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Born Bad - Stories

Original: Born Bad
Eichborn gebunden
ISBN 3-8218-0923-X

Was verbergen scheinbar so eindeutigen moralischen Kategorien wie gut oder böse? Andrew Vachss hält uns in seinem neuesten Erzählband "Born Bad" den hässlichen Spiegel einer kaum vorstellbaren alltäglichen Welt vor Augen:
Ein Mann tötet Frauen, wahllos, ziellos, weil er glaubt, von Grund auf böse zu sein; Gesetzeshüter schänden alles, was Brüste hat, um ihre Opfer hinterher in einem Sack auf der örtlichen Müllkippe verschwinden zu lassen; ein höflicher Autofahrer ärgert sich über die Rücksichtslosigkeit anderer Verkehrsteilnehmer, schießt sie kurzerhand über den Haufen und man denkt: "Der Mann hat Recht!"; eine angehende Schauspielerin verdient mit Telefonsex und der Nummer "ich bin dein kleines Mädchen" ihr Geld, bis sie eines Tages den eigenen Vater am Hörer hat, der sie als Kind selbst zum Opfer machte.

Rezension:
Beunruhigend, beängstigend und für "normale" Menschen fast unvorstellbar, was in Vachss Büchern steht.
Und noch viel grauenvoller und aufgrund der Realitätsnähe noch weitaus verstörender, das, was NICHT drin steht.
Der Autor mit der auffälligen Augenklappe hat es nicht nötig, detailreich über verkorkste Kinderseelen, unerbittliche Verbrecher, unmenschliche Kinderschänder und gnadenlose Rächer zu schreiben. Denn seine Fans wissen, wie (und was) sie zwischen den Zeilen lesen müssen - besser wird es dadurch aber auch nicht.
Seine Protagonisten sind ganz unten, unerreichbar weit entfernt vom Prinzip Hoffnung. Es sind "fertige", deprimierende Gestalten; Spieler, Junkies, Stricher, Mörder, Söldner, Ärzte ... und immer wieder Kinder.
Kleine, unschuldige Geschöpfe, die noch mitten drin stecken in einer Situation von Missbrauch, die sie nicht verstehen, aber als unerträglich empfinden.
Und "große" Jungs und Mädels, die als Konsequenz dessen, was sie als Kinder erfahren mussten, zu Tätern werden. Entweder, indem sie das Leben jener auslöschen, die sie so tief und nachhaltig verletzt haben oder, indem sie sich stellvertretend für ihre ehemaligen Peiniger an allen Menschen rächen, die sie für "schuldig" halten.
In den im vorliegenden Band enthaltenen Kurzgeschichten und Theaterstücken (von denen Zuschauer wie Leser wohl manches Mal wünschen würden, sie nie gesehen zu haben), arbeitet der New Yorker Anwalt Vachss wieder einmal literarisch die gesamte Bandbreite dessen auf, was er während seiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erfahren musste.
Und wie immer löst dies beim Leser (zumal wenn dieser selbst Vater oder Mutter ist) eine Mischung aus Betroffenheit, Abscheu, und Wut aus, die nach und nach den Gedanken an kalte und unerbittliche Rache gar nicht mehr so absonderlich scheinen lässt ... "Politisch korrekt" ist dies sicherlich nicht - aber das war der engagierte Jugendschützer in seinen Romanen noch nie.
Als "Einsteigerband" für Vachss-Neulinge sind die vorliegenden Erzählungen sicherlich nicht geeignet, die Fans allerdings werden froh sein, dass sich der Meister nach Safe House (1999) wieder auf deutsch zurückmeldet, wenngleich sie "ihren" Burke und seine Freunde vermissen werden.

Miss Sophie