Das Buch direkt bei Amazon bestellen Maj Sjöwall Per Wahlöö
Verschlossen und verriegelt

(8. Band)
Original: Det slutna rummet
rororo TB
ISBN 3-499-42345-6

Tod durch Selbstmord lautet der gerichtsmedizinische Befund. Unmittelbarer Exitus durch Herzschuß. Nur ist bei dem Toten keine Waffe gefunden worden. Das sagen die Beamten übereinstimmend aus, die sich gewaltsam Zutritt zu der verschlossenen Wohnung verschafft haben. Doch wie hätte ein Mörder sie verlassen sollen? Denn es besteht kein Zweifel daran, daß von innen überall Riegel vorgelegen haben - an Fenstern wie Türen.

Laut Obduktionsbefund hat der Tote etwas sechs bis acht Wochen in seiner Wohnung gelegen, bis er sich geruchlich bemerkbar gemacht hat und die Hausbewohner die Polizei geholt haben. Und dann hat es noch weitere vierzehn Tage gedauert, bis die Akte Svärd bei Kommissar Martin Beck landete.
Man will Martin Beck nicht gleich überlasten. Er ist nach seiner schweren Schußverletzung und anschließender fünfzehnmonatiger Rekonvaleszentenzeit zum erstenmal wieder im Büro. Der Fall Svärd, der eigentlich gar kein "Fall" ist, kann vom Schreibtisch aus bearbeitet werden. Für die Akten, sozusagen der Ordnung halber, soll nur festgestellt werden, wann der Frührentner Karl Edwin Svärd seinem Leben ein Ende bereitet hat, indem er sich eine Kugel durchs Herz jagte. Das Warum interessiert die Polizei nicht.
Während sich seine Kollegen, die momentan dem Sonderdezernat unter der Leitung von "Bulldozer" Olsson zugeteilt sind, mit einer Serie von raffinierten Banküberfällen beschäftigen, macht sich Martin Beck lustlos an die Arbeit. Lustlos, weil er fünfzehn Monate lang Zeit gehabt hat, über sein eigenes Leben, seine Arbeit und den Sinn beziehungsweise Un-Sinn des schwedischen Polizeiapparates nachzudenken; lustlos, weil er, wo er geht und steht, über Fehler, Nachlässigkeit und allgemeine Untüchtigkeit der Beamten stolpert. So hat zum Beispiel der Konstapel, der die von innen verriegelte Wohnung des Toten hatte aufbrechen lassen, später bei der Aufstellung sämtlicher in der Wohnung vorgefundener Gegenstände vergessen zu erwähnen, um welche Art Waffe es sich gehandelt hat, mit der der Mann sich erschossen hat.
Auf seine Unterlassung aufmerksam gemacht, bleibt der Konstapel aber dabei, daß sich keine Pistole in der Wohnung befunden habe. Auch die anderen Zeugen wollen keine Waffe bemerkt haben.
Martin Beck muß sich also mit dem Gedanken vertraut machen, daß eine Selbstmörder nach einer absolut tödlichen Schußverletzung noch Gelegenheit gefunden hat, die Waffe zu beseitigen, oder ein Mörder sich in Luft aufgelöst beziehungsweise es fertiggebracht hat, eine von innen verschlossene und verriegelte Wohnung zu verlassen. Das Mißgeschick einer Hausfrau ist es schließlich, das Martin Beck auf die Lösung des Rätsels bringt.

Rezension:
In diesem Band haben Wahlöö/Sjöwall ihre Sozialkritik zugunsten einer "ausgleichenden Gerechtigkeit" im Laufe der Geschichte etwas zurückgeschraubt:
Eine arbeitslose, alleinerziehende Mutter begeht aus finanzieller Verzweiflung einen Bankraub, entkommt unerkannt der Justiz und kann von nun an mit ihrer Tochter in Italien ein sorgenfreies Leben führen; ein Mörder wird zwar gefaßt und verurteilt, aber wegen des oben genannten Bankraubes, an dem er völlig unschuldig ist, und nicht wegen seiner eigentlichen Tat; Martin Beck verliebt sich und findet somit aus seinen Depressionen, dafür bekommt er aber die befürchtete und eigentlich verdiente Beförderung zu einem Schreibtischjob nicht, weil er den angeblichen Bankräuber des Bankraubes für unschuldig, aber des Mordes in dem verriegelten Raum für schuldig hält (womit er ja zweifelsfrei Recht hat!); die schon lange gesuchten professionellen Bankräuber, publikumstechnisch äußerst sympathisch angelegt, da genial aber gewaltfrei, erweisen sich zur allgemeinen Erheiterung als cleverer als Polizeiapparat und Staatsanwaltschaft zusammen und verbringen ebenfalls nach allerletztem Coup ihren verdienten Ruhestand auf einer südlichen Insel.
Ein wirklicher Knüller aber ist die fünfseitige (!) Beschreibung der polizeilichen Erstürmung einer völlig leeren Wohnung, als deren Endergebnis es 5 verletzte Polizisten und einen angeschossenen Polizeihund gibt, deren Lektüre einem selbst zum wiederholten Male noch die Lachtränen in die Augen treibt!
Alles in allem ist dies der wohl amüsanteste der zehn Bände und man kann ihn leise lächelnd schließen.

Erika Drake