besonders geeignet, für Menschen, die erstmalig diese Welt betreten, das sehr viele, verschiedene Individuen beschrieben werden. Mein Fazit, es ist ein sehr spannendes Sachbuch, oder auch ein sachliches Werk mit spannenden Kurzgeschichten, und für jeden geeignet. Es macht Appetit auf mehr!