Das Buch direkt bei Amazon bestellen Hans-Joachim Kann
Der dritte Arm von rechts

éditions trèves TB
ISBN 3-88081-189-X

In einer deutschen Universitätsstadt: Guterhaltene Überbleibsel ihres römischen Ursprungs sind im Straßenbild allgegenwärtig, täglich kommen neue Funde hinzu.
Der Germanistikstudient Mike Horridge schwänzt die Uni, um als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle Geld für eine Europa-Rundreise zu verdienen. Er findet zufällig einen Schädel, den er heimlich mit nach Hause nimmt. Sein One-Night-Stand stellt sich als Studentin der Zahnmedizin heraus, die mit großem Vergnügen eine Diagnose des Schädels und seiner Zähne stellt: er ist mittelalterlich und sein Besitzer recht wohlhabend gewesen - denn er hatte Karies.
Mike interessiert sich nun intensiv für die Geschichte des Bauplatzes. Seine Freunde - unter ihnen Hobbyarchäologen, Raubgräber und Universitätsdozentinnen - helfen ihm anhand weiterer Funde, den Toten zu identifizieren.
Das Quellenstudium bringt ziemliche Ungereimtheiten ans Licht. Es deutet alles auf einen Mord hin...

Rezension:
Der Autor dieses Buches ist Literaturdozent und Archäologe, er sammelt Streichholzschachteln und wäre wohl gern ein wenig erfolgreicher bei den Frauen.
So wie die schönen Amis, die mit ihrem Akzent schwuppdiwupp andauernd eine andere Frau ins Bett kriegen. Diese müssen nicht schön sein und eigentlich auch nichts mit dem Fortgang der Geschichte zu tun haben, aber nett ist es doch für die Hauptperson dieses Kriminalromans, dem alter ego des Autors, einem Amerikaner jüdischer Herkunft, dessen Name von Kapitel zu Kapitel wechselt, weil Mike nämlich auf Recherche ist.
Denn er achtet in alter Tradition die Gebeine seiner gläubigen Vorfahren. Merkwürdig nur, dass er während des Beischlafs eine Kerze in den mittelalterlichen Schädel eines jüdischen Arztes stellt.
Naja, zur Entschuldigung soll gelten, dass Mike in diesem Moment noch nicht wusste, wessen Schädel er da gefunden hatte. Obwohl er es eigentlich doch schon gewusst haben müsste.
Oder wann steigt er eigentlich so richtig in diese Geschichte ein? Manches bleibt ein wenig verworren, eingerseits folgt man Mike auf Schritt und Tritt, andererseits scheint der uns inzwischen schon lieb gewordene Mike beim Showdown der letzten Kapitel jemand anderer zu sein, als man bisher den Eindruck gewonnen hat.
Und - oh nein - eine seiner helfenden Gespielinnen - ohne all die er den hier zu klärenden Fall nie und nimmer auch nur im Ansatz hätte lösen können - bei der Polizei ist. Zum Glück ist Mike aber doch irgendwie in den Augen der Frauen ein ganz Süßer und eigentlich hat er mit seiner Sicht der Vergangenheit ja auch Recht und außerdem hat ein Deutscher vor jüdischen Traditionen - hoffentlich! - Respekt.
Der Autor hat über vierhundert wissenschaftliche Arbeiten verfaßt und wollte die Spannung, die die alte Geschichte, die die Archäologie in ihm erweckt, in einem Roman verarbeiten - gespickt mit dann und wann etwas action und dann und wann - im Zusammenhang mit Frauen - einem lieblich-literarischen Wort - und so an seine Mitbürger weitergeben.
Ob das für diese ebenfalls so spannend ist, mag der Leser selber herausfinden. Er wird merken, dass historisch oder wissenschaftlich zu arbeiten manchmal puzzeliger und detektivischer ist, als jede Detektivarbeit. Schließlich muß man Quellen erschließen, lesen und bewerten - und diese Quellen zu allererst einmal finden.
Wer - im richtigen Leben - Geduld und eine Spürnase und historisches Wissen mitbringt oder - im Romanleben - eine Menge kluger Frauen mit ebendiesen guten Eigenschaften kennt - der findet auch heraus, wem der Schädel gehört, den man auf einer Baustelle gefunden hat, und dazu noch, was für eine Geschichte dahinter steckt.
In diesem Kriminalroman, für den man übrigens nicht historisch-wissenschaftlich vorgebildet sein muß, steckt allerhand Information zu Dingen, die um einen herum geschehen, von denen man bisher noch nicht so viel mitbekommen hat.
Man erfährt von Bauarbeitern, deren Nebenverdienst höher ist, als der offizielle Lohn. Die Kämpfe mit Baustellenfahrzeugen um gefundene Reliquien längst vergangener Zeiten ausfechten, die ihre Funde für gutes Geld an Museen - naja, eher an Antiquitätenläden oder im Ausland zahlungskräftige Kunden wissende Spezis - verkaufen.
Man erfährt von mit Begeisterung an historischem Wissen arbeitenden Universitätsassistenten und -dozenten, die mit wahrem Spürsinn (der ihnen übrigens nicht angemerkt wird, da sie anscheinend die Texte ganzer Archive in ihren Köpfen gespeichert haben) das Leben vergangener Zeiten rekonstruieren.
Man erfährt von der heute vergessenen Geschichte von Deutschen jüdischen Glaubens, die unglaublich weit in die Vergangenheit reicht und deren Spuren, anders als die römischen in so mancher westlichen deutschen Stadt versteckt sind und noch kaum der Vergangenheit entrissen.

Iris Groschek