Das Buch direkt bei Amazon bestellen Maj Sjöwall Per Wahlöö
Und die Großen läßt man laufen

(6. Band)
Original: Polis, polis, potatismos!
rororo TB
ISBN 3-499-42264-6

Und außerdem sei alles so schnell gegangen, sagen die Zeugen, die den Mord miterlebt haben....
Großen Hoffnungen, den Fall schnell zu lösen, gibt sich Martin Beck nicht hin. Er läßt Material über den Toten zusammentragen. Dabei stößt man auf die überraschende Tatsache, daß die Regierung nicht glücklich ist, über die Richtung, in welche die Ermittlungen laufen.

Viktor Palmgren ist tot.
Der Konzernchef hat in Malmö mit einigen Geschäftsfreunden im Hotel Savoy zu Abend gegessen und sich gerade zu einer Tischrede erhoben, als ein Mann in den Speisesaal tritt, auf den Tisch Palmgrens zugeht, einen Revolver zieht, schießt und den Raum ohne sonderliche Hast durch ein offenes Fenster wieder verläßt. Bis sich die Anwesenden endlich aus ihrer Erstarrung gelöst haben, ist der Mörder längst verschwunden.
Die Kriminalpolizei von Malmö und bald auch der hinzugezogene Kommissar Martin Beck von Riksmordkommissionen in Stockholm können zunächst nichts anderes tun, als die Zeugen zu vernehmen - keiner von ihnen hat den Mörder gekannt, keiner kann ihn genau beschreiben - und Material über die Person Palmgrens zusammentragen.
Dabei kommt allerdings Überraschendes zutage. Palmgren hatte sich nicht nur mit Heringsfang und -verkauf, Immobilienhandel und dem Bau von Wohnblocks beschäftigt, sondern sehr viel lukrativere Geschäfte im Ausland, vorzugsweise den portugiesischen Kolonien getätigt: Geschäfte mit Waffen.
Illegale Geschäfte?
Nun, Geschäfte, die offenbar nicht ganz ohne Wissen hoher und höchster Stellen abgewickelt werden können, was sich mit der offiziellen schwedischen Außenpolitik schwer in Einklang bringen läßt. Eine peinliche Angelegenheit, wie der Chef der Rikspolis Martin Beck gegenüber betreten zugibt. Eine Angelegenheit, die diskret behandelt werden muß.
Martin Beck, der ohnehin keinen Hinweis auf ein Tatmotiv hat, muß nun auch die Möglichkeit eines politischen Attentats in seine Überlegungen einbeziehen. Aber das hilft ihm auch nicht weiter.
Und dann kommt doch ein Hinweis. Der entscheidende Hinweis. Er kommt ausgerechnet vom Fundbüro.

Rezension:
Und wieder schafft es das Autorenpärchen, das Gefühl der "Unbegreifbarkeit" der Tat, das die ermittelnden Kommissare fast von Anfang an befallen hat, auch zur nachhaltigen Emotion des Lesers werden zu lassen; diesmal allerdings in aller Mehrdeutigkeit des Wortes.
Denn am Ende hat man das Gefühl, dass nicht nur die Tat Ratlosigkeit erzeugt, sondern der Umgang mit einem Staats- und Wirtschaftssystem, das aus einem harmlosen und nicht sehr mit Geistesgaben beschenkten, aber integren Arbeiter einen Mörder ohne schlechtes Gewissen werden lässt.
Wieder einmal ist der Täter eigentlich ein Opfer.
Und so lassen Wahlöö und Sjöwall auch hier nicht lange auf Seitenweise Kritik an Polizeiwesen, Wohnungsbau, dem Grosstadtleben und seiner Gewaltbereitschaft warten, in gewohnt ironischer Schreibweise.
Niemanden wundert es, dass die an dem Fall arbeitenden Personen ein Maß an Mitgefühl dem Täter gegenüber zeigen, das sie dem Opfer, einem Industriemagnaten, nicht entgegen bringen.
Erwähnenswert bleibt noch die Einführung eines neuen Vorgesetzten für den leitenden Kommissar Martin Beck, welcher, aus der Politik stammend und deshalb keine Ahnung von praktischer Polizeiarbeit habend, ein neues Opfer jenes zynischen Humors und der Häme des Lesers darstellt, wie schon die beiden Streifenpolizisten Kristiansson und Kvant.

Erika Drake