Das Buch direkt bei Amazon bestellen Petra Oelker
Die englische Episode

(6. Band Kaufmannsfamilie Herrmanns & Rosina, die Komödiantin)
rororo TB
ISBN 3-499-23289-8

April anno 1770.
In Hamburg wird ein honoriger Drucker ermordet, ein Mädchen und eine kostbare Münzsammlung verschwinden. Wenige Wochen später wird in London die Leiche einer jungen Frau gefunden. Wer hasste den Drucker so sehr? Warum musste das Mädchen sterben?
Diesmal macht sich die Hamburger Komödiantin Rosina mit Weddemeister Wagner und Madame Augusta in der brodelnden, weltoffenen Stadt an der Themse auf die Suche nach einem Mörder und seinem Motiv.
Eine aufregende Suche, bis sie zwischen Theater, Kaffeehaus und Druckerei, verruchtem Gin-Keller und noblem Salon begreifen, was die beiden Toten an Elbe und Themse miteinander verband.

Rezension:
Das Warten hat ein Ende: Rosina und die Kaufmannsfamilie Herrmanns gehen wieder auf die Jagd nach bösen Buben und entlaufenden Mädchen!
Fast drei Jahre ist es nun her, dass Autorin Oelker in "Die ungehorsame Tochter" das Geheimnis um die Herkunft von Rosina lüftete und damit in den Augen vieler (darob einigermaßen bestürzter) Fans einen Schlusspunkt unter ihre beliebte Serie setzte.
Doch glücklicherweise haben anscheinend auch fiktive Charaktere ihren ganz eigenen Kopf - und wie es aussieht, drängte sich Rosinas hübsches Haupt mit seinen dicken, blonden Locken besonders machtvoll wieder ins Bewusstsein seiner Schöpferin, die mit "Der Klosterwald" einen erfolgreichen Ausflug in ein ganz anderes Ambiente gewagt hatte.
Die Pause hat der Serie aber nicht geschadet, im Gegenteil: In neuer Frische und um einige interessante und pikante Erfahrungen und Entwicklungen reicher, starten die Figuren mit neuer Kraft durch.
Zwar müssen sich Claes Herrmanns und seine Gattin diesmal eher mit einer Nebenrolle begnügen, sind sie doch ziemlich überstürzt auf Reisen gegangen -gemeinsam mit Claes Tochter, die sich (Skandal!) von ihrem Mann getrennt hat.
Dafür dürfen sich die Mitglieder der Komödiantentruppe (bei der Rosina trotz ihrer vornehmen Geburt und dem geerbten Geld nach wie vor verblieben ist) insgesamt wieder aktiver ins Geschehen einbringen.
Und was besonders die Freunde von Oelkers wunderbaren "Kleindarstellern" freuen wird: Nicht nur Tante Augusta kommt bei den Ermittlungen zum Zug, auch Weddemeister Wagner darf zeigen was er kann; zusammen mit seiner frisch angetrauten, ausgesprochen naiven jungen Frau wird er zum Auslandseinsatz nach England berufen.
Was für heutige Verhältnisse einfach klingt - seinerzeit ein gewagtes Unterfangen: Von einer anerkannten Autorität im heimatlichen Hamburg zum Zivilist ohne Befugnisse, ohne Orts- und mit nur rudimentären Sprachkenntnissen, das würde den gestandensten Polizeibeamten aus der Ruhe bringen.
Doch Wagner schlägt sich erstaunlich gut - ebenso wie die Autorin, die sich durch die Verlegung eines Großteils der Handlung nach London ebenfalls auf völlig neues Terrain begibt.
Wo sie den Leser sonst mit den Besonderheiten des Hamburger Hafenlebens im ausgehenden 18. Jahrhundert vertraut machte, da führt sie ihn hier zu Hahnen- und Hundekämpfen (ein Terrier gegen achtzig Ratten in elf Minuten) oder wässert ihm den Mund mit Landschaftsbeschreibungen, die jeden England-Fan sofort zum Hörer greifen lassen und ein Ticket nach London bestellen lassen.
Und während die Deutschen dort auf die Suche gehen nach jenem Drucker, der mysteriöserweise fast zeitgleich mit dem Tod seines Kollegen aus Hamburg verschwand, entfaltet sich vor dem Auge des Betrachters auch ein prachtvolles Sittengemälde des Englands jener Zeit. Ein England, das sich offensichtlich so sehr überhaupt nicht vom Kontinent unterscheidet - etwa, wenn es darum geht, Hochzeiten zu arrangieren oder festzulegen, wie sich eine angepasste junge Frau aus gutem Hause zu verhalten hat.
So tummeln sich die Protagonisten denn in einer Vielzahl von Handlungssträngen in den Salons der ersten Gesellschaft, in hochherrschaftlichen Prachtbauten, so groß, dass man sich in ihren Fluren verlieren kann, aber auch tief in der Gosse oder in den Räumlichkeiten von Lloyds, in denen die Bücher mit den Schiffsmeldungen für die einen voller Hoffnung, für die anderen voll tiefster Verzweiflung stecken.
Und schon auf den ersten 124 Seiten heißt es für den Leser daher gut aufzupassen, damit er den Faden nicht verliert. Keine leichte Bett-Lektüre also für die letzten Minuten des Tages, kurz vor dem Einschlafen - aber packende, spannende Unterhaltung, das allemal.
Welcome back, Rosina - wollen wir hoffen, dass es noch recht viel zu tun gibt für dich, egal ob in Hamburg oder anderswo!

Miss Sophie

***

Petra Oelker hat es wieder einmal geschafft: Sie hat ein Buch geschrieben, das man von der ersten Zeile ab kaum noch aus der Hand legen möchte.
Nach ihrem letzten Buch in der Reihe um die Komödiantin Rosina und ihre Freunde haben wahrscheinlich viele Leser befürchtet, dass die Geschichte um Rosina zu Ende wäre, da ihr über viele Bände gepflegtes und aufgebautes Geheimnis doch gelüftet wurde. Weit gefehlt – die Geschichte um und mit Rosina geht weiter. Schon von Beginn des Buches an treffen wir auf viele bekannte Namen und Charaktere, die wir in den vorangegangenen Büchern lieb gewonnen haben.
Auch dieses Mal gerät Rosina in die Ermittlungen um einen Mord. Es verschlägt sie dabei sogar nach London – mitsamt ihrer Komödiantenfreunde. Die Ermittlungen sind dieses Mal zwar leider etwas schleppend und nicht ganz so spannend und überraschend wie in den vorhergehenden Bänden, aber dies gerät nahezu in den Hintergrund, ob der Beschreibungen des Londons im 18. Jahrhundert.
Gewohnt bildhaft und illuster beschreibt Autorin Oelker das Leben und Wohnen im historischen London – sowohl bei den Reichen als auch bei der Stadtbevölkerung. So ist es fast unwichtig, dass das Ende der Geschichte wenig überraschend und teilweise etwas verworren daherkommt und dass sich manches Mal zu viele Zufälle häufen.
Fans, die die vorangegangenen Rosina-Bücher gelesen haben, sollten diesen Band auf keinen Fall verpassen.
"Neo-Rosinaten", die die Vorläufer-Bände noch nicht kennen, sollten eher die anderen Bücher vorweg lesen, da zu viel Grundwissen über die Figuren des Romans vorausgesetzt wird.

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