Andrea Camilleri
Christiane von Bechtolsheim
Die Stimme der Violine
Original: La Voce del Violino
Schöne Frauen machen das Leben eines Sizilianers erst interessant. Das kann Commissario Montalbano nur bestätigen, denn es sind gleich drei junge Damen, die ihm zur Zeit den Schlaf rauben.
Rezension:
Miss Sophie
Name: was?
einfach genial
aus dem Italienischen von Christiane von Bechtolsheim
(4. Band)
editionLübbe gebunden
ISBN 3-7857-1518-8
Da ist zunächst Michela, die junge Arztgattin, die in ihrer Villa ermordet aufgefunden wird und hinter deren Tod sich etwas ganz anderes verbirgt, als allgemein vermutet.
Die zweite ist Anna, Michelas Freundin, die Montalbano bei den Ermittlungen zur Seite steht und sein Herz höher schlagen läßt, als gut für ihn ist.
Denn schließlich gibt es Livia, die dritte im Bunde, die Frau, die er liebt, die jedoch unangenehmerweise etwas von ihm fordert, das er ihr in einem schwachen Moment versprochen hat - die Ehe.
Bei all der aufregenden Weiblichkeit fällt es dem Commissario nicht leicht, einen klaren Kopf zu behalten, denn immerhin gilt es, das brutale Verbrechen an der schönen Michela aufzuklären, sich nicht von offensichtlich eindeutigen Beweisen täuschen und von allzu selbstsicheren Vorgesetzten einschüchtern zu lassen.
Doch daß ihn ausgerechnet eine Violine auf die richtige Spur bringt, hätte Montalbano selbst nicht gedacht - schließlich ist er hoffnungslos unmusikalisch.
Was ist das für ein Polizeibeamter, der innerhalb der ersten zehn Minuten der Geschichte nachts wie ein Dieb und zwar direkt mit dem passenden Werkzeug in ein Haus einsteigt und einen rechtswidrigen Leichenfund durch einen genialen, aber ebenso illegalen Schachzug in eine normale Auffindung verwandelt?
Ein allzu menschlicher Bursche, möchte man meinen, der sich den Verwicklungen im Privatleben auch gern durch Flucht entzieht (oder dadurch, dass er das Telefon aussteckt).
Einer, der es bei Bedarf mit den offiziellen Ermittlungswegen nicht allzu genau nimmt und sich der Medien bedient, statt sich von ihnen instrumentalisieren zu lassen. Wodurch der kauzige Polizist in einem Land wie Italien, in dem alles etwas anders läuft als im bürokratischen Deutschland letztendlich seine Arbeit wesentlich effizienter tun kann als die Kollegen.
Wenn Camilleri eines auszeichnet, dann sein scharfer Blick für die Realität, wie sie sich auf der nur einen Katzensprung von Afrika entfernten italienischen Insel darstellt. Nicht zu vergessen, seine nicht minder spitze Zunge, mit der der Autor diese Wirklichkeit karikiert. Und sich gerne mokiert über aufgeblasene Beamte, die im Bewusstsein ihrer eigenen Bedeutung den Blick fürs Wesentliche und auch für die Wahrheit verlieren.
Keiner legt den Finger so pointiert in die Wunde wie Andrea Camilleri, in dessen Büchern ohne falsche Scham gelebt, gelitten und geliebt wird.
Aber keiner macht dabei auch mehr Lust auf eine spontane Reise in den Süden - und liefert zwischen zwei Buchdeckeln einen mehr als akzeptablen Ersatz, falls dieses Projekt aus Budget- oder anderen Gründen erst mal nach hinten verschoben werden muss ...
Email:
Datum: 24.11.2002 (11:00)