Victoria Thompson
Mord auf Coney Island
Original: Murder on St. Mark's Place
New York, 1896.
Rezension:
Miss Sophie
(2. Band Sarah Brandt)
Heyne TB
ISBN 3-453-18949-3
Die Hebamme Sarah Brandt wird ins Armenviertel Little Germany gerufen, um einem Kind auf die Welt zu helfen. Dort erfährt sie, dass Gerda, die jüngere Schwester der Schwangeren, ermordet wurde.
Gemeinsam mit Detective Frank Malloy macht Sarah sich auf die Jagd nach dem Mörder.
Die Spur führt von Coney Island zu den feinen Häusern an der Fifth Avenue - aber diesmal scheint es, als müssten die beiden Ermittler ihre Gerechtigkeitsliebe teuer bezahlen.
Oh, oh - Anne Perry, Sie werden sich warm anziehen müssen ...
Denn Victoria Thompson ist fürwahr eine, die weiß, was Leserinnen wünschen - zumal wenn diese Geschichten mögen, die ...
... um die Jahrhundertwende spielen
... eine Heldin haben, die sich für die damalige Zeit höchst unkonventionell verhält und auch riskanten Situationen ganz und gar nicht aus dem Weg geht
... neben einer ordentlichen Portion "Action" auch noch mit deutlich mehr als einem Hauch "Romantik" versehen sind.
Dass der Roman dennoch nicht in einem Meer von Seichtigkeit ertrinkt, verdankt er einerseits den spritzigen Dialogen zwischen den beiden Hauptfiguren, die sich gerne und häufig Kontra geben. Andererseits tragen dazu auch die Milieuschilderungen bei, durch die der Leser Einblick in die alles andere als rosigen, damaligen Zustände und Lebensumstände im New York Anfang des 20. Jahrhunderts gewinnt.
Wie etwa im Fall des deutschen Einwanderermädchens Gerda, das für wenige Dollar die Woche in der Fabrik arbeitet und grauenvoll zugerichtet wird, nur weil es ein wenig Spaß haben wollte im Leben.
Und als sei dies allein nicht bitter genug, klärt Thompson ihre Leserschaft darüber auf, dass die Ermittlungen der Polizeibehörde oft nur durch eine in Aussicht gestellte Belohung seitens der Familie eines Opfers in Gang gesetzt werden. Ganz zu schweigen von dem quasi nicht vorhandenen Austausch der Beamten über ihre aktuellen Fälle - was natürlich die Entdeckung eines Serientäters unendlich erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht.
Aber zum Glück enthält der Roman neben solchen Passagen genug komische und außerordentlich spannende Szenen - etwa die Beschreibung einer Fahrt in der Wildwasser-Achterbahn im Coney Island Vergnügungspark, die dem Leser nicht nur den Puls in die Höhe treibt, sondern ihn, passt er nicht auf, möglicherweise dazu veranlasst, selbst einen lauten Schrei auszustoßen!
Und dann ist da natürlich noch die köstliche Mrs. Elsworth, die alte Nachbarin, die jedes Ereignis (wie etwa den Verlust eines Knopfes oder den Fall einer Gabel) zu deuten weiß, die aber vor allem im entscheidenden Moment mit Rat oder auch Tat zur Stelle ist.
Alles in allem gibt es über diesen Roman nur Gutes zu sagen. Voller Personen, die so lebendig gezeichnet sind, dass sie förmlich aus den Buchseiten herauszusteigen scheinen; einer Handlung, die - obschon in Teilen vorhersehbar - dann doch wieder einen ganz anderen Verlauf als erwartet nimmt und als "Herzstück" des Ganzen diesen beiden: Sarah Brandt, die Hebamme, die immer irgendwie in die Aufklärung eines gruseligen Mordes verwickelt wird und Frank Malloy, der irische Cop mit dem "goldenen Herzen" (von dem er zwar selbst noch nichts weiß, das aber der Leserin natürlich nicht verborgen bleiben kann).
Ein wahrlich unschlagbares Team, von dem wir bitte bald mehr lesen wollen!