Das Buch direkt bei Amazon bestellen Andrea Schacht
Gebiete sanfte Herrin mir

(1. Band - Alyss)
Blanvalet Taschenbuch
ISBN 978-3-442-37123-5

Ein Raubmord erschüttert die handelnde Zunft Kölns.
Hat das grausame Verbrechen mit den geschmuggelten Tuchen zu tun, über die bereits seit einiger Zeit Gerüchte kursieren?
Eine kleine englische Münze, die in der Nähe des Toten gefunden wird, lässt in Alyss einen schlimmen Verdacht aufkeimen. Ist etwa John of Lynne, Handelspartner des Hauses van Doorne, in die Schwarzgeschäfte verwickelt - oder gar in den Mord?
Alyss, Tochter der Kölner Begine Almut und des einstigen Benediktinerpaters Ivo, tritt in die Fußstapfen ihrer Eltern und beginnt, Fragen zu stellen.
Und was sie in Erfahrung bringt, erschüttert sie in ihren Grundfesten.

Rezension:
Sie haben Almut, die scharfzüngige in der Baukunst bewanderte Begine vermisst?
Das Warten hat ein Ende, sie ist zurück.
Allerdings zwei Dutzend Jahre älter - und "nur" als Nebenfigur (natürlich sympathisch und scharfsinnig wie eh und je).

Den Staffelstab hat sie an ihre Tochter Alyss übergeben - die sich in ihrer neuen Hauptrolle keineswegs verstecken muss:
Die Ähnlichkeit zur Mutter ist unverkennbar - nicht nur was das Mundwerk anbetrifft. Selbständig und unerschrocken wie diese führt die 24jährige ihre eigenen Geschäfte: Sie ist im Weinhandel tätig, wie ihr Gatte Arndt, mit dem sie (seit dem Unglückstod ihres Erstgeborenens) kinderlos seit fünf Jahren verheiratet ist und der den größten Teil des Jahres auf Reisen weilt.
Ihm gegenüber ist sie keineswegs duldsam, wie sich das für ein braves Eheweib ziemt, sondern - zumindest im Hinblick auf den geschäftlichen Aspekt ihrer Beziehung - sehr rigoros und eigenwillig.

Dieses Durchsetzungsvermögen braucht sie aber nicht nur, um ihr und sein Geld zusammenzuhalten, sondern auch im täglichen Leben: Gehören doch dem Haushalt nicht nur die diversen Dienstboten, sowie der ledige Schwager, ein Cousin und diverse wechselnde Hausgäste an, sondern auch fünf Teenager der näheren Verwandt- und Bekanntschaft, die es anzuleiten gilt.
Eine schöne Sitte dies, junge Menschen in der Pubertät in eine Fremdfamilie zu geben, die so manchen Eltern und Kindern heutzutage einige Schwierigkeiten ersparen würde ...
Mit denen sich dann in mittelalterlichen Zeiten allerdings die temporären "Pflegeeltern" herumschlagen durften.

Ein spannendes, weil konfliktreiches und "buntes" Setting also - und ganz anders als die Gemeinschaft der Beginen, die den Hintergrund der Almut-Geschichten bildeten. Was noch einmal unterstreicht, dass es Autorin Schacht gelungen ist, den Charme der vergangenen Reihe beizubehalten, ohne von sich selbst abzukupfern.

Was sich auch in den Nebenfiguren zeigt:
Statt Aziza, der "maurischen Hure" (die weder das eine noch das andere war) belebt ihre schöne, aber sehr viel durchgeistigtere Tochter Leocadie das Bild. Und nicht länger Rigmundis, die Seherin, sondern Gislindis, die Tochter des Messerschleifers spricht rätselhafte Worte, die sich nur allzu oft als verbrämte Wahrheit herausstellen ...
Einige liebgewordene Figuren jedoch durften bleiben: Der frühere Päckelchesträger Pitter etwa, der nun eine Badestube führt und Lodewig, der es vom Novizen zum Abt gebracht hat.

Zusammen mit diesen ganz unterschiedlichen Helfern (und auch Gegenspielern) muss Alyss in ihrem ersten "Fall" großes Unheil vom eigenen Haus abwenden, als nicht nur ihr eigener Schwager unter schrecklichen Umständen zu Tode kommt, sondern die unmittelbar (und mittelbar) Tatverdächtigen ebenfalls, so scheint es, aus ihrem ganz engen Umfeld stammen.

Gut, dass die junge Frau da auf den Einfallsreichtum und die Unerschrockenheit zurückgreifen kann, die schon ihre Mutter auszeichneten.

Zunächst fast verwirrend ob der vielen Personen (wie gut, dass ein Blick auf das ausführliche Verzeichnis am Anfang immer wieder Klarheit bringt, wer zu wem in welchem Verhältnis steht) beweist der neue Roman von Andrea Schacht, dass auch geübte Krimileser immer wieder Überraschungen erleben können und nicht zwangsläufig nach den ersten 50 Seiten den Schuldigen ausgemacht haben.

Das Ende ist zunächst ausgesprochen dramatisch (es gibt einen Zweikampf auf Leben und Tod, bei dem nicht wenig Blut fließt), gleichzeitig aber sehr verheißungsvoll, ist doch so manches Geheimnis noch ungelüftet, so manche Entwicklung nur angedeutet.

Wird Marian, Alyss Zwillingsbruder, den Beruf ergreifen und ausüben können, den er sich so von Herzen wünscht?
Kann Alyss kaufmännisches Geschick ihr eigenes Unternehmen zu neuer Blüte bringen?
Und schließlich: Wird John of Lynne dem mit straffer Hand geführten Haushalt der van Doornes verbunden bleiben (können)?

Wir werden es (hoffentlich) bald erfahren ... Gerüchten zufolge ist Andrea Schacht mit "Alyss" und ihren Freunden noch lange nicht durch ...

Miss Sophie