Das Buch direkt bei Amazon bestellen Heinrich Steinfest
Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Bastei Lübbe TB
ISBN 3-404-14507-0

Kann es sein, dass eine Stadt wie Stuttgart, in der Nüchternheit und Anstand regieren, sich in einen Käfig verwandelt? Einen Käfig, in dem hochnervöse Figuren in ein kriminelles Spiel geraten, das durch immer neue Regeln und Regelbrüche beschleunigt wird?
Es kann!
Stuttgart ist die Falle, in die alle tappen.
Der Mann heißt Szirba. Er ist Auslandswiener und unschuldig. Als leicht verletzter Zeuge eines Verbrechens wird er ins Spital eingeliefert. Und muss bald feststellen, dass man ihn lieber tot als verletzt sehen möchte. Seine Flucht entwickelt sich zum tragisch-komischen Parforceritt durch eine unwirkliche Stadt.
Der andere Mann heißt Jooß. Er ist der Killer. Aber leicht hat er es auch nicht. "Ich will nichts beschönigen: Ich töte Menschen. Menschen, die es vielleicht verdient haben, vielleicht nicht. Ich bin nichts anderes als ein Kellner, der ein Essen serviert, an dem einer stirbt. Ich wähle das Opfer nicht aus, wie der Kellner nicht bestimmt, wer das Lokal betritt."

Rezension:
Ein Wiener Architekt namens Szirba, der in Stuttgart lebt, frönt auch hier seiner Leidenschaft etwas hinzuzufügen, wo es nicht hingehört. Sozusagen ein umgekehrter Taschendieb, der im Billigladen ein exklusives Stück hinterlässt, das nach der Entdeckung für heillose Verwirrung sorgen kann.
Nun stößt er aber auf einen älteren Herrn, der offensichtlich der selben Leidenschaft verfallen ist, indem er ebenfalls Gegenstände hinzufügt, wo sie nicht sein sollten. Bei der Beobachtung dieses Mannes in der Stuttgarter Bahnhofsbuchhandlung kommt es zu einem Überfall, bei dem der Mann in die Schusslinie gerät. Szirba wirft sich dazwischen und landet mit einer zerschossenen linken Hand im Spital. Das vermeintliche Opfer hat er aber gerettet, die Kugel verirrte sich in die Lunge eines Unbeteiligten.
Der Spitalsaufenthalt trägt aber nicht unbedingt zu Szirbas Genesung, denn man trachtet um sein Leben. Mit der Hilfe eines Ex-Boxers entkommt er zwar aus dem Spital, steckt aber ungewollt bis zum Hals in Schwierigkeiten. Noch dazu taucht ein deutschstämmiger Südafrikaner auf, der eine angesehene Dame aus dem Weg schaffen soll. Nebenbei verkauft er afrikanische Bibeln und entpuppt sich als kultivierter Philanthrop, der eben als Killer sein Brot verdient. Szirba und der Südafrikaner stoßen aufeinander, eigentlich ungewollt, da sie sich bereits in der Mitte eines Sumpfes aus Machenschaften befinden, dem man, wenn überhaupt, nur in der Vorwärtsbewegung entrinnen kann.
Heinrich Steinfest spielt in diesem Buch seine gewohnten Stärken aus: ein erzählerisches Geschick gepaart mit einer gut abgestimmten Portion scharfer Satire und Skurrilität. Dennoch überrascht der Autor durch ein phasenweise atemberaubendes Tempo und durch die Handlungsstruktur.
Zwei gleichberechtigte Hauptfiguren, die gleichberechtigt aber konträr agieren und sich schlussendlich über den Weg laufen, bestimmen diesen Roman, ohne aufdringlich zu sein. Und wie im richtigen Leben wird nicht jede Schuld gesühnt und die Unschuld bleibt nicht unbescholten.
Ein gereiftes Werk aus der Feder des Wiener Autors, der in Stuttgart lebt, was diesem Buch sicher nicht geschadet hat.

Rudolf Kraus