Das Buch direkt bei Amazon bestellen John Grisham Dirk van Gunsteren
Die Bruderschaft

Original: The Brethren
Deutsch von Dirk van Gunsteren
Heyne gebunden
ISBN 3-453-18593-5

Trumble gilt bei den Häftlingen als Geheimtipp unter den Gefängnissen - vergleichbar eher mit einem Feriencamp als mit einem Knast, sitzen hier vorwiegend Kleinkriminelle, Steuersünder und Wallstreet-Gauner ihre Strafen ab - und die drei Ex-Richter Finn Yarber, Hatlee Beech und Joe Roy Spicer.
Einst erfolgreiche Streitschlichter, treten sie nun in Trumble als "Die Bruderschaft" auf. Die Bibliothek erklären sie zu ihrem Gerichtssaal, wo sie sich wöchentlich gegen Bezahlung der Rechtsangelegenheiten ihrer Mitinsassen annehmen.
Weniger harmlos als ihre wöchentlichen "Richtersprüche" sind allerdings die infamen Erpresserbriefe, die sie gemeinsam verfassen. Über Brieffachadressen, einen abgehalfterten Anwalt als Kurier und ein geheimes Konto, streichen sie somit beträchtliche Summen ein, die ihnen das süße Leben nach ihrer Entlassung garantieren sollen.
Eines Tages geraten sie über den üblichen Kontaktweg in einschlägigen Magazinen allerdings an den falschen Kandidaten - den Bilderbuch-Politiker Aaron Lake, mit dem man höhere Pläne hat, und dessen lupenreines Image auf keinen Fall beschmutzt werden darf.
Von dem Moment an sind die Tage der Bruderschaft gezählt...

Rezension:
Kein Wunder, dass dieser Mann (laut Verlagsangaben) der meistgelesene Autor weltweit ist - kann man sich als Leser doch darauf verlassen, dass, wenn "Grisham" draufsteht, auch alles drin ist, was man von einem "echten Grisham" erwartet: ein spannender Plot mit ungewöhnlichen Wendungen, hier und da eine Prise Humor, etwas Action (mal mehr, mal weniger), kaum Sex, dafür aber mindestens ein feuriges Plädoyer im Gerichtssaal.
Auch der vorliegende Roman bildet da keine Ausnahme - wenngleich die Gerichtsszenen eher schmückendes Beiwerk und längst nicht so brillant sind wie in anderen Büchern des Amerikaners.
Im Gegenzug ist es ihm gelungen, seine Fans mit einem völlig neuen Setting zu überraschen, einem Gefängnis nämlich der ganz anderen Art - wohltuende Abwechslung zu den in anderen Thrillern gern beschriebenen Verwahrungsanstalten mit schikanösen Bestimmungen und sadistischen Wächtern.
Und auch seine Protagonisten sind diesmal weder sympathische, junge Männer noch intelligente, unerschrockene Frauen sondern drei angejahrte Gauner, denen es an Attraktivität ebenso mangelt wie an Gewissen - und die der Leser doch im Verlauf der Handlung zumindest stellenweise in sein Herz schließt. Trotz all ihrer kriminellen Machenschaften möchte er sie ungern in den Fängen des Geheimdienstes sehen und freut sich daher über jedes Schnippchen das sie ihren scheinbar omnipotenten Gegnern schlagen.
Was nun aber vielleicht nach einer heiteren Gaunerposse klingen mag, basiert natürlich auf Sachverhalten, die alles andere als harmlos sind. Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu erpressen, ist mies und in jeder Hinsicht unentschuldbar. Es bleibt die (allerdings eher geringe) Hoffnung, dass dies nur in einem, für seine Prüderie bekannten Land wie Amerika möglich ist.
Noch viel beunruhigender ist allerdings das politische Szenario, das Grisham, ehemals Parlaments-Abgeordneter in Mississippi und somit, möchte man meinen, ein Insider, heraufbeschwört. Detailliert beschreibt er, wie durch den skrupellosen Einsatz von Geld - viel Geld! - und Verbindungen auf allen Ebenen ein politisch kaum beschriebenes Blatt gezielt zum Präsidentschaftskandidaten aufgebaut wird.
Das klingt zunächst einmal auf eine schaurige Weise faszinierend und zugleich unglaublich. Doch sieht man sich dann die Vorgänge auf den politischen Bühnen aller Kontinente an (ein Schelm, der hier etwa an mit schwarzen Parteikassen geführten Wahlkampf denkt), dann befällt den Laien zuweilen doch ein mulmiges Gefühl, was die Integrität und Unabhängigkeit mancher Volksvertreter anbetrifft.
Solche Bedenken dürften einer Verfilmung des Romans jedoch nicht im Wege stehen - zu sehr schreien die plastischen Beschreibungen der Vorgänge rund um das kriminelle Richtertrio und den makellosen Mister Lake danach, auf Zelluloid gebannt zu werden. Und schließlich kann Hollywood sich ja immer noch auf eine "rein fiktive Handlung" berufen ...
Einziges Manko an dem solide konstruierten und durchgehend spannenden Roman ist der Schluss: Kein furioses Finale, an dem die Situation noch einmal komplett auf den Kopf gestellt wird (wie es normalerweise Grishams Spezialität ist), sondern eine Auflösung, die auf den letzten 20 Seiten irgendwie versickert. Fast scheint es, als habe der Autor unter Abgabedruck gestanden und darum seinen Roman zügig zum Ende führen wollen. Ein Ende das aber, das soll betont werden, in Bezug auf Logik und Qualität der Schreibe durchaus mit dem Rest des Buches mithalten kann.
Es begeht also garantiert keinen Fehlkauf, wer sich für den Gegenwert von drei Kinokarten ein zeitlich mindestens ebenso langes (und wiederholbares) Feuerwerk an Unterhaltung und Lesevergnügen zulegt und dabei noch eine Menge über Wahlkampf à la USA lernt ....

Miss Sophie