Nicole Drawer

ist Hauptkommissarin beim Landeskriminalamt in Hamburg.
Sie hat als verdeckte Ermittlerin beim Staatsschutz gearbeitet. Da sie fließend Türkisch und Arabisch spricht, wurde sie besonders mit Fällen betraut, die unter dem Oberbegriff „Nahostkonflikt“ zu fassen sind.
Später studierte sie dann Kriminalistik, Kriminologie und Psychologie und beschäftigte sich hauptsächlich mit psychischen Störungen von Serienmördern.
Heute (2003) ist die Mutter eines Sohnes (geboren 1995) halbtags im Bereich Wirtschaftskriminalität tätig.

Nachfolgend eine ausführliche Vita aus der Feder der Autorin selbst - entnommen mit freundlicher Genehmigung des Knaur Verlag der "Presseinfo Taschenbuch Juli/August 2003":

Für mich gibt es drei Arten von Frauen.
Da sind zunächst einmal die ganz normalen Frauen, die tagtäglich einen Spagat zwischen Familie, Haushalt und Beruf bewältigen müssen. Sie sehen stets hinreißend aus, scheinen eine unerschöpfliche Energie zu haben und regeln charmant Tag für Tag den ganz normalen Wahnsinn.
Eine zweite Gruppe stellen für mich die Ehefrauen der Polizisten dar. Sie gleichen im Grunde den normalen Frauen, nur dass sie während des Spagats noch ein Tablett mit vollen Gläsern auf der Nasenspitze balancieren. Sie halten ihren Ehemännern den Rücken frei, schärfen ihren Kindern ein, dass mit Papas Dienstwaffe keine schulischen Probleme zu lösen sind und verleugnen ihre Männer am Telefon, wenn deren Chef sie mal wieder zu außerplanmäßigen Diensten rufen will.
Und dann gibt es noch die Polizistinnen. Zu dieser Art Frauen gehöre ich. Wir haben von allem ein bisschen, ohne irgendetwas tatsächlich zu beherrschen. Wir managen unser Leben zwischen Lippenstift und Schlagstock und nach einem Nachtdienst sehen wir alles andere als hinreißend aus.
Die Entscheidung, zur Polizei zu gehen, traf ich etwa im Alter von zehn Jahren. Ich übersprang die Bandbreite kindlicher Berufswünsche von Ballerina bis Schornsteinfeger - und steuerte direkt auf mein Ziel zu. Zuerst von den Erwachsenen noch gütig belächelt, wurde später alles unternommen, um mich doch noch zu einem »vernünftigen« Beruf zu bringen. Aber alles Zetern, Betteln und Bitten half nichts und so trat ich 1984 in die Fußstapfen meines Urgroßvaters, der noch die Pickelhaube getragen hat, und wurde mit vielen anderen jungen Menschen im Hamburger Rathaus vereidigt
. Von den älteren Kollegen wird man als Frau bei der Polizei wohlwollend belächelt, von den jüngeren eher abgelehnt. In der traditionellen Männerbastion werden Frauen meist als Teil eines sexuellen Selbstbedienungsladens betrachtet. Es gibt also genau zwei Möglichkeiten: Entweder man resigniert und kehrt heulend und zähneklappernd ins zivile Leben zurück oder man hält durch.
Ich entschied mich für Letzteres. Mit einem lockeren Mundwerk und einer harten »Rechten« verteilte ich nicht nur moralische Ohrfeigen – wodurch ich mir mit der Zeit den nötigen Respekt verschaffte.
Ich lernte meinen Beruf von der Pike auf – und bin noch heute stolz darauf. 1989 ging ich in das neu gegründete Landeskriminalamt, wo ich mich beim Staatsschutz mit dem politischen Bereich der Straftaten beschäftigte. Meine Aufgabe erforderte, dass ich sowohl die türkische als auch die arabische Sprache erlernte. Als Perfektionistin beschäftigte ich mich aber nicht nur mit der Sprache, sondern auch mit den Menschen des jeweiligen Sprachraums. So reiste ich in arabische Länder, und stapfte, statt mit einem kühlen Drink an irgendeinem Pool auf Mallorca zu sitzen, verschleiert durch die Wüste. Noch heute habe ich höchsten Respekt vor dem Islam.
Seit der Geburt meines Sohnes 1995 hole ich natürlich die verpassten Poolfreuden nach. Aber nicht nur die Wahl meiner Urlaubsorte änderte sich durch dieses Ereignis. Ich ließ meine Haare etwas kürzer schneiden, legte ein paar Kilo zu und tauschte meine Pumps gegen flache Treter, die es mir erlaubten, unfallfrei einen Kinderwagen zu schieben. Ich entwickelte sogar hausfrauliche Qualitäten, die mir vorher aus Bequemlichkeit versagt blieben.
Heute bin ich in der Lage, eine Waschmaschine zu reparieren und widme mich mit Begeisterung der türkischen Küche. Zu meinen Interessen zählte schon immer Sport. Früher konzentrierten sich meine sportlichen Aktivitäten auf Handball, Judo und Leichtathletik. Heute begeistere ich mich vor allem für Kung Fu – sofern es meine Zeit zulässt.
Eine weitere Leidenschaft ist das Schreiben. Schon in der Schule verfasste ich seitenlange Aufsätze. Heute verarbeite ich beim Schreiben vor allem Erlebtes. Das Schreiben hat für mich eine »Ventilfunktion« - zum einen kann ich auf diese Weise elegant mit so manchem Vorgesetzten abrechnen, zum anderen kann ich mich dabei richtig entspannen. Gut abschalten kann ich auch beim Heimwerken. Wenn ich nicht einmal im Jahr irgendetwas an meiner Wohnung ändern kann, bekomme ich Entzugserscheinungen. Das geht schon mal über das obligatorische Streichen des Wohnzimmers hinaus und endet beim Umbau mehrerer Zimmer. Erst kürzlich habe ich mir einen Kindheitstraum erfüllt und ein Hochbett gebaut.
Aber trotz allem bleibt mein Beruf meine große Leidenschaft, auch wenn ich - um für meinen Sohn da zu sein - nur noch halbtags arbeite. Heute bin ich im Bereich Wirtschaftskriminalität tätig. Ich spüre Schwarzgelder auf und jage unterschlagenen Millionen hinterher. Diese Arbeit erlaubt es mir, meine Wochenenden mit meinem Sohn zu verbringen. Und mit meinen Büchern.

Allein mit deinem Mörder

(Foto: Helmut Henkensiefken)