Das Buch direkt bei Amazon bestellen Michael Crichton Klaus Berr
Timeline - Eine Reise in die Mitte der Zeit

Original: Timeline
Deutsch von Klaus Berr
Blessing gebunden
ISBN 3-89667-113-8

Am idyllischen Fluss Dordogne in Frankreich liegt das Ausgrabungscamp des amerikanischen Geschichtsprofessors Edward Johnston.
Genau hier fand Mitte des 14. Jahrhunderts eine Episode des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich statt, und die vier Ruinen - zwei Festungen, eine Mühle und ein Kloster - sind für Johnston und seine Studenten ein ideales Betätigungsfeld.
Eines Tages kommt Professor Johnston ein unheimlicher Verdacht: Könnte es sein, dass die amerikanische High-Tech-Firma ITC, die sein Forschungsprojekt seit Jahren großzügig unterstützt, eine Zeitmaschine entwickelt hat und damit bereits in die Vergangenheit gereist ist?
Oder wie sonst ist die Genauigkeit eines Aufrissplans des Klosters zu erklären, der ihm aus Amerika in die Hände gespielt wurde?
Wutentbrannt fährt Johnston in die USA.
Nur wenige Tage später erreicht ein erregter Anruf das Camp: Der Professor sei ins Mittelalter gereist, und seine Studenten würden dringend gebeten, ihn von dort zurückzuholen.
Auf den Wissenschaftshistoriker Chris, die Architektin Katherine und den Alltagshistoriker Andre wartet die Begegnung mit einer sensationellen Maschinerie, die die Erfüllung eines uralten Menschheitstraums in greifbare Nähe rückt - und eine Reise zurück in eben die Zeit, an deren Erforschung sie schon seit Jahren arbeiten.
Die Verlockung, sie hautnah zu erleben - und dabei den Professor zu retten - ist größer als jede Angst ...

 

Gastrezension(en):


Name: Michael Drewniok
Email: Drewniok-PB@gmx.de
Datum: 23.10.2001 (23:07)

