Das Buch direkt bei Amazon bestellen Andrea Schacht
Das Spiel des Sängers

Blanvalet gebunden
ISBN 978-3-7645-0348-2

Burg Langel im ausgehenden Mittelalter.
Seit dem gewaltsamen Tod des Burgherrn Eberhard ist die Lehensnachfolge ungeklärt. Ritter Ulrich von der Arken will die Burg nun neu vergeben. Eine erlauchte Gesellschaft findet sich ein; ein jeder der Gäste erhebt Anspruch auf das Lehen.
Bis man sich einig wird, soll Minnesänger Hardo Lautenschläger des Abends mit seinen Künsten für Unterhaltung sorgen.
Niemand ahnt, welches Geheimnis Hardo mit Burg Langel verbindet - und mit der holden, aber spitzzüngigen Engelin van Dyke, die an Hardos abendlichen Gesängen so gar keinen Gefallen zu finden scheint ...

Rezension:
"Heilige Apollonia von den Zahnschmerzen!"
möchte der versierte Schacht-Fan ausrufen, angesichts der Tatsache, dass der Protagonist dieses im Mittelalter angesiedelten Romans ein - Mann ist!
Denn es sind ja gerade die starken, wortgewaltigen, unangepassten Frauen, denen die Autorin normalerweise eine gar treffliche Stimme verleiht.

Doch schnell wird klar, dass Meister Hardos Perspektive nicht die einzige bleibt: Auch sein Knappe Ismael, ein bildschöner 17jähriger, der - wie sein Meister - die Herzen der Damen gleich reihenweise bricht, sowie Kaufmannstochter Engelin kommen zu Wort, um die Dinge aus ihrer Sicht zu schildern.

Und zu erzählen gibt es einiges!
Denn gleich zu Beginn lassen zahlreiche Andeutungen den Leser wissen, dass es diverse Verbindungen zwischen sämtlichen Gästen der Burg gibt, auf die der Lautenschläger geladen ist, seine Kunst zu zeigen, während es bei all den anderen um eine große Erbschaft und mögliche Eheschließungen geht.

Mehr als 600 spannungsgeladene Seiten lang dient vordringlich die Burg als Kulisse für Intrigen, Ränkespiele, Mord, aber auch aufkeimende Freundschaft und unerwartete Solidarität.

Meisterlich wie Schacht in diesem Kammerspiel die Spannung hält, während sich die vielen Stränge der Vergangenheit zu einem festen logischen Band verknüpfen.
Im Zentrum Hardo, der - erst verklausuliert, dann klar und deutlich - sein wechselvolles Leben schildert: Als Jüngling von zu Hause geflüchtet, danach erst als Diener, darauf bei einer Räuberbande untergekommen, bis er zum geachteten Spielmann wurde.
Auf all diesen Wegen begegneten ihm nach und nach Menschen, die alle ihr ganz eigenes Päckchen zu tragen und etwas zu verbergen hatten. Und genau diese Männer und Frauen trifft er nun wieder.

Krieger und Gelehrte, fromme und scheinheilige Kirchenmänner und -frauen, sittsame Jungfern und schamlose Luder - manchmal ist nicht klar, wer welche Rolle ausfüllt, wer mit wem verwandt ist, wer in der Vergangenheit Schuld auf sich geladen hat.
Zum großen Vergnügen des Lesers darf er dann seine eigenen Schlüsse ziehen - etwa über die dunkle Seite des Ulrich von der Arken, bestellt um festzulegen, wem nun die Burg und die Ländereien zugesprochen werden sollen.
Oder über die möglichen Verfehlungen des zwielichtigen und brutalen Pächters Cuntz.

Mehr als einmal geraten die Hauptpersonen in große Gefahr und entkommen nur in letzter Sekunde dem fast sicheren Tod. Und wiewohl der Leser natürlich WEISS, dass Hardo letztendlich einen Weg aus dem dunklen Gelass finden wird, gelingt es der Autorin, mit ihren eindringlichen Schilderungen und unheilvollen Andeutungen den Pulsschlag der Fans in die Höhe zu treiben.

Das Sahnehäubchen wie in allen Romanen Schachts sind natürlich die Wortgefechte zwischen der kratzbürstigen Jungfer und dem Spielmann, zwischen denen dennoch (oder gerade deswegen?) eine latente Sympathie zu spüren ist.

Brillant geschrieben, trotz der vielen Handlungsstränge stringent und spannend bis zum Schluss ist "Das Spiel des Sängers" einer jener Titel, durch die der Leser hastig eilt, um ja schnell zu erfahren, wie denn nun alles zusammenhängt bevor er ihn am Ende mit Bedauern aus der Hand legt, weil die Geschichte "schon" aus ist.

Miss Sophie