Das Buch direkt bei Amazon bestellen Maj Sjöwall Per Wahlöö
Die Tote im Götakanal

(1. Band)
Original: Roseanna"
rororo TB
ISBN 3-499-42139-9

Ohne den Bagger wäre die Tote nicht gefunden worden.
Ohne den Amerikaner wäre sie nicht identifiziert worden.
Ohne ihr Vorleben wäre die Spur nicht entdeckt worden.
Ohne den Trick wäre die Fährte schon kalt gewesen.

Sie hatte höchstens drei oder vier Tage im Schlamm des Schleusenbeckens gelegen; man konnte noch gut erkennen, daß sie dunkelhaarig und hübsch gewesen war. Über letzteren Punkt gab es auch deshalb keine Zweifel, weil sie nackt in der Baggerschaufel lag.
Nackte tragen keine Papiere bei sich. Niemand kennt die Tote, niemand vermißt sie. Ihr Bild erscheint in der Presse, im Fernsehen - niemand meldet sich. Die Obduktion ergibt, daß sie vergewaltigt und erwürgt wurde - vermutlich in dieser Reihenfolge. Schweden hat eine Sensation.
Aber davon haben die Kriminalbeamten Beck und Ahlberg noch keinen Mörder. Sie haben keinen Hinweis, keinen Verdachtsmoment, keine Spur - sie haben nicht einmal den Namen der Toten aus dem Götakanal.
Den liefern dann nach einigen Wochen die Kollegen aus Lincoln im US-Staat Nebraska: Roseanna McGraw ist nicht von ihrem Europatrip zurückgekehrt; Anfragen gehen an die Behörden der in Frage kommenden Länder. Der Polizeiapparat beginnt zu arbeiten. Ja, die Tote ist Roseanna.
Aber der Name hilft auch nicht weiter. Warum mußte Roseanna sterben? Wer ist ihr Mörder? Wo hat er die Tat vollbracht? Fragen über Fragen; Polizeiroutine allein liefert hier keine Antworten.
Da hat Martin Beck eine Idee: Er beschließt, sich von der Toten zu ihrem unbekannten Mörder führen zu lassen.

Rezension:
Im ersten der zehn gemeinsamen Romane wird auf das heutzutage sogenannte Täterprofil nicht allzuviel an Konzentration gelegt. Er dient viel eher zur Vorstellung der Hauptfigur Martin Beck, der hier noch Kriminalassistent ist. Dieser Kriminalassistent zeichnet sich durch seine Hartnäckigkeit und sein stilles Grübeln aus, hat also gewisse Ähnlichkeiten mit Simenons Maigret. Sein privater Hintergrund allerdings ist unglücklicher und Stockholm, die Stadt, in der er arbeitet, wirkt im Gegensatz zu Simenons sympathischem Paris unliebenswert, kalt und abweisend.
Der Roman schafft es spielend, das zähe und unbewegliche Gefühl des "Nichtweiterkommens", das Martin Beck bei diesem Fall gefangen hält, auf den Leser zu übertragen; selbst das ernüchternde Gefühl am Ende des Falles, trotz Aufklärung nichts Weltbewegendes zustande gebracht zu haben, erreicht einen nachhaltig und hinterläßt einen bitteren Nachgeschmack.

Erika Drake