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Venezianische Scharade - Commissario Brunettis dritter Fall

(3. Band)
Original: Dressed for Death
Diogenes TB
ISBN 3-257-22990-9

Eigentlich wollte Brunetti ja mit seiner Familie in die Berge fahren, statt den brütendheißen August in Venedig zu verbringen.
Doch dann wird beim Schlachthof vor Mestre die Leiche eines Mannes in Frauenkleidern gefunden.
Ein Transvestit?
Wird Streitigkeiten mit seinen Freiern gehabt haben - so die allgemeine Meinung, auch bei Teilen der Polizei.
Brunetti und lernt bei seinen Ermittlungen, weniger schnell zu urteilen, als es die ach so ehrenwerten Normalbürger.

Rezension:
Der Auftakt, den Autorin Leon für diesen ihren dritten "Brunetti" wählt, ist nicht ohne. Gleich zwei Skandale spielen sich ab, von denen nicht sicher ist, welches wohl der größere sein mag.
Ein toter Mann in Frauenkleidern wird gefunden - mit roten Stöckelschuhen in Übergröße - und gleichzeitig zieht die Frau von Vice-Questore Patta zu Hause aus, um, man höre und staune, von Stund ab mit dem Begründer und Hauptbetreiber von Italiens Pornofilmen zusammenzuleben.
Eine Situation dies, die in jedem anderen Zusammenhang sicherlich pikant, aber auch nicht mehr gewesen wäre. Hier jedoch wirkt alles umso skurriler und grotesker, weil die Leser bereits in den beiden ersten Bänden Gelegenheit hatten, den gehörnten Ehemann als durch und durch unsympathischen, aufgeblasenen und eingebildeten Zeitgenossen kennenzulernen. Ihn eine solche "Schlappe" erleiden zu sehen, inklusive der Drohung seiner Noch-Ehefrau, im nächsten Film ihres neuen Freundes die Hauptrolle zu spielen, das amüsiert nicht nur Brunetti, sondern erfreut auch den Leser in speziellem Maße.
Danach allerdings hält sich der "Spass" bei der Lektüre in Grenzen - wie so oft in den Brunetti-Büchern, in denen Ironie und Idiotie, Schmunzeln und Schmerz, Tragikomik und traurige Wahrheit ganz nahe beeinander liegen.
Der Tote stellt sich als honoriger Bürger heraus, andere hochrangige Personen sind plötzlich in die Geschichte verwickelt, es kommt zu einem tödlichen Unfall, der Brunetti persönlich betrifft, und noch ein paar Figuren müssen ihr Leben lassen, bevor am Ende wieder das eintritt, was so oft in Leons Romanen den bitteren Beigeschmack hineinbringt: Der Sieg von Bürokratie und Hypokratie über Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Selbst dann, wenn ganz am Schluss doch noch eine überraschende Wendung eine Art "alles wird doch noch gut" suggeriert.
Ein gelungener Band einer Serie, die auch im weiteren Verlauf immer neu, frisch, überraschend - aber leider auch beängstigend nah an der italienischen Realität bleibt.

Miss Sophie