Das Buch direkt bei Amazon bestellen Petra Oelker
Der Klosterwald

Wunderlich gebunden
ISBN 3-8052-0690-9

An einem schönen Sonntag im Juni rüttelt ein Skandal die schläfrige Idylle Möldenburgs auf: Der beliebte Arzt Dr. Mellert erschießt sich im Klosterwald. Niemand weiß warum, Gerüchte werden laut, man spricht sogar von Mord.
Einige Monate später ist etwas Gras über die traurige Geschichte gewachsen. Die neue Äbtissin des evangelischen Klosters, Felicitas Stern, ist erleichtert, dass in ihrer Heimatstadt, in die sie nach vielen Jahren zurückgekehrt ist, wieder alles seinen gewohnten Gang geht. Sie freut sich auf einen ruhigen Herbst und ist zufrieden mit dem, was sie in ihrer ersten Amtszeit geschafft hat.
Die neun Konventualinnen respektieren ihre neue Leiterin, die sich nicht als weltferne Betschwester, sondern als moderne Managerin eines bewohnten christlichen Museums versteht. Für die Rettung der spätgotischen Wandmalereien im Refektorium hat sie einen spendablen Mäzen gefunden und die junge Restauratorin Judith Rehland eingestellt.
Doch die spätherbstliche Idylle in Möldenburg ist nur von kurzer Dauer. Noch eine Leiche wird im Klosterwald gefunden, und diesmal ist der Fall eindeutig: Mord. Die Tatwaffe, ein rumänisches Jagdmesser, wird in der Nähe der Leiche entdeckt.
Trotzdem tappt der notorisch missgelaunte Kriminalhauptkommissar Erik Hildebrandt im Dunkeln. Erst als sich die neugierige Äbtissin mit unbequemen Fragen und waghalsigen Recherchen einmischt, wird die Spur heiß. Sie führt nach Rumänien, auf das Gut ihrer Jugendliebe Arnold Zechau und immer wieder zurück zu Andreas Mellert, dem ersten Toten im Klosterwald.

Rezension:
Eine Klosterfrau als Amateurdetektivin - aha, ein Roman in mittelalterlichem Ambiente, denken Sie!
Weit gefehlt!
Denn natürlich gibt es sie auch heute noch, Frauen, die den Schleier nehmen - und zwar, was viele nicht wissen, nicht notwendigerweise ausschließlich solche katholischen Glaubens. Auch evangelische Christinnen, sogar wenn sie bereits verheiratet waren, finden als Konventualinnen Aufnahme in bestimmten Klöstern, die wie im vorliegenden Buch beschrieben, als eine Art "Wohnstift" geführt werden, damit die darin befindlichen Kunstschätze und auch die Bauten selbst, besser erhalten und gepflegt werden können. Einzige Bedingung: Die Kandidatinnen müssen ihre "familiären Verpflichtungen" abgeschlossen haben (was typischerweise der Fall ist, wenn die Kinder erwachsen sind und eine eventuelle Ehe durch Tod oder Scheidung aufgelöst wurde), sich dem christlichen Glauben verpflichtet fühlen und bereit sein, in den Sommermonaten Führungen zu veranstalten.
In solch einem Kloster spielt also (zu großen Teilen) der neue Roman von Petra Oelker, die sich mit ihrer Serie um Rosina, die Gauklerin, sowie die Kaufmannsfamilie Hermanns bereits eine große Fangemeinde erschrieben hat.
Und wie bereits in diesen historischen Krimis gelingt es der Autorin auch hier in wenigen Sätzen einen ganzen Mikrokosmos zum Leben zu erwecken. Schon nach wenigen Seiten hat der Leser das Gefühl, das (fiktive) Städtchen Möldenburg selbst einmal besucht und seine Einwohner kennen gelernt zu haben.
Jede der Figuren, die die Wahlhamburgerin Oelker so prägnant skizziert hat ihre kleinen, skurrilen Eigenheiten, die sie doch um so liebenswerter macht. Sei es nun Priorin Elisabeth Möller, ehemalige Empfangsdame in der physiotherapeutischen Großpraxis ihres Ex, Konventualin Zita Morender, die Neunzigjährige mit einemFaible für den "jungen" Michael Douglas oder Henry Lukas, der Anwalt - als Kind Schreck jeder Aufsichtsperson.
Gleichzeitig kommt die Autorin, wie man es nicht anders von ihr gewohnt ist, elegant und unaufdringlich ihrem "Bildungsauftrag" nach. Wir erinnern uns - in jedem der historischen Romane spielte ein bestimmtes Gewerbe eine sehr wichtige Rolle und der Leser konnte peu a peu eine Menge über eben diesen Berufsstand erfahren. Hier nun liefert die Figur der jungen Restauratorin Judith Rehland den Aufhänger, um eventuellen Kunstbanausen ein wenig Grundlagenwissen zu vermitteln. So lernen wir etwa den Unterschied zwischen einem "Fresco" und der "Secco-Malerei" - bei ersterem wurde nämlich die mit Kalkwasser angerührte Farbe auf die noch feuchte Wand aufgetragen, was zu einer intensiveren und haltbareren Verbindung mit dem Untergrund führte.
Aber all das - die launige Beschreibung der Personen, die pointierten und witzigen Dialoge, das Fachwissen mit dem die Autorin brilliert - gerät zu schlichtem "Beiwerk", kaum vertieft man sich in die packende Handlung des Romans.
Der Fund einer - zunächst unbekannten - Leiche, zu der immer mehr der nach außen hin so unbescholtenen Bürger der kleinen Stadt in einer, wie auch immer gearteten, Beziehung standen, ist nur EIN Eckpfeiler, um den sich die immer komplexer werdende Geschichte rankt.
Denn ein ganz wichtiges Element ist auch der Selbstmord des ortsansässigen Arztes - und genau an diesem Punkt zeigt Oelker, dass sie mehr, weit mehr kann, als einen sauberen, spannenden Plot zu erdenken und mit Leben zu füllen. Wie sie darstellt, was in den Hinterbliebenen vorgeht, mit allen denkbaren Facetten, von Schuldgefühlen über Zorn, Verzweiflung und abgrundtiefer Trauer über einen so endgültigen Verlust, das berührt den Leser zutiefst und bleibt auch lange nach der Lektüre des Krimis im Gedächtnis haften.
Ebenso wie die lebensbejahende Grundhaltung, die das Buch durchdringt und suggeriert, dass es immer noch ein "morgen" gibt, für das es sich weiterzumachen lohnt, egal, was geschehen ist.
Alles in allem ein vielversprechender und äußerst lesenswerter Auftakt für - vielleicht - eine ungewöhnliche neue Reihe.

Miss Sophie