Der geniale, aber skrupellose Wissenschaftler und Wirtschaftstycoon Robert Doniger hat es geschafft: Er kann Menschen zurück in die Zeit reisen lassen. Er bedient sich dabei der modernsten Erkenntnisse der Quantenphysik, die so kompliziert sind, dass er und sein Team sie zwar anwenden, nicht aber wirklich verstehen können. So ist es kein Wunder, dass der Einsatz der Zeitmaschine bereits einige Opfer gefordert hat. Dank seines Vermögens und seines Einflusses ist es Doniger gelungen, diese Zwischenfälle totzuschweigen. Nun setzt Doniger Edward Johnston, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Yale, von seiner Erfindung in Kenntnis. Johnston arbeitet schon länger für Doninger, der sich als Mäzen der Wissenschaft gefällt, als Leiter einer umfangreichen Ausgrabung. Im Südwesten Frankreichs graben er und ein Reihe weiterer Wissenschaftler und Studenten an den Ufern der Dordogne die mittelalterliche Stadt Castelgard mit ihren beiden Burgen aus. Johnston kann nicht widerstehen: Welcher Historiker hatte bisher die Möglichkeit, echte Feldforschung zu betreiben? Er lässt sich ins Castelgard des Jahres 1357 schicken. Doch etwas geht schief - die Zeitmaschine kehrt ohne den Professor zurück. Doniger wird nervös; allmählich wird man auf ihn und seine Experimente aufmerksam. Das Verschwinden eines weltberühmten Wissenschaftlers könnte er nur schwer erklären. So schlägt er Johnstons Mitarbeiter vor, ihren Mentor aus der Vergangenheit zu retten. Sie lassen sich darauf ein, obwohl sie ahnen, dass Doniger ihnen Einiges verschweigt: Die Zeitmaschine entmaterialisiert ihre Passagiere, um sein am Zielort wieder "zusammenzusetzen". Allerdings gelingt dies nicht immer hundertprozentig ... Das ist zunächst jedoch die geringste Sorge der Retter. Im Jahre 1357 ist der französische Südwesten ein Brennpunkt des Hundertjährigen Krieges mit England. Die Zeitreisenden geraten in die Kämpfe; zwei werden sofort getötet, der Rest muss sein Heil in der Flucht suchen. Eine der Zeitmaschinen kehrt halbzerstört in die Gegenwart zurück, explodiert und zerstört die Empfangsstation: Bis sie wenigstens notdürftig repariert ist, sind die Retter wie Professor Johnston bis auf weiteres in der Vergangenheit gefangen. Sie versuchen, ihren Auftrag dennoch zu erfüllen, stellen dabei aber rasch fest, dass die Realität des Mittelalters sich stark von der Theorie unterscheidet. Der Professor wird gefunden; er nutzt sein Wissen und hat sich als "Magister" eine gewisse Stellung geschaffen. Doch die Situation bleibt heikel: Ein feindliches Heer nähert sich der Stadt, und die Verteidiger sind uneins und untereinander in schwer durchschaubare Machtkämpfe verwickelt. Die Zeitreisenden sind ständig auf der Flucht, ohne dass es ihnen die Umstände erlauben, den Rücksturz in die Gegenwart einzuleiten. Neue Schwierigkeiten treten auf, als sich einer der Ritter ebenfalls als Mensch des 20. Jahrhunderts entpuppt. Die technischen Unzulänglichkeiten der Zeitmaschine haben in einen gefährlichen Psychopathen verwandelt, der den Neuankömmlingen nach dem Leben trachtet. Dennoch gelingt schliesslich in letzter Sekunde die Reise zurück - doch nur für drei Personen, denn einer aus dem Kreis bleibt aus freien Stücken zurück, um sein Leben im Mittelalter zu führen. Den rücksichtslosen Doniger bringen die Heimkehrer in ihre Gewalt; sie sperren ihn in seine Maschine und schicken ihn nach Castelgard - allerdings zu einem Zeitpunkt, als dort gerade die Pest wütet ... Die moderne Science Fiction, das darf man vereinfachend wohl sagen, begann mit einer Zeitreise-Geschichte: H. G. Wells "Die Zeitmaschine". Seit 1895 hat sich ein ganzes Heer mehr oder minder begabter Schriftsteller des faszinierenden Themas angenommen. Dennoch kann man angesichts des flankierenden Presserummels um "Timeline" den Eindruck gewinnen, es sei Michael Crichton, der die literarische Zeitreise just erfunden habe. Dieses Phänomen wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf den Status der Science Fiction in der Literatur: Allen Bemühungen (und allen Gegenbehauptungen) zum Trotz hausen SF-Autoren und SF-Leser noch immer in jenem Ghetto, in dem sie seit Hugo Gernsback selig weitgehend unter sich sind. "Timeline" ist ein Zeitreise-Romane wie tausend andere vor ihm. Er ist gut recherchiert und routiniert erzählt, und es macht Spass, ihn zu lesen, aber vor allem ist er ein Roman von Michael Crichton - und dem ist es gelungen, sich als "normaler" Belletristik-Autor zu etablieren, obwohl er durchaus lupenreine Science Fiction schreibt ("Andromeda - tödlicher Staub aus dem All" oder die beiden "Jurassic Park"-Bücher seien als Beispiele genannt). Das Mittelalter (das soll wohl die "Mitte der Zeit" sein, die der seltsame deutsche Untertitel anspricht) ist ein wunderbarer Hintergrund für eine Geschichte, weil uns diese Zeit heute so fremd ist. Ritter in blitzenden Rüstungen und Burgfrauen in wallenden Gewändern mit spitzen Hüten auf dem Kopf - darin erschöpft sich meist das "Wissen" der meisten Zeitgenossen vom Mittelalter. Selbst der grösste Ignorant sollte jedoch begreifen, wie unwahrscheinlich es ist, dass Menschen jahrhundertelang in dumpfer Unwissenheit und Aberglaube verharrten. Die Grundlagen dessen, was wir "die Moderne" nennen, wurden im Mittelalter gelegt. Crichton stellt dies heraus; in seiner Geschichte träumen Mönche nicht die ganze Zeit davon, "Ketzer" auf den Scheiterhaufen zu zerren, nehmen Burgfrauen ihr Schicksal selbst in die Hand, statt auf Rettung durch starke Männerhand zu warten, und ist Körperhygiene mindestens ebenso bekannt wie heute. Leider macht Crichton nicht viel aus seinem angelesenen Wissen. Seine Geschichte kann an keiner Stelle wirklich überraschen. Sobald die Zeitreisenden im Mittelalter gelandet sind, erschöpft sich die Handlung in einer ellenlangen Verfolgungsjagd. Dazu gibt es viele edle und finstere Ritter, Ränke und Intrigen, Kriegsgetümmel und Schwertergeklirr, düstere Verliese - mit diesen und ähnlichen Attributen arbeitete schon Mark Twain in "Ein Yankee aus Connecticut am Hofe König Arthus'" (1889). Hier scheint (zu) deutlich das Kalkül des routinierten Bestseller-Autors durch: Crichton schreibt einen Roman immer gleich als Vorlage für ein Filmdrehbuch, und im modernen Hollywood-Kino muss eine Geschichte möglichst einfach sein, damit sie die angeblich so dummen Zuschauer auch begreifen. Hier hat es Crichton sich und allen Beteiligten besonders einfach gemacht: "Timeline" verwendet noch einmal das Handlungsgerüst von "Jurassic Park"; zwischen Dinosauriern und Rittern mag für manchen Zeitgenossen ohnehin kein grosser Unterschied bestehen. (Die Vorbereitungen zur Verfilmung von "Timeline" haben bereits begonnen.) "Timeline" profitiert von Crichtons Geschick, komplexe naturwissenschaftliche Themen populär zu vereinfachen und spannend darzustellen. Manchmal hat er aber seine Schwierigkeiten, solche "Vorlesungen" in seine Geschichte zu integrieren. Wahrscheinlich kann nur er es sich, seine Romane mit mehr oder weniger gelehrten Fussnoten zu spicken. In "Timeline" begeht er den Fehler, genau erklären zu wollen, wie seine Zeitmaschine funktioniert. Daran haben sich schon klügere Köpfe und bessere Schriftsteller die Zähne ausgebissen; am Besten ist es wohl, die Maschine einfach in Gang zu setzen und rasch zur eigentlichen Geschichte überzugehen. Crichton meint ein Hintertürchen gefunden zu haben: die moderne Quantenphysik, die auch Unmögliches möglich macht und die - grosser Vorteil! - nicht einmal die Fachleute wirklich verstehen. Er flicht lange ellenlange Abhandlungen zum Thema ein und präsentiert schliesslich stolz seine Lösung: "Was wir entwickelt haben, ist eine Art des Raumreisens. Um genau zu sein, wir verwenden die Quantentechnologie, um eine orthogonale Koordinatentransformation im Multiversum zu erzeugen." (S. 147) Das klingt recht eindrucksvoll, bedeutet tatsächlich überhaupt nichts und ist "Techno- Bubble", wie er in jeder STAR TREK-Episode zu hören ist. Auch echte Nachlässigkeiten lassen sich finden. Donigers Darlegungen, aus welchem Grund es keine Zeitparadoxa geben kann (S. 197/98), sind schlichtweg Unfug. Plump hat sich Crichton auch des Problems entledigt, seine Zeitreisenden mit der Sprache (vielmehr den Sprachen und Dialekten) des 14. Jahrhunderts vertraut zu machen: Er lässt sie im Schlaf ein Band anhören, setzt ihnen miniaturisierte Simultan-Übersetzer ins Ohr, und siehe da - die Verständigung wirft keine Schwierigkeiten auf, solange man daran denkt, in die Unterhaltung mit den Zeitgenossen hier und da ein "fürwahr" oder "mich deucht ..." einzuwerfen. So bleibt unter dem Strich wahrlich kein Meisterwerk, aber - gerade noch - Lesefutter, das ein paar Stunden zu unterhalten weiss